Heidelberger Katechismus Frage ...
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Die 129 Fragen des Heidelberger Katechismus - ohne die Antworten!
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1. Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben?

2. Was musst du wissen, damit du in diesem Trost selig leben und sterben kannst?

3. Woher erkennst du dein Elend?

4. Was fordert denn Gottes Gesetz von uns?

5. Kannst du das alles vollkommen halten?

6. Hat denn Gott den Menschen so böse und verkehrt erschaffen?

7. Woher kommt denn diese böse und verkehrte Art des Menschen?

8. Sind wir aber so böse und verkehrt, dass wir ganz und gar unfähig sind zu irgendeinem Guten und geneigt zu allem Bösen?

9. Tut denn Gott dem Menschen nicht Unrecht, wenn er in seinem Gesetz etwas fordert, was der Mensch nicht tun kann?

10. Will Gott diesen Ungehorsam ungestraft lassen?

11. Ist denn Gott nicht auch barmherzig?

12. Wenn wir also nach dem gerechten Urteil Gottes schon jetzt und ewig Strafe verdient haben, wie können wir dieser Strafe entgehen und wieder Gottes Gnade erlangen?

13. Können wir aber selbst für unsere Schuld bezahlen?

14. Kann aber irgendein Geschöpf für uns bezahlen?

15. Was für einen Mittler und Erlöser müssen wir denn suchen?

16. Warum muss er ein wahrer und gerechter Mensch sein?

17. Warum muss er zugleich wahrer Gott sein?

18. Wer ist denn dieser Mittler, der zugleich wahrer Gott und ein wahrer, gerechter Mensch ist?

19. Woher weißt du das?

20. Werden denn alle Menschen wieder durch Christus gerettet, so wie sie durch Adam verloren gegangen sind?

21. Was ist wahrer Glaube?

22. Was ist für einen Christen notwendig zu glauben?

23. Wie lautet dieses Glaubensbekenntnis?

24. Wie wird das Glaubensbekenntnis eingeteilt?

25. Warum nennst du denn drei: den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist, wo doch Gott nur einer ist?

26. Was glaubst du, wenn du sprichst: „Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer Himmels und der Erde“?

27. Was verstehst du unter der Vorsehung Gottes?

28. Was nützt uns die Erkenntnis der Schöpfung und Vorsehung Gottes?

29. Warum wird der Sohn Gottes Jesus, das heißt „Heiland“ genannt?

30. Glauben denn auch die an den einzigen Heiland Jesus, die Heil und Seligkeit bei den Heiligen, bei sich selbst oder anderswo suchen?

31. Warum wird er Christus, das heißt „Gesalbter“ genannt?

32. Warum wirst aber du ein Christ genannt?

33. Warum heißt Jesus Christus „Gottes eingeborener Sohn“, da doch auch wir Kinder Gottes sind?

34. Warum nennst du ihn „unseren Herrn“?

35. Was bedeutet: „Empfangen durch den heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria“?

36. Was nützt es dir, dass er durch den heiligen Geist empfangen und von der Jungfrau Maria geboren ist?

37. Was verstehst du unter dem Wort „gelitten“?

38. Warum hat er unter dem Richter Pontius Pilatus gelitten?

39. Bedeutet sein Tod am Kreuz mehr, als wenn er eines anderen Todes gestorben wäre?

40. Warum hat Christus den Tod erleiden müssen?

41. Warum ist er begraben worden?

42. Warum müssen wir noch sterben, obwohl Christus für uns gestorben ist?

43. Welchen weiteren Nutzen haben wir aus Opfer und Tod Christi am Kreuz?

44. Warum folgt „abgestiegen zu der Hölle“?

45. Was nützt uns die Auferstehung Christi?

46. Wie verstehst du, dass es heißt „aufgefahren in den Himmel“?

47. Ist denn Christus nicht bei uns bis ans Ende der Welt, wie er uns verheißen hat?

48. Werden aber auf diese Weise nicht Gottheit und Menschheit in Christus voneinander getrennt, wenn er nach seiner menschlichen Natur nicht überall ist, wo er nach seiner Gottheit ist?

49. Was nützt uns die Himmelfahrt Christi?

50. Warum wird hinzugefügt „er sitzt zur Rechten Gottes“?

51. Was nützt uns diese Herrlichkeit unseres Hauptes Christus?

52. Was tröstet dich die Wiederkunft Christi, „zu richten die Lebenden und die Toten“?

53. Was glaubst du vom heiligen Geist?

54. Was glaubst du von der „heiligen allgemeinen christlichen Kirche“?

55. Was verstehst du unter der „Gemeinschaft der Heiligen“?

56. Was glaubst du von der „Vergebung der Sünden“?

57. Was tröstet dich die „Auferstehung der Toten“?

58. Was tröstet dich die Verheißung des ewigen Lebens?

59. Was hilft es dir aber nun, wenn du das alles glaubst?

60. Wie bist du gerecht vor Gott?

61. Warum sagst du, dass du allein durch den Glauben gerecht bist?

62. Warum können denn unsere guten Werke uns nicht ganz oder teilweise vor Gott gerecht machen?

63. Verdienen aber unsere guten Werke nichts, obwohl Gott sie doch in diesem und dem zukünftigen Leben belohnen will?

64. Macht aber diese Lehre die Menschen nicht leichtfertig und gewissenlos?

65. Wenn nun allein der Glaube uns Anteil an Christus und allen seinen Wohltaten gibt, woher kommt solcher Glaube?

66. Was sind Sakramente?

67. Sollen denn beide, Wort und Sakrament, unseren Glauben auf das Opfer Jesu Christi am Kreuz als den einzigen Grund unserer Seligkeit hinweisen?

68. Wieviel Sakramente hat Christus im Neuen Testament eingesetzt?

69. Wie wirst du in der heiligen Taufe erinnert und gewiss gemacht, dass das einmalige Opfer Christi am Kreuz dir zugut kommt?

70. Was heißt, mit dem Blut und Geist Christi gewaschen sein?

71. Wo hat Christus verheißen, dass wir so gewiss mit seinem Blut und Geist wie mit dem Taufwasser gewaschen sind?

72. Ist denn das äußerliche Wasserbad selbst die Abwaschung der Sünden?

73. Warum nennt denn der Heilige Geist die Taufe das „Bad der Wiedergeburt“ und die „Abwaschung der Sünden“?

74. Soll man auch die kleinen Kinder taufen?

75. Wie wirst du im heiligen Abendmahl erinnert und gewiss gemacht, dass du an dem einzigen Opfer Christi am Kreuz und allen seinen Gaben Anteil hast?

76. Was heißt, den gekreuzigten Leib Christi essen und sein vergossenes Blut trinken?

77. Wo hat Christus verheißen, dass er die Gläubigen so gewiss mit seinem Leib und Blut speist und tränkt, wie sie von diesem gebrochenen Brot essen und von diesem Kelch trinken?

78. Werden denn Brot und Wein in Leib und Blut Christi verwandelt?

79. Warum nennt denn Christus das Brot seinen Leib und den Kelch sein Blut oder nennt den Kelch den neuen Bund in seinem Blut, und warum spricht Paulus von der Gemeinschaft des Leibes und Blutes Jesu Christi?

80. Was ist für ein Unterschied zwischen dem Abendmahl des Herrn und der päpstlichen Messe?

81. Welche Menschen sollen zum Tisch des Herrn kommen?

82. Dürfen aber zum heiligen Abendmahl auch solche zugelassen werden, die sich in ihrem Bekenntnis und Leben als Ungläubige und Gottlose erweisen?

83. Was ist das Amt der Schlüssel?

84. Wie wird das Himmelreich durch die Predigt des heiligen Evangeliums auf- und zugeschlossen?

85. Wie wird das Himmelreich durch die christliche Bußzucht zu- und aufgeschlossen?

86. Da wir nun aus unserm Elend ganz ohne unser Verdienst aus Gnade durch Christus erlöst sind, warum sollen wir gute Werke tun?

87. Können denn auch die selig werden, die sich von ihrem undankbaren, unbußfertigen Leben nicht zu Gott bekehren?

88. Worin besteht die wahrhaftige Buße oder Bekehrung des Menschen?

89. Was heißt Absterben des alten Menschen?

90. Was heißt Auferstehen des neuen Menschen?

91. Was sind denn gute Werke?

92. Wie lautet das Gesetz des HERRN?

93. Wie werden diese Gebote eingeteilt?

94. Was fordert der Herr im ersten Gebot?

95. Was ist Götzendienst?

96. Was will Gott im zweiten Gebot?

97. Darf man denn gar kein Bild machen?

98. Dürfen denn nicht die Bilder als „der Laien Bücher“ in den Kirchen geduldet werden?

99. Was will Gott im dritten Gebot?

100. Ist es denn eine so schwere Sünde, Gottes Namen mit Schwören und Fluchen zu lästern, dass Gott auch über die zürnt, die nicht alles tun, um es zu verhindern?

101. Darf man aber überhaupt bei dem Namen Gottes einen Eid schwören?

102. Darf man auch bei den Heiligen oder anderen Geschöpfen schwören?

103. Was will Gott im vierten Gebot?

104. Was will Gott im fünften Gebot?

105. Was will Gott im sechsten Gebot?

106. Redet denn dieses Gebot nur vom Töten?

107. Haben wir das Gebot schon erfüllt, wenn wir unseren Nächsten nicht töten?

108. Was will Gott im siebenten Gebot?

109. Verbietet Gott in diesem Gebot allein den Ehebruch?

110. Was verbietet Gott im achten Gebot?

111. Was gebietet dir aber Gott in diesem Gebot?

112. Was will Gott im neunten Gebot?

113. Was will Gott im zehnten Gebot?

114. Können aber die zu Gott Bekehrten diese Gebote vollkommen halten?

115. Warum lässt uns Gott denn die zehn Gebote so eindringlich predigen, wenn sie doch in diesem Leben niemand halten kann?

116. Warum ist den Christen das Gebet nötig?

117. Was gehört zu einem Gebet, damit es Gott gefällt und von ihm erhört wird?

118. Was hat uns Gott befohlen, von ihm zu erbitten?

119. Wie lautet dieses Gebet

120. Warum hat uns Christus befohlen, Gott so anzureden: „Unser Vater“?

121. Warum wird hinzugefügt: „im Himmel“?

122. Was bedeutet die erste Bitte: „Geheiligt werde dein Name“?

123. Was bedeutet die zweite Bitte: „Dein Reich komme“?

124. Was bedeutet die dritte Bitte: „Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden“?

125. Was bedeutet die vierte Bitte: „Unser tägliches Brot gib uns heute“?

126. Was bedeutet die fünfte Bitte: „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern“?

127. Was bedeutet die sechste Bitte: „Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen“?

128. Wie beschließt du dieses Gebet: „Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit“?

129. Was bedeutet das Wort: „Amen“?

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Frage 44

Predigt von Pfarrer Heiner Montanus, Dortmund

"Warum folgt ‘abgestiegen zu der Hölle’?"

Damit wird mir zugesagt, daß ich
selbst in meinen schwersten Anfechtungen
gewiss sein darf,
daß mein Herr Christus
mich von der höllischen Angst und Pein
erlöst hat,
weil er auch an seiner Seele
unaussprechliche Angst, Schmerzen und Schrecken
am Kreuz und schon zuvor erlitten hat.[1]

Liebe Gemeinde,
die Hölle ist ein trostloser Ort. So denken wir. Sonntag für Sonntag bekennen wir aufs Neue: „gekreuzigt gestorben und begraben“, und dann weiter: „hinabgestiegen in das Reich des Todes“. Früher hieß das mal „abgestiegen zu der Hölle“. Die neue Formulierung klingt etwas gemäßigter, freundlicher und nicht so bedrängend, als wenn die Rede auf die Hölle kommt. Der neue Wortlaut kommt uns scheinbar entgegen. Denn ein „Reich der Toten“, das können wir uns vielleicht noch vorstellen und wünschen, eines, in dem die Verstorbenen friedlich ruhen. Aber in den Bildern, die wir uns machen, unterscheidet sich die Hölle vom Reich der Toten sicher in puncto Architektur, Belegschaft und Temperatur. Da geht’s heiß zu, jeder ist des anderen Feind, und es findet sich kein Platz, um zur Ruhe zu kommen.
Was könnten wir jetzt nicht alles an Spekulationen auffahren. Was ist nicht bereits alles gedacht und gewünscht worden, wenn es um die Hölle ging: Wer kommt da wohl rein? Oft wusste man es bereits. Und wie muss man sich verhalten, um höllische Strafen leiden zu müssen? Auch hier waren Antworten meist schnell zur Hand.
Die Hölle als Missionswerkzeug, frei nach dem Motto: Willst du nicht meines Glaubens sein, dann kommst du in die Hölle rein.
Doch dann: Jesus in der Hölle, „abgestiegen zu der Hölle“. Auch da betreten wir das Reich der Spekulationen. Was hat man sich nicht alles für Gedanken gemacht, was für religiöse Gymnastikübungen unternommen bei diesem Satz des Glaubensbekenntnisses. Mal mit Unterstützung der Bibel – ganze drei Stellen lassen sich da anführen –, mal auch völlig losgelöst.
Da sah man etwa eine Antwort auf die Frage, was denn nur mit den Menschen geschehe, die sterben würden, ohne jemals etwas von Jesus gehört zu haben. Eine typisch Siegerländer Quäl- und Qualfrage. Aha, die werden also von Jesus besucht und hören so doch noch das Evangelium. Oder aber: die Hölle wird für alle, die darin schmoren, erst dadurch so richtig zur Hölle, dass dann auch noch ausgerechnet Jesus dort auftaucht und sie merken: Was könnte ich es gut haben, wenn ich doch damals...
Das Reich der Spekulationen. Ihm standen die Pforten der Hölle immer weit geöffnet.
Der Heidelberger Katechismus schlägt diese Türen zu. Er grübelt nicht über irgendeine Hölle, über Belegschaft, Architektur und Temperatur. Von all diesen Gedanken verspricht er sich und uns nichts.
Er redet nicht von den anderen, sondern spricht mich an: Mir wird etwas zugesagt.
Er flieht nicht ins Jenseits, sondern redet von der Hölle im Diesseits meines Lebens: von meinen schwersten Anfechtungen, von meiner höllischen Angst und Pein.
Er redet nicht, um mich zu verunsichern, einzuschüchtern und klein zu halten. Sondern er will, dass ich gewiss werde. Nicht soll ich der Hölle gewiss werden. Sondern ich soll da, wo ich mein Leben hier und jetzt als Hölle empfinde, meines Lebens gewiss werden. Ich soll Sicherheit finden an einem Ort, an dem mir alles unsicher geworden ist. Und so soll ich getröstet werden am trostlosen Ort.
Das versucht der Heidelberger Katechismus mit seiner Antwort auf die Frage, warum wir – immer noch – bekennen: „abgestiegen zu der Hölle“. Die Antwort lautet: Wir kennen die Hölle. Sie ist uns nicht unbekannt. Sie ist Teil unseres Lebens. Und darum kommt gerade an dieser Stelle, wenn wir bekennen „abgestiegen zu der Hölle“, unser eigenes Leben vor. Hier haben wir Platz.
Es geht also nicht um ein höllisches Leben, das vielleicht dem Tod folgt. Sondern da kommt ein Leben in den Blick, das schon jetzt die Hölle ist, ein Leben, das mitten im Leben die Hölle ist. Es ist die Rede von meiner Gegenwart, nicht von meiner Zukunft. Und darum geht es nicht um Spekulation, um Vermutungen und Phantasieprodukte, sondern es geht darum, dass ich getröstet werde.
Ich soll nicht verunsichert werden. Wozu auch! Wenn das Leben Züge der Hölle trägt, ist ohnehin schon alles im Wanken und am Einstürzen. Sondern ich soll wieder sicherer werden. Ich soll Dinge entdecken, die gewiss und zuverlässig sind. Wieder ein Stück festen Boden unter die Füße bekommen. Darum nicht Spekulation, sondern Seelsorge: Mir wird etwas zugesagt, ich soll gewiss werden, sicher.
Zusagen und Gewissheit in der Hölle.
Von Innenansichten aus dieser Hölle erzählt der Philosoph Jean Paul Sartre in seinem Buch mit dem Titel „Türen“: In einem Hotelzimmer, das von der Außenwelt hermetisch abgeschlossen ist, gehen sich einige Tote auf die Nerven. Sie nerven sich tödlich mit ihrer Liebe zueinander und mit ihrem Hass. Und schließlich versuchen sie, sich gegenseitig umzubringen. Fazit: „Die Hölle, das sind die anderen.“[2] Wenn einer dem andren das Leben zur Qual macht. Da, wo einer das ausbaden, mittragen und erleiden muss, was ein anderer ihm und sich selbst eingebrockt hat. Beispiele dazu fallen uns sicher zur Genüge ein.
Der Schriftsteller T.S. Elliot hat zu Sartres Satz angemerkt, dessen These stimme so nicht, denn in Wahrheit gelte der andere Satz: „Die Hölle, das bin ich selbst.“[3]
Wenn in mir selbst die Hölle los ist und mir abwechselnd heiß und kalt wird: Da entdecke ich vielleicht, auf welch dünnem und brüchigem Fundament ich mein Leben aufgebaut habe. Und im selben Augenblick, wo ich das sehe, bricht es auch schon in sich zusammen und verschlingt mich in die Tiefe. Und ich merke: Ohne diesen Teil deiner Vergangenheit wirst du nie mehr sein können. Das, was du da angerichtet hast, das wird dich verfolgen dein Leben lang. Etwa wo ich nicht den Mund aufgemacht und protestiert, sondern geschwiegen habe. Wo ich zu Unrecht, das anderen zugefügt wurde, den Mund gehalten habe und nun merke: Ich könnte eigentlich den ganzen Tag schreiend umherlaufen, weil ich diese Last meiner Vergangenheit nicht loswerde. Ich entdecke die Abgründe meiner selbst, und dabei tut sich vor mir ein Höllenschlund auf, der mich in seinem Bann halten wird.
„Abgestiegen zu der Hölle.“ Ausgeliefert sein dem eigenen Versagen, der eigenen Vergangenheit, den eigenen Täuschungen und Fehlern. Da sitzen, wo es mir schwarz wird vor Augen.
Und neben mir ein anderer. Da entdeckt der Katechismus nämlich einen anderen: Jesus. Und dem ergeht es ähnlich wie mir: „auch (er) (hat) an seiner Seele unaussprechliche Angst, Schmerzen und Schrecken (erlitten) am Kreuz und schon zuvor“. Er also auch! Mir fällt die Geschichte aus dem Garten Gethsemane ein: als er sich wünschte, dass seine Jünger es an seiner Seite aushalten, und dann feststellen muss: einer nach dem anderen schläft ein.
Oder Jesu Wunsch an Gott: „Vater, wenn es möglich ist, dann lass diesen Kelch an mir vorübergehen.“ Schon hier hat er die Hölle vor Augen, durch die er gehen muss. Und versucht noch einmal, ihr zu entkommen. Er fordert von Gott, doch nach anderen Wegen zu suchen, nach Wegen, die ihm das Leben und die Zukunft lassen. Aber der ersehnte neue Weg tut sich nicht auf. Sein Untergang nimmt seien Lauf. Und das Lukasevangelium erzählt weiter: „Und er rang mit dem Tode und betete heftiger. Und sein Schweiß wurde wie Blutstropfen, die auf die Erde fielen.“ [4]
Jesus schon hier im Todeskampf, bereits jetzt Angst und Verzweiflung bis aufs Blut.
Und dann am Kreuz sein Schrei: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen!“ Ein Schrei aus der Hölle der Gottverlassenheit. Kein Halt mehr, keine Hand, die hält, kein Boden unter den Füßen. Und was sich in seinem Inneren abspielt, das spiegelt die Umgebung wieder: Es kam eine Finsternis über das ganze Land.
Ich „in meinen schwersten Anfechtungen“, meine „höllische() Angst und Pein“. Und: „er auch“. Das soll reichen, um getröstet zu werden? Dass es anderen auch so geht wie mir? Dass es Jesus auch so ergangen ist?
Immerhin: Da werden wir nicht beruhigt mit dem Hinweis: Anderen geht es ja noch viel schlechter. Oder: Jesus hat ja noch viel mehr gelitten. Der Heidelberger Katechismus versucht nicht, unsere Höllen kleinzurechnen, sie auf ein erträgliches Maß zu schrumpfen und so doch noch irgendwie erträglich erscheinen zu lassen. Sondern er lässt Leiden neben Leiden stehen und stellt fest: Hölle ist Hölle.
Nur: Ich muss nicht auf ewig in der Hölle bleiben. Da kann es zu Veränderungen kommen. Ich kann auswandern und zurückkehren ins Leben.
Darum stellt der Katechismus Jesus neben mich. Ich bin nicht allein. Der Ort, an dem ich mich aufhalte, wenn in mir alles nach Hölle aussieht, ist kein gottloser Raum. Die Hölle nicht als gottloser Ort. Die Hölle ein Ort, an dem Gott ist? Das ist ein gewagter Satz, ein Grenzsatz des Glaubens. Ein Satz, den wohl nur der mit Recht sagen kann, der die Hölle durchgemacht hat. Dass ist keine missionarische Behauptung, mit der man andere ködern kann. Sondern eher eine tröstliche Entdeckung, die nur ich für mich machen kann. Wenn ich sie denn machen kann.
Zum anderen: Wer die Hölle durchgemacht hat, an dem bleiben Spuren zurück. So wie der auferstandene, der Hölle entkommene Jesus seinen Jüngern die Wunden der Speere und Nägel zeigt. Er ist dem, was hinter ihm liegt, nicht unversehrt entkommen. Es zeichnet ihn auch da noch, wo die Hölle längst hinter ihm liegt. Er hat sie nicht spurlos überlebt.
„Abgestiegen zu der Hölle“: Im Fernsehen habe ich den Kommentar dazu gesehen. Da lief abends die Dokumentation „Hitlers Helfer“. Porträtiert wurde Adolf Eichmann[5], der im Dritten Reich die industrielle Vernichtung jüdischen Lebens organisierte. Im Verlauf des Films wurden dann auch Tonbänder abgespielt von Gesprächen, die Eichmann in Argentinien, wohin er geflohen war, mit einem Freund geführt hatte. Die Gespräche waren mit verstecktem Mikrofon aufgenommen worden. Und in einem fragte Eichmann sein Gegenüber sinngemäß: „Weißt du, was ich gemacht habe, wenn ich es nicht mehr aushalten konnte? Wenn mich die Last, die ich durch meine Aufgabe tragen musste, fast unerträglich quälte?“ Und Eichmann gab gleich selbst die Antwort: „Dann habe ich mich hingestellt und gebetet: ‚Ich glaube an Gott den Vater. Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unseren Herrn, empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria, gelitten unter Pontius Pilatus gekreuzigt, gestorben und begraben, am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel...‘“ Und so fort.
Ist es Ihnen aufgefallen? Was Eichmann fehlt, was er nicht bekennt, das ist der Satz: „niedergefahren zu der Hölle“.
Er, der Meister der Hölle, lässt diesen Satz des Glaubensbekenntnisses aus. Er, der anderen Menschen die Hölle bereitete und stolz darauf war, ihren Tod mit bürokratischer Perfektion zu planen und zu verwalten, er streicht die Hölle aus dem, was er von Jesus bekennt. Eichmann, der regelmäßig nach Auschwitz fuhr und sich die Tötungsmaschinerie vorführen liess, er, der an seiner Aufgabe litt, ohne sie zu bedauern, er lässt Jesus nicht in die Hölle kommen. Jesus, der Jude, nicht in Auschwitz, nicht in der Hölle? Ob das Eichmann ein Trost gewesen ist?
Der Heidelberger Katechismus bekennt es anders! Denn da wirkt gerade dieses Sätzchen tröstend: Jesus ist „abgestiegen zu der Hölle“. Auch zu der, die ich selbst schmerzlich und mit Schrecken kenne. Darin steckt – vorsichtig gesagt – zumindest die Kraft, dass ich auch in meiner Hölle nicht gottverlassen bleiben muss, sondern von ihm aufgesucht und erreicht werden kann. Damit meine Hölle kein gottloser Ort bleibt.
Amen.

[1] Heidelberger Katechismus. Revidierte Ausgabe 1997, hg. von der Evangelisch-reformierten Kirche (Synode der ev.-ref. Kirchen in Bayern und Nordwestdeutschland) u.a., Neukirchen 1997, 29
[2] Evangelischer Erwachsenenkatechismus ..., hg. W. Jentsch u.a., 3. Aufl., Gütersloh 1977, 400
[3] ebd.
[4] Lk 22,44
[5] Hitlers Helfer (1). Eichmann – Der Vernichter; Film von Guido Knopp. Neue Folgen der Doku-Reihe, D 1997/98, ZDF)
 
Predigt gehalten Karfreitag 2011 in der Evangelischen Kirche Siegen-Weidenau