Heidelberger Katechismus Frage ...
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Die 129 Fragen des Heidelberger Katechismus - ohne die Antworten!
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1. Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben?

2. Was musst du wissen, damit du in diesem Trost selig leben und sterben kannst?

3. Woher erkennst du dein Elend?

4. Was fordert denn Gottes Gesetz von uns?

5. Kannst du das alles vollkommen halten?

6. Hat denn Gott den Menschen so böse und verkehrt erschaffen?

7. Woher kommt denn diese böse und verkehrte Art des Menschen?

8. Sind wir aber so böse und verkehrt, dass wir ganz und gar unfähig sind zu irgendeinem Guten und geneigt zu allem Bösen?

9. Tut denn Gott dem Menschen nicht Unrecht, wenn er in seinem Gesetz etwas fordert, was der Mensch nicht tun kann?

10. Will Gott diesen Ungehorsam ungestraft lassen?

11. Ist denn Gott nicht auch barmherzig?

12. Wenn wir also nach dem gerechten Urteil Gottes schon jetzt und ewig Strafe verdient haben, wie können wir dieser Strafe entgehen und wieder Gottes Gnade erlangen?

13. Können wir aber selbst für unsere Schuld bezahlen?

14. Kann aber irgendein Geschöpf für uns bezahlen?

15. Was für einen Mittler und Erlöser müssen wir denn suchen?

16. Warum muss er ein wahrer und gerechter Mensch sein?

17. Warum muss er zugleich wahrer Gott sein?

18. Wer ist denn dieser Mittler, der zugleich wahrer Gott und ein wahrer, gerechter Mensch ist?

19. Woher weißt du das?

20. Werden denn alle Menschen wieder durch Christus gerettet, so wie sie durch Adam verloren gegangen sind?

21. Was ist wahrer Glaube?

22. Was ist für einen Christen notwendig zu glauben?

23. Wie lautet dieses Glaubensbekenntnis?

24. Wie wird das Glaubensbekenntnis eingeteilt?

25. Warum nennst du denn drei: den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist, wo doch Gott nur einer ist?

26. Was glaubst du, wenn du sprichst: „Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer Himmels und der Erde“?

27. Was verstehst du unter der Vorsehung Gottes?

28. Was nützt uns die Erkenntnis der Schöpfung und Vorsehung Gottes?

29. Warum wird der Sohn Gottes Jesus, das heißt „Heiland“ genannt?

30. Glauben denn auch die an den einzigen Heiland Jesus, die Heil und Seligkeit bei den Heiligen, bei sich selbst oder anderswo suchen?

31. Warum wird er Christus, das heißt „Gesalbter“ genannt?

32. Warum wirst aber du ein Christ genannt?

33. Warum heißt Jesus Christus „Gottes eingeborener Sohn“, da doch auch wir Kinder Gottes sind?

34. Warum nennst du ihn „unseren Herrn“?

35. Was bedeutet: „Empfangen durch den heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria“?

36. Was nützt es dir, dass er durch den heiligen Geist empfangen und von der Jungfrau Maria geboren ist?

37. Was verstehst du unter dem Wort „gelitten“?

38. Warum hat er unter dem Richter Pontius Pilatus gelitten?

39. Bedeutet sein Tod am Kreuz mehr, als wenn er eines anderen Todes gestorben wäre?

40. Warum hat Christus den Tod erleiden müssen?

41. Warum ist er begraben worden?

42. Warum müssen wir noch sterben, obwohl Christus für uns gestorben ist?

43. Welchen weiteren Nutzen haben wir aus Opfer und Tod Christi am Kreuz?

44. Warum folgt „abgestiegen zu der Hölle“?

45. Was nützt uns die Auferstehung Christi?

46. Wie verstehst du, dass es heißt „aufgefahren in den Himmel“?

47. Ist denn Christus nicht bei uns bis ans Ende der Welt, wie er uns verheißen hat?

48. Werden aber auf diese Weise nicht Gottheit und Menschheit in Christus voneinander getrennt, wenn er nach seiner menschlichen Natur nicht überall ist, wo er nach seiner Gottheit ist?

49. Was nützt uns die Himmelfahrt Christi?

50. Warum wird hinzugefügt „er sitzt zur Rechten Gottes“?

51. Was nützt uns diese Herrlichkeit unseres Hauptes Christus?

52. Was tröstet dich die Wiederkunft Christi, „zu richten die Lebenden und die Toten“?

53. Was glaubst du vom heiligen Geist?

54. Was glaubst du von der „heiligen allgemeinen christlichen Kirche“?

55. Was verstehst du unter der „Gemeinschaft der Heiligen“?

56. Was glaubst du von der „Vergebung der Sünden“?

57. Was tröstet dich die „Auferstehung der Toten“?

58. Was tröstet dich die Verheißung des ewigen Lebens?

59. Was hilft es dir aber nun, wenn du das alles glaubst?

60. Wie bist du gerecht vor Gott?

61. Warum sagst du, dass du allein durch den Glauben gerecht bist?

62. Warum können denn unsere guten Werke uns nicht ganz oder teilweise vor Gott gerecht machen?

63. Verdienen aber unsere guten Werke nichts, obwohl Gott sie doch in diesem und dem zukünftigen Leben belohnen will?

64. Macht aber diese Lehre die Menschen nicht leichtfertig und gewissenlos?

65. Wenn nun allein der Glaube uns Anteil an Christus und allen seinen Wohltaten gibt, woher kommt solcher Glaube?

66. Was sind Sakramente?

67. Sollen denn beide, Wort und Sakrament, unseren Glauben auf das Opfer Jesu Christi am Kreuz als den einzigen Grund unserer Seligkeit hinweisen?

68. Wieviel Sakramente hat Christus im Neuen Testament eingesetzt?

69. Wie wirst du in der heiligen Taufe erinnert und gewiss gemacht, dass das einmalige Opfer Christi am Kreuz dir zugut kommt?

70. Was heißt, mit dem Blut und Geist Christi gewaschen sein?

71. Wo hat Christus verheißen, dass wir so gewiss mit seinem Blut und Geist wie mit dem Taufwasser gewaschen sind?

72. Ist denn das äußerliche Wasserbad selbst die Abwaschung der Sünden?

73. Warum nennt denn der Heilige Geist die Taufe das „Bad der Wiedergeburt“ und die „Abwaschung der Sünden“?

74. Soll man auch die kleinen Kinder taufen?

75. Wie wirst du im heiligen Abendmahl erinnert und gewiss gemacht, dass du an dem einzigen Opfer Christi am Kreuz und allen seinen Gaben Anteil hast?

76. Was heißt, den gekreuzigten Leib Christi essen und sein vergossenes Blut trinken?

77. Wo hat Christus verheißen, dass er die Gläubigen so gewiss mit seinem Leib und Blut speist und tränkt, wie sie von diesem gebrochenen Brot essen und von diesem Kelch trinken?

78. Werden denn Brot und Wein in Leib und Blut Christi verwandelt?

79. Warum nennt denn Christus das Brot seinen Leib und den Kelch sein Blut oder nennt den Kelch den neuen Bund in seinem Blut, und warum spricht Paulus von der Gemeinschaft des Leibes und Blutes Jesu Christi?

80. Was ist für ein Unterschied zwischen dem Abendmahl des Herrn und der päpstlichen Messe?

81. Welche Menschen sollen zum Tisch des Herrn kommen?

82. Dürfen aber zum heiligen Abendmahl auch solche zugelassen werden, die sich in ihrem Bekenntnis und Leben als Ungläubige und Gottlose erweisen?

83. Was ist das Amt der Schlüssel?

84. Wie wird das Himmelreich durch die Predigt des heiligen Evangeliums auf- und zugeschlossen?

85. Wie wird das Himmelreich durch die christliche Bußzucht zu- und aufgeschlossen?

86. Da wir nun aus unserm Elend ganz ohne unser Verdienst aus Gnade durch Christus erlöst sind, warum sollen wir gute Werke tun?

87. Können denn auch die selig werden, die sich von ihrem undankbaren, unbußfertigen Leben nicht zu Gott bekehren?

88. Worin besteht die wahrhaftige Buße oder Bekehrung des Menschen?

89. Was heißt Absterben des alten Menschen?

90. Was heißt Auferstehen des neuen Menschen?

91. Was sind denn gute Werke?

92. Wie lautet das Gesetz des HERRN?

93. Wie werden diese Gebote eingeteilt?

94. Was fordert der Herr im ersten Gebot?

95. Was ist Götzendienst?

96. Was will Gott im zweiten Gebot?

97. Darf man denn gar kein Bild machen?

98. Dürfen denn nicht die Bilder als „der Laien Bücher“ in den Kirchen geduldet werden?

99. Was will Gott im dritten Gebot?

100. Ist es denn eine so schwere Sünde, Gottes Namen mit Schwören und Fluchen zu lästern, dass Gott auch über die zürnt, die nicht alles tun, um es zu verhindern?

101. Darf man aber überhaupt bei dem Namen Gottes einen Eid schwören?

102. Darf man auch bei den Heiligen oder anderen Geschöpfen schwören?

103. Was will Gott im vierten Gebot?

104. Was will Gott im fünften Gebot?

105. Was will Gott im sechsten Gebot?

106. Redet denn dieses Gebot nur vom Töten?

107. Haben wir das Gebot schon erfüllt, wenn wir unseren Nächsten nicht töten?

108. Was will Gott im siebenten Gebot?

109. Verbietet Gott in diesem Gebot allein den Ehebruch?

110. Was verbietet Gott im achten Gebot?

111. Was gebietet dir aber Gott in diesem Gebot?

112. Was will Gott im neunten Gebot?

113. Was will Gott im zehnten Gebot?

114. Können aber die zu Gott Bekehrten diese Gebote vollkommen halten?

115. Warum lässt uns Gott denn die zehn Gebote so eindringlich predigen, wenn sie doch in diesem Leben niemand halten kann?

116. Warum ist den Christen das Gebet nötig?

117. Was gehört zu einem Gebet, damit es Gott gefällt und von ihm erhört wird?

118. Was hat uns Gott befohlen, von ihm zu erbitten?

119. Wie lautet dieses Gebet

120. Warum hat uns Christus befohlen, Gott so anzureden: „Unser Vater“?

121. Warum wird hinzugefügt: „im Himmel“?

122. Was bedeutet die erste Bitte: „Geheiligt werde dein Name“?

123. Was bedeutet die zweite Bitte: „Dein Reich komme“?

124. Was bedeutet die dritte Bitte: „Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden“?

125. Was bedeutet die vierte Bitte: „Unser tägliches Brot gib uns heute“?

126. Was bedeutet die fünfte Bitte: „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern“?

127. Was bedeutet die sechste Bitte: „Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen“?

128. Wie beschließt du dieses Gebet: „Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit“?

129. Was bedeutet das Wort: „Amen“?

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Frage 60

Predigt von Pfarrer Dieter Krabbe, Nürnberg

"Wie bist du gerecht vor Gott?"

Der Prophet Habakuk schreibt: „Der Gerechte wird durch seinen Glauben leben.“
Und Paulus schreibt an die Christengemeinde in Rom: „Wir gehen davon aus, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke (allein) durch den Glauben.“

"Wie bist du gerecht vor Gott?"
Allein durch wahren Glauben an Jesus Christus. Zwar klagt mich mein Gewissen an, dass ich gegen alle Gebote Gottes schwer gesündigt und keines je gehalten habe und noch immer zu allem Bösen geneigt bin. Gott aber schenkt mir ganz ohne mein Verdienst aus lauter Gnade die vollkommene Genugtuung, Gerechtigkeit und Heiligkeit Christi. Er rechnet sie mir an, als hätte ich nie eine Sünde begangen noch gehabt und selbst den ganzen Gehorsam vollbracht, den Christus für mich geleistet hat, wenn ich allein diese Wohltat mit gläubigem Herzen annehme. 

Liebe Gemeinde!

Wenn wir als Kinder zu Hause voll aufdrehten und es allzu hoch her ging, dann schritt unser Vater nach einer Weile ein und meinte: „Was ist denn hier los? Ihr habt wohl einen kleinen Mann im Ohr!“ Diesen berühmten kleinen Mann bin ich sehr lange nicht losgeworden, er fühlte sich offenbar sehr wohl bei mir, und er saß nicht nur in meinem Ohr, um mich anzutreiben. Dieses unsichtbare nervige Wesen trieb bis vor gar nicht so langer Zeit sein Unwesen mit mir – indem es mir immer wieder einflüsterte: „Leiste etwas, sonst bist Du nichts wert. Du musst perfekt sein, sonst wirst Du nicht geliebt. Zeige bloß keine Schwäche, sonst bist Du schnell weg vom Fenster. Du musst Dir Deine Anerkennung, Deine Würde verdienen.“
Den kleinen Mann, diesen emsigen Antreiber, kennen wir vermutlich alle zur Genüge, liebe Gemeinde: Wenn wir uns nur über das definieren, was wir können und leisten oder uns leisten können – dann sitzt dieser kleine Mann nicht nur in unserem Ohr, er sitzt uns im Nacken. Redet uns ein schlechtes Gewissen ein: „Du tust nicht genug. Eigentlich solltest Du doch noch… Streng Dich an, sonst kannst Du nicht mithalten.“ Dieser kleine Störenfried hat übrigens noch einen Zwillingsbruder, den „Kleinen Häwelmann“, und der schreit dauernd: „Mehr, mehr, mehr!“ Auch der stellt uns unter einen Leistungsdruck, von dem wir uns nur mühsam befreien können.

Liebe Gemeinde, das ist die Kernfrage unserer Existenz: Wer bin ich? Bin ich nur das, was ich leiste? Wie stehe ich da vor anderen Menschen, wie stehe ich da vor Gott? Dietrich Bonhoeffer war von dieser Frage umgetrieben, als er im Gefängnis saß. Aus Berlin-Tegel schreibt er in sein Tagebuch 1944:

„Wer bin ich? Sie sagen mir oft, ich träte aus meiner Zelle gelassen und heiter und fest wie ein Gutsherr aus seinem Schloss… Bin ich das wirklich, was andere von mir sagen? Oder bin ich nur das, was ich selbst von mir weiß? Unruhig, sehnsüchtig, krank, wie ein Vogel im Käfig, ringend nach Lebensatem, als würgte mir einer die Kehle, hungernd nach Farben, nach Blumen, nach Vogelstimmen, dürstend nach guten Worten, nach menschlicher Nähe… Wer bin ich? Der oder jener? Bin ich denn heute dieser und morgen ein anderer?“ (WE 179).

Dietrich Bonhoeffer fragt: So wie wir immer aufs Neue fragen – nach dem, was uns als Menschen ausmacht, was uns umtreibt. Aber Bonhoeffer klammert in seinem Gedicht Gott aus, zunächst jedenfalls. Und darin klingt er sehr modern. Denn ganz anders als noch ein Martin Luther oder ein Zacharius Ursinus, dem wir ja hauptsächlich den „Heidelberger“ verdanken, geht es heutzutage weniger um die Frage nach Gott – geschweige denn, wie wir vor ihm dastehen. Und ob wir uns einmal vor ihm verantworten werden, uns vor ihm rechtfertigen müssen, ist inzwischen selbst unter Theologen strittig. Gott ist zu einem lieben, netten Onkel von nebenan geworden, den man nicht groß vermissen wird, wenn er mal nicht mehr da ist.
Den Reformatoren aber brannte noch die Frage nach Gott auf den Nägeln. Martin Luther ließ es keine Ruhe, er fragte inständig: „Wie kriege ich einen gnädigen Gott?“ Und kurz darauf fängt der „Heidelberger“ den Ball auf und fragt ganz ähnlich: „Wie bist Du gerecht vor Gott?“ Ja, gewiss, wir fragen heute anders. In einer Gesellschaft, die Gott offenbar mehr und mehr verdrängt und vergisst, da drängt sich die Frage nach dem Hier und Jetzt in den Vordergrund – die Frage: „Wie bekomme ich mein Leben auf die Reihe?“

Vorbei die Zeiten, da ein Martin Luther gegen die frommen und guten Werke wetterte: Mit denen Menschen versuchten, sich besondere Verdienste bei Gott zu erwerben, mit denen sie ihn gnädig stimmen, mit denen sie sich den Himmel verdienen wollten. Wer von uns will sich noch durch viel Beten, durch Spenden oder dadurch, dass er möglichst häufig zur Kirche geht, besondere Verdienste bei Gott oder gar das Seelenheil erwerben? Nein, wir versuchen nicht mehr mit Gott zu handeln, dafür ist er uns zu fern und zu fremd geworden.
Und doch, glaube ich, hat unsere Frage: „Wie bekomme ich mein Leben auf die Reihe?“ mehr mit Gott zu tun, als wir vielleicht meinen. Denn wir können auf die Frage nach dem Sinn, nach dem Woher und Wohin, nach dem Tiefgang unseres Lebens auf Gott stoßen, auf das innerste und letzte Geheimnis allen Lebens.
Unsere Gefahr heute besteht darin, dass wir uns von dem kleinen Mann im Ohr beherrschen lassen, diesem Antreiber: Dass wir uns allein über das definieren, was wir können, was wir haben oder leisten. Es kann einem nur Angst und Bange werden, wenn wir sehen, welche Rolle das „Leistungsprinzip“ mittlerweile unter uns spielt, angefangen bei unseren Kleinsten im Kindergarten. „Wer ist denn der Kleine da vorne?“ fragt eine Mutter in der KiTa. „Das ist der Herr Professor von morgen!“ – „Aha. Und das Mädchen neben ihm?“ – „Die wird Rechtsanwältin, wir haben ihr schon einen Studienplatz reserviert!“ – Du bist, was Du leistest. Und unser Nachwuchs wird immer früher auf die Karriereleiter gesetzt und damit um seine Kindheit betrogen. Wir wollen auf allen Gebieten vollkommen sein: Ein toller Ehemann mit gut bezahltem Beruf, flottem Auto und zweimal Urlaub im Jahr. Die perfekte Mutter, die wir einmal im Jahr besonders bedenken mit Blumen und Pralinen. Die „Quotenfrau“, die den Mannsbildern nacheifert. Die attraktive Partnerin, der man ihr wahres Alter nicht ansehen soll. Wir leben so, als hinge unsere Würde von dem ab, wie wir uns geben und was wir zu leisten imstande sind.

Der Prediger Salomo sagt: „Es ist alles ganz eitel. Ich sah an alles Tun, das unter der Sonne geschieht, und siehe, es war alles eitel und Haschen nach Wind. Ein jegliches hat seine Zeit“ (Pred 1,2+14 + 3,1). Auch unser Kampf um Anerkennung und Liebe, auch unsere Leistungsfähigkeit hat nur eine bestimmte Zeit. Und was dann; wenn uns die Kräfte verlassen; wenn wir alt und schwach werden; sind wir dann nichts mehr wert? Der kleine Mann im Ohr macht ständig Überstunden. Gewiss, ohne Leistung gelingt nichts, weder in der Schule noch im Beruf. Aber es kommt darauf an, ob die Leistung als alleiniger Maßstab für unser Leben und Zusammenleben gilt.

„Wer bin ich?“ Und: „Wie bekomme ich mein Leben auf die Reihe?“ Kein Mensch kann leben von dem, was er leistet oder sich leisten kann. Am deutlichsten wird mir das an kleinen Kindern: Sie können nicht leben von dem, was sie schaffen; sie leben einfach davon, dass sie geliebt werden, bejaht werden, ohne Wenn und Aber – bedingungslos. Nicht von Ungefähr stellt uns Jesus die Kinder als Vorbild hin: Sie können sich noch beschenken lassen, ohne an eine Gegenleistung zu denken. Ihr unbedingtes Vertrauen in die Güte ihrer Eltern und damit wohl auch in die Güte ihres himmlischen Vaters – sie sind darin unschlagbar. Und in einem Punkt bleiben sie uns Erwachsenen wohl stets überlegen: Sie werden durch nichts so aktiviert und erfreut wie durch gute Geschenke. Der Satz: „Ich habe Dir was Schönes mitgebracht!“ – löst jedes Mal neue Freudenstürme aus. Kinder spielen mit den Geschenken, zeigen sie stolz einem jeden, führen sie vor, und sie sind von ihnen nicht mehr loszukriegen, wenn wir sie ins Bett bringen wollen.

Liebe Gemeinde, die Gerechtigkeit, die Gott schenkt – die können wir uns nicht verdienen, mit all unserem Leisten und Schaffen nicht erzwingen. Die Gerechtigkeit Gottes ist so wie ein Geschenk, das ein Kind fröhlich und vielleicht sogar etwas unverschämt annimmt – ohne gleich das Zauberwort „Danke“ über seine Lippen zu bringen. Die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, hat uns allein Jesus, Gottes Liebe in Person, erworben: Durch seine Lebenshingabe, durch sein Leiden, durch sein Sterben und Auferstehen. Wir dürfen dieses Geschenk auch mit schmutzigen Händen und schmutzigen Herzen annehmen – es wird uns verwandeln, es wird uns gewiss machen, dass wir Gott recht sind: Dass er uns annimmt und wir vor ihm dastehen zwar als Bettler, aber die wissen, wer sie „mit allem versorgt, was sie für Leib und Seele nötig haben“ (HK 26).
Die Gerechtigkeit Gottes bringt Dein verkorkstes Leben zurecht, bringt Dein Leben auf die Reihe – und plötzlich kannst Du glauben und lieben und hoffen. Kannst den kleinen Mann abschütteln und fällst nicht länger auf ihn herein. Denn Gott schenkt Dir über die Maßen, was Du Dir niemals verdienen könntest. Er schenkt bedingungslos, einfach so, aus lauter Liebe. Wie solltest Du da noch auf das schielen, was Du leisten oder Dir leisten kannst? Du bist beschenkt – und damit wirst Du bereit, zu teilen und zu verzichten, damit auch andere etwas von Gottes Barmherzigkeit und Liebe spüren. Am Ende unseres Lebens, so sagte Pfarrer Wenzel oft auf dem Friedhof, am Ende kommt es nicht darauf an, was wir alles geleistet haben, ob wir immer Recht gehabt haben – am Ende zählt allein, was wir aus Liebe empfangen und weitergegeben haben.

„Wer bin ich?“ – so fragt Dietrich Bonhoeffer aus dem Gefängnis. Gerechtfertigt bin ich, Gott recht, er bringt mein Leben auf die Reihe – und nun bin ich zu einem Leben in Freiheit und Verantwortung bestimmt. Jesus steht mir bei, sein Geist macht mich des ewigen Lebens gewiss. Er sorgt dafür, dass ich diese „Wohltat mit gläubigem Herzen annehme“ (HK 60) und Gott unter allen Umständen vertrauen kann.

Liebe Gemeinde, lasst uns daran festhalten: Jeder Mensch, jedes Geschöpf dieser Erde, hat bei Gott eine unverlierbare Würde, für die nur Gott selbst ihm die Augen öffnen kann. Eine Würde, ganz unabhängig von jeder menschlichen Leistung.

Dietrich Bonhoeffer schließt sein Gedicht „Wer bin ich?“ mit der tröstlichen Gewissheit: „Einsames Fragen treibt mit mir Spott. Wer ich auch bin, Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott!“ (WE 179).
Er hätte auch sagen können: „Dass ich mit Leib und Seele, im Leben und im Sterben, nicht mir, sondern meinem getreuen Heiland Jesus Christus gehöre“ – das ist und bleibt mein einziger Trost. Mehr braucht es nicht, wirklich nicht.
Amen.

Predigt gehalten am 12. Mai 2013 zu Habakuk 2,8,  Römer 3,28 und HK 60 in der Ev.-reformierten Kirchengemeinde Nürnberg.