Heidelberger Katechismus Frage ...
Den Heidelberger (anders) hören
Dieser Text regt zum eigenen (Weiter-)Denken an!
Ein Veranstaltungsvorschlag

Den Heidelberger Katechismus vortragen lassen und einmal (anders) hören – in Auszügen oder ganz. In Abwechslung vielleicht mit solistischen Musikstücken.
Dialogisch. Szenisch. Kommunikativ. Ohne viele Erklärungen. Denn dieser Text regt zum eigenen Denken an, berührt existentielle Fragen, weckt Widerspruch oder Zustimmung, fordert heraus!

Programmvorschläge, weitere Infos und Kontakte zu Schauspieler/inne/n über Aleida Siller, E-Mail: info@reformierter-bund.de



Frage 1

Predigt von Pastor Fritz Baarlink, Veldhausen

"...dass ohne den Willen meines Vaters kein Haar von meinem Haupt kann fallen."

Frage 1

Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben?

Dass ich mit Leib und Seele
im Leben und im Sterben nicht mir,

sondern meinem getreuen Heiland
 Jesus Christus gehöre.

Er hat mit seinem teuren Blut
für alle meine Sünden vollkommen bezahlt
und mich aus aller Gewalt des Teufels erlöst;
und er bewahrt mich so,

dass ohne den Willen meines Vaters im Himmel
kein Haar von meinem Haupt kann fallen

ja, dass mir alles zu meiner Seligkeit dienen muss. 



Darum macht er mich auch 
durch seinen Heiligen Geist

des ewigen Lebens gewiss
und von Herzen willig und bereit,
ihm forthin zu leben.


Predigttext: Mt.10,26-33 + Heidelberger Katechismus, Frage 1 (Antwort Teil 2); 
Lesung: Röm.8,31-39

Du bist das Eigentum Christi, der dich also bewahrt, dass ohne den Willen deines Vaters im Himmel kein Haar von deinem Haupt fallen kann, ja auch dir alles zu deiner Seeligkeit dienen muss!
 

Liebe Gemeinde!
„Ohne den Willen meines Vaters kann kein Haar von meinem Haupt fallen“ – dieses Zitat stammt aus der berühmten Antwort zu Frage 1 aus unserem Heidelberger Katechismus.
Alles, was ich an Auslegungen und Predigten darüber in Erinnerung habe, hat mich nicht befriedigt. Sie behandeln jeweils die Frage, die uns später im Katechismus mit der Vorsehung begegnet (Fr.27): Ob mir denn ohne den Willen meines Vaters im Himmel kein Haar gekrümmt(!) wird. Also die Frage nach Leid und Unglück und dass alles irgendwie Gottes Wille ist – er zumindest alles zugelassen habe.
Wir können uns gut vorstellen, dass viele mit solchen Sätzen ihre Probleme haben. War es Gottes Wille, dass der tödliche Unfall geschah? War es Gottes Wille, dass die Krankheit viel zu früh eine geliebte Person aus unserer Mitte riss oder für die Betroffenen einen quälenden Prozess auslöste?
Hier geht es aber nicht um das Leid und die Frage nach den Ursachen und nach Gott. Der Katechismus übernimmt hier vielmehr eine Formulierung, die wir aus Matthäus 10 kennen. Dort ist uns eine Rede Jesu überliefert, in der er die Jünger auf Verfolgungen einstellt. Sie werden es nicht leicht haben. Wer sich zu Jesus bekennt, kann Nachteile in Kauf nehmen müssen. Christen wurden schon zu den Zeiten, als Matthäus dieses Evangelium zusammen stellte, verfolgt. Manche haben schon damals wegen ihres Glaubens ihr Leben verloren. Kein Wunder, wenn jemand Angst hat, sich als Christ zu „outen“. Dann lieber den Mund halten, nicht auffallen und seine Überzeugungen als Privatsache für sich behalten.
Jesus will dagegen seine Gemeinde ermutigen, sich zu ihm zu bekennen, auch wenn man deswegen angefeindet wird oder vielleicht sogar körperlich darunter leiden muss. „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten doch die Seele nicht töten können.“
Hier unterscheidet Jesus zwischen Leib und Seele. Diese Unterscheidung kennen wir eigentlich nicht aus der hebräischen Bibel, wohl aber aus den griechischen Vorstellungen. Dort heißt es sogar, dass die Seele unsterblich sei. Diesen Gedanken finden wir auch in der Volksfrömmigkeit: mag der Leib sterben und verwesen, die Seele ist unsterblich bei Gott.
So redet die Bibel nicht. Unsterblich ist ein Attribut, dass allein Gott vorbehalten ist. Ja, auch die Seele (was auch immer wir uns darunter vorstellen sollen) kann „sterben“. Jesus sagt im nächsten Satz: „fürchtet euch vor Gott, der Leib und Seele in der Hölle verderben kann.“ Auch die Seele kann also von Gott abgelehnt werden. Unsterblich und „bei Gott“ ist nur das, was Gott bei sich haben will. Auch die Seele ist auf Erlösung angewiesen.
Aber das nur nebenbei, denn es geht auch Jesus in diesem Text nicht darum, was nach dem Tod sein wird. Es geht ihm um die Ermahnung an die Gemeinde, im Glauben nicht nachzulassen, im Bekennen zu ihm zu stehen. Denn wer seinen Glauben verleugnet, nur um ungestört noch eine Weile durchs Leben gehen zu können, wer meint, es sich bequemer machen zu können, wenn er nicht zu seinen Überzeugungen steht – der hat nur für den Augenblick Ruhe. Denken wir an Petrus: er wollte nicht Probleme bekommen, nur weil Leute ihn wieder erkannten als einen Freund jenes Jesus, der gerade verhört und gequält wird. Und bevor der Hahn krähte, verleugnete Petrus drei Mal seine Zugehörigkeit zur Gemeinde Jesu und war darüber sehr erschrocken. Nur um in Ruhe gelassen zu werden, akzeptieren die Menschen Unrecht und Lüge? – sie retten ihre Haut und verraten ihren Glauben.
Dabei benötigt diese Welt jene, die aus ihren Überzeugungen keinen Hehl machen, auch wenn sie darunter leiden müssen. Was wäre die Welt ohne einen Dietrich Bonhoeffer oder Paul Schneider, ohne einen Martin Luther King oder Nelson Mandela, ohne das Heer der Namenlosen, die sich für Demokratie und Freiheit einsetzen?
Auch und erst recht für die Kirche gilt: das Blut der Märtyrer ist zum Samen für das Evangelium geworden. Woher hätten wir den Trost und die Lebenshilfe des christlichen Glaubens entdecken sollen, wenn nicht andere unter manchmal schwierigen Umständen diesen Glauben weiter gegeben haben, ja: zu ihrem Glauben gestanden haben?
Also: Menschen können euch nur das Leben nehmen, aber das Leben besteht nicht nur aus Essen und Trinken, sondern auch aus Überzeugungen und Idealen. Und bei all euren Wünschen, ein angenehmes Leben zu leben: vergesst nicht euren Gott, der auch die Seele in der Hand hat.
Nachdem Jesus darauf hingewiesen hat, nennt er nun die Sperlinge. Gott kümmert sich sogar um diese kleinen und relativ wertlosen Vögel, die damals als „Geflügelbraten der kleinen Leute“ (U.Luz in seinem Mt-Kommentar) galten. Wie viel mehr bist du Gott wertvoll, wenn er sich sogar um wertlose Tiere kümmert? Und augenzwinkernd fügt Jesus hinzu: Wenn Gott dann auch noch um wertlose Teile deines Körpers im Auge hat, nämlich die Haare, die dir ausfallen, wie viel mehr wirst du ihm wertvoll sein?
Gott kümmert sich um dich – diese Aussage trifft Jesus im Zusammenhang mit der Ermahnung, in Verfolgungszeiten den Glauben nicht wie eine heiße Kartoffel fallen zu lassen. Wichtiger als den Händen der Menschen ausgeliefert zu sein ist das Wissen, in Gottes Händen geborgen zu sein. Jesaja: „Es werden Berge weichen und Hügel hinfallen, es kann drunter und drüber gehen in deinem Leben und in deiner Welt, aber ich bin bei dir.“ Oder Paulus: „Keine Macht und Kraft kann dich scheiden von der Liebe Gottes, die in Jesus Christus ist, unserem Herrn.“
In Gottes Händen geborgen, auch wenn Menschen einem das Leben schwer machen. Gott kümmert sich um dich, auch wenn du es im Leben schwer hast und irgendein Ereignis deine Wünsche und deine Hoffnung auf ein langes und ungestörtes Leben durchkreuzt.
Merkt ihr was? Es geht hier gar nicht darum, dass Gott jeden Unfall und jede Krankheit von dir fern hält. Es geht auch nicht um die nicht zu beantwortende Frage, ob es Gottes Wille ist, wenn dir etwas zustößt. Es geht vielmehr darum: wenn ohne Gottes Wille kein Haar von deinem Haupt fallen kann, dann kannst auch du nicht tiefer fallen als in Gottes Hand.
Jesus sagt also nicht: ohne den Willen deines Vaters im Himmel wird dir kein Haar gekrümmt. Dann könnten wir tatsächlich hinter jedem schweren Schicksal Gottes Willen vermuten – und uns entsprechend schwer tun mit dem Glauben und Vertrauen zu diesem Gott. Nein: Jesus sagt: wenn es Gott schon nicht egal ist, dass dir ein Haar vom Kopf fällt, dann bist du ihm um so wichtiger. Und wo immer du am Spiegel Haare in der Bürste findest oder mach dem Duschen Haare aus dem Abfluss heraus holst – dann erinnere dich an das Wort Jesu, dass solche unwichtigen Dinge wie der Verlust einiger Haare darauf zurück schließen lassen, dass du ihm unendlich wertvoll bist. Mögen Menschen dir Schlimmes zufügen können, Gott lässt dich nicht fallen.
Die Verfasser unseres Heidelberger Katechismus haben nichts Anderes sagen wollen. Erinnern wir uns: Der Katechismus fragt nach dem einzigen Trost im Leben und im Sterben, also nach dem, was dir in der Mitte des Lebens wichtig ist und dich auch am Rand des Lebens festhält. Und dann antwortet der Katechismus: Das Wichtigste ist, dass ich Eigentum Jesu Christi bin. Ich gehöre ihm – so wie man damals auf dem Sklavenmarkt Menschen kaufen konnte.
Und dann kommt dieser zweite Teil der Antwort: Wenn ich das Eigentum von Jesus Christus bin, dann bewahrt er mich so, dass ohne den Willen des Vaters im Himmel kein Haar von meinem Haupt fallen kann. Ich bin Gott so wertvoll, dass ich gegen seinen Willen ihm nicht aus der Hand fallen werde. Weil Jesus sich zu mir bekennt, weil er mich in seinen Tod und seine Auferstehung mit hinein nimmt, kann mir nichts mehr zustoßen, ja – setzt der Katechismus fort: - „es muss mir alles zu meiner Seeligkeit dienen“.
Zwei Bilder/Vergleiche fallen mir dazu ein.
Erstens: Jesus ist sozusagen die Rettungskapsel, wie wir im November 2010 die Rettung der 33 Bergleute in Chile bewundert und ein wenig beweint haben. Um aus 700 Metern Tiefe wieder zurück ins Leben zu finden, gibt es nur diesen einen Weg, den Rettungskräfte gebohrt haben, nachdem die bisherigen Wege verschüttet waren. Dazu musste ein Bergmann nach dem anderen jeweils in diese enge Kapsel steigen und aus der Tiefe an die Erdoberfläche geholt werden.
Paulus sagt: mit der Taufe haben wir Christus angezogen, wir sind sozusagen in ihn hinein geschlüpft. Wenn es dann heißt, dass Jesus für uns gestorben ist, dann ist damit nicht gemeint, dass wir nicht mehr sterben müssen. Nein, jeder hat seinen Tod noch vor sich. Aber auch unser Tod ist sozusagen in Christus aufgehoben. Und so nimmt er uns mit auf den Weg in den Tod und durch den Tod hindurch. Der Auferstandene wird zu der Rettungskapsel, in die wir hinein schlüpfen – und durch das Gestein des Todes an die Oberfläche der Ewigkeit gezogen werden.
Diese Kapsel in Chile hatte Rollen, damit sie sich nicht verhakt und derjenige, der gerettet werden soll, unterwegs nicht hängen bleibt und in der Falle sitzt. Solche Konstruktionen helfen also, dass nichts diese Rettungsaktion stören oder sogar aufhalten kann.
Und das bekräftigt auch der Katechismus: Wir gehören Jesus und er sorgt dafür, dass nichts unseren Weg in seine Zukunft durchkreuzen kann.
Mit einem anderen Bild: Jesus ist die Eskorte auf dem Weg der Verheißung. Eine Eskorte begleitet z.B. einen Staatsgast vom Flughafen zum Palast. Eine Eskorte verhindert, dass jemand den Konvoi aufhält. Eine Eskorte schützt den Gast, falls jemand sich unerlaubt seinem Wagen nähert.
Auffälligerweise greift der Katechismus diesen Gedanken in Frage 31 noch einmal auf, wenn es um die Ämter Christi geht. Christus oder Messias bedeutet auf Deutsch: „Der Gesalbte“. Und wie im Alten Testament Personen mit ihrer Salbung beauftragt werden, entweder Priester, Prophet oder König zu sein, denkt auch der Katechismus über diese Beauftragungen nach. Jesus vereinigt auf sich alle drei Ämter: er ist unser Prophet, unser Hohepriester und unser König. Und beim König sagt die Frage 31, dass Jesus uns „mit seinem Wort und Geist regiert und bei der erworbenen Erlösung schützt und erhält“.
Da haben wir es wieder: Die Rettungskapsel mit den Rollen an der Seite, dass nichts uns auf dem Weg der Verheißung aufhalten kann. Da ist sie wieder: die Eskorte, die den Ehrengast begleitet und schützt. Oder wie Paulus es sagt: dass keine Gewalten uns trennen können von der Liebe Gottes, die in Jesus Christus ist, unserem Herrn.
Jesus ist deine Rettungskapsel, Jesus ist deine Eskorte auf dem Weg des Lebens – so hören wir es hier sinngemäß, und der Vater im Himmel, ohne dessen Willen - wenn es darauf ankommt - nicht einmal ein Haar von deinem Haupt fallen kann, ist damit einverstanden, dass du ein Ehrengast bleibst.
Amen.

 

Predigt gehalten im November 2010 in der Ev.-altreformierten Gemeinde Veldhausen