Heidelberger Katechismus Frage ...
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Die 129 Fragen des Heidelberger Katechismus - ohne die Antworten!
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1. Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben?

2. Was musst du wissen, damit du in diesem Trost selig leben und sterben kannst?

3. Woher erkennst du dein Elend?

4. Was fordert denn Gottes Gesetz von uns?

5. Kannst du das alles vollkommen halten?

6. Hat denn Gott den Menschen so böse und verkehrt erschaffen?

7. Woher kommt denn diese böse und verkehrte Art des Menschen?

8. Sind wir aber so böse und verkehrt, dass wir ganz und gar unfähig sind zu irgendeinem Guten und geneigt zu allem Bösen?

9. Tut denn Gott dem Menschen nicht Unrecht, wenn er in seinem Gesetz etwas fordert, was der Mensch nicht tun kann?

10. Will Gott diesen Ungehorsam ungestraft lassen?

11. Ist denn Gott nicht auch barmherzig?

12. Wenn wir also nach dem gerechten Urteil Gottes schon jetzt und ewig Strafe verdient haben, wie können wir dieser Strafe entgehen und wieder Gottes Gnade erlangen?

13. Können wir aber selbst für unsere Schuld bezahlen?

14. Kann aber irgendein Geschöpf für uns bezahlen?

15. Was für einen Mittler und Erlöser müssen wir denn suchen?

16. Warum muss er ein wahrer und gerechter Mensch sein?

17. Warum muss er zugleich wahrer Gott sein?

18. Wer ist denn dieser Mittler, der zugleich wahrer Gott und ein wahrer, gerechter Mensch ist?

19. Woher weißt du das?

20. Werden denn alle Menschen wieder durch Christus gerettet, so wie sie durch Adam verloren gegangen sind?

21. Was ist wahrer Glaube?

22. Was ist für einen Christen notwendig zu glauben?

23. Wie lautet dieses Glaubensbekenntnis?

24. Wie wird das Glaubensbekenntnis eingeteilt?

25. Warum nennst du denn drei: den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist, wo doch Gott nur einer ist?

26. Was glaubst du, wenn du sprichst: „Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer Himmels und der Erde“?

27. Was verstehst du unter der Vorsehung Gottes?

28. Was nützt uns die Erkenntnis der Schöpfung und Vorsehung Gottes?

29. Warum wird der Sohn Gottes Jesus, das heißt „Heiland“ genannt?

30. Glauben denn auch die an den einzigen Heiland Jesus, die Heil und Seligkeit bei den Heiligen, bei sich selbst oder anderswo suchen?

31. Warum wird er Christus, das heißt „Gesalbter“ genannt?

32. Warum wirst aber du ein Christ genannt?

33. Warum heißt Jesus Christus „Gottes eingeborener Sohn“, da doch auch wir Kinder Gottes sind?

34. Warum nennst du ihn „unseren Herrn“?

35. Was bedeutet: „Empfangen durch den heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria“?

36. Was nützt es dir, dass er durch den heiligen Geist empfangen und von der Jungfrau Maria geboren ist?

37. Was verstehst du unter dem Wort „gelitten“?

38. Warum hat er unter dem Richter Pontius Pilatus gelitten?

39. Bedeutet sein Tod am Kreuz mehr, als wenn er eines anderen Todes gestorben wäre?

40. Warum hat Christus den Tod erleiden müssen?

41. Warum ist er begraben worden?

42. Warum müssen wir noch sterben, obwohl Christus für uns gestorben ist?

43. Welchen weiteren Nutzen haben wir aus Opfer und Tod Christi am Kreuz?

44. Warum folgt „abgestiegen zu der Hölle“?

45. Was nützt uns die Auferstehung Christi?

46. Wie verstehst du, dass es heißt „aufgefahren in den Himmel“?

47. Ist denn Christus nicht bei uns bis ans Ende der Welt, wie er uns verheißen hat?

48. Werden aber auf diese Weise nicht Gottheit und Menschheit in Christus voneinander getrennt, wenn er nach seiner menschlichen Natur nicht überall ist, wo er nach seiner Gottheit ist?

49. Was nützt uns die Himmelfahrt Christi?

50. Warum wird hinzugefügt „er sitzt zur Rechten Gottes“?

51. Was nützt uns diese Herrlichkeit unseres Hauptes Christus?

52. Was tröstet dich die Wiederkunft Christi, „zu richten die Lebenden und die Toten“?

53. Was glaubst du vom heiligen Geist?

54. Was glaubst du von der „heiligen allgemeinen christlichen Kirche“?

55. Was verstehst du unter der „Gemeinschaft der Heiligen“?

56. Was glaubst du von der „Vergebung der Sünden“?

57. Was tröstet dich die „Auferstehung der Toten“?

58. Was tröstet dich die Verheißung des ewigen Lebens?

59. Was hilft es dir aber nun, wenn du das alles glaubst?

60. Wie bist du gerecht vor Gott?

61. Warum sagst du, dass du allein durch den Glauben gerecht bist?

62. Warum können denn unsere guten Werke uns nicht ganz oder teilweise vor Gott gerecht machen?

63. Verdienen aber unsere guten Werke nichts, obwohl Gott sie doch in diesem und dem zukünftigen Leben belohnen will?

64. Macht aber diese Lehre die Menschen nicht leichtfertig und gewissenlos?

65. Wenn nun allein der Glaube uns Anteil an Christus und allen seinen Wohltaten gibt, woher kommt solcher Glaube?

66. Was sind Sakramente?

67. Sollen denn beide, Wort und Sakrament, unseren Glauben auf das Opfer Jesu Christi am Kreuz als den einzigen Grund unserer Seligkeit hinweisen?

68. Wieviel Sakramente hat Christus im Neuen Testament eingesetzt?

69. Wie wirst du in der heiligen Taufe erinnert und gewiss gemacht, dass das einmalige Opfer Christi am Kreuz dir zugut kommt?

70. Was heißt, mit dem Blut und Geist Christi gewaschen sein?

71. Wo hat Christus verheißen, dass wir so gewiss mit seinem Blut und Geist wie mit dem Taufwasser gewaschen sind?

72. Ist denn das äußerliche Wasserbad selbst die Abwaschung der Sünden?

73. Warum nennt denn der Heilige Geist die Taufe das „Bad der Wiedergeburt“ und die „Abwaschung der Sünden“?

74. Soll man auch die kleinen Kinder taufen?

75. Wie wirst du im heiligen Abendmahl erinnert und gewiss gemacht, dass du an dem einzigen Opfer Christi am Kreuz und allen seinen Gaben Anteil hast?

76. Was heißt, den gekreuzigten Leib Christi essen und sein vergossenes Blut trinken?

77. Wo hat Christus verheißen, dass er die Gläubigen so gewiss mit seinem Leib und Blut speist und tränkt, wie sie von diesem gebrochenen Brot essen und von diesem Kelch trinken?

78. Werden denn Brot und Wein in Leib und Blut Christi verwandelt?

79. Warum nennt denn Christus das Brot seinen Leib und den Kelch sein Blut oder nennt den Kelch den neuen Bund in seinem Blut, und warum spricht Paulus von der Gemeinschaft des Leibes und Blutes Jesu Christi?

80. Was ist für ein Unterschied zwischen dem Abendmahl des Herrn und der päpstlichen Messe?

81. Welche Menschen sollen zum Tisch des Herrn kommen?

82. Dürfen aber zum heiligen Abendmahl auch solche zugelassen werden, die sich in ihrem Bekenntnis und Leben als Ungläubige und Gottlose erweisen?

83. Was ist das Amt der Schlüssel?

84. Wie wird das Himmelreich durch die Predigt des heiligen Evangeliums auf- und zugeschlossen?

85. Wie wird das Himmelreich durch die christliche Bußzucht zu- und aufgeschlossen?

86. Da wir nun aus unserm Elend ganz ohne unser Verdienst aus Gnade durch Christus erlöst sind, warum sollen wir gute Werke tun?

87. Können denn auch die selig werden, die sich von ihrem undankbaren, unbußfertigen Leben nicht zu Gott bekehren?

88. Worin besteht die wahrhaftige Buße oder Bekehrung des Menschen?

89. Was heißt Absterben des alten Menschen?

90. Was heißt Auferstehen des neuen Menschen?

91. Was sind denn gute Werke?

92. Wie lautet das Gesetz des HERRN?

93. Wie werden diese Gebote eingeteilt?

94. Was fordert der Herr im ersten Gebot?

95. Was ist Götzendienst?

96. Was will Gott im zweiten Gebot?

97. Darf man denn gar kein Bild machen?

98. Dürfen denn nicht die Bilder als „der Laien Bücher“ in den Kirchen geduldet werden?

99. Was will Gott im dritten Gebot?

100. Ist es denn eine so schwere Sünde, Gottes Namen mit Schwören und Fluchen zu lästern, dass Gott auch über die zürnt, die nicht alles tun, um es zu verhindern?

101. Darf man aber überhaupt bei dem Namen Gottes einen Eid schwören?

102. Darf man auch bei den Heiligen oder anderen Geschöpfen schwören?

103. Was will Gott im vierten Gebot?

104. Was will Gott im fünften Gebot?

105. Was will Gott im sechsten Gebot?

106. Redet denn dieses Gebot nur vom Töten?

107. Haben wir das Gebot schon erfüllt, wenn wir unseren Nächsten nicht töten?

108. Was will Gott im siebenten Gebot?

109. Verbietet Gott in diesem Gebot allein den Ehebruch?

110. Was verbietet Gott im achten Gebot?

111. Was gebietet dir aber Gott in diesem Gebot?

112. Was will Gott im neunten Gebot?

113. Was will Gott im zehnten Gebot?

114. Können aber die zu Gott Bekehrten diese Gebote vollkommen halten?

115. Warum lässt uns Gott denn die zehn Gebote so eindringlich predigen, wenn sie doch in diesem Leben niemand halten kann?

116. Warum ist den Christen das Gebet nötig?

117. Was gehört zu einem Gebet, damit es Gott gefällt und von ihm erhört wird?

118. Was hat uns Gott befohlen, von ihm zu erbitten?

119. Wie lautet dieses Gebet

120. Warum hat uns Christus befohlen, Gott so anzureden: „Unser Vater“?

121. Warum wird hinzugefügt: „im Himmel“?

122. Was bedeutet die erste Bitte: „Geheiligt werde dein Name“?

123. Was bedeutet die zweite Bitte: „Dein Reich komme“?

124. Was bedeutet die dritte Bitte: „Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden“?

125. Was bedeutet die vierte Bitte: „Unser tägliches Brot gib uns heute“?

126. Was bedeutet die fünfte Bitte: „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern“?

127. Was bedeutet die sechste Bitte: „Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen“?

128. Wie beschließt du dieses Gebet: „Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit“?

129. Was bedeutet das Wort: „Amen“?

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Frage 21

Predigt von Dr. Hans-Georg Ulrichs, Heidelberg

"Was ist wahrer Glaube?"

Wahrer Glaube ist nicht allein
eine zuverlässige Erkenntnis,
durch welche ich alles für wahr halte,
was uns Gott in seinem Wort geoffenbart hat,
sondern auch ein herzliches Vertrauen,
welches der Heilige Geist durchs Evangelium in mir wirkt,
dass nicht allein anderen,
sondern auch mir
Vergebung der Sünden,
ewige Gerechtigkeit und Seligkeit
von Gott geschenkt ist,
aus lauter Gnade,
allein um des Verdienstes Christi willen.
 

Was ist wahrer Glaube? ------
Liebe Gemeinde,

wenn ich den Glauben erinnere, wenn ich über den Glauben nachdenke und wenn ich vom Glauben sprechen soll, dann muss ich von ihr erzählen. Klein war sie von Gestalt, aber voller Vitalität. Immer schon sah sie – aus der Sicht von uns Kindern – alt aus, doch irgendwie wirkte sie zeitlos. Grau war stets ihre Kleidung und strahlend ihr Gesicht. Ein bisschen komisch war sie schon mit dieser merkwürdigen Haube über dem Haardutt, aber ebenso normal und selbstverständlich. Ich erinnere mich gut: Wenn ich sie sah, hat sich das immer gut angefühlt, in ihrer Gegenwart lag etwas Friedliches. Und noch mehr: Sie konnte lachen, dass manche dies schon für unanständig für einen Christenmenschen hielten, denn da flossen Tränen vor Freude. Auch nach 40 Jahren erfüllt es mich, wenn ich an sie denke.

Wenn ich vom Glauben sprechen soll, und zwar so vom Glauben, dass der Glaube im Lebensvollzug erkennbar wird, dann erzähle ich lieber von Schwester Antje, als dass ich den Katechismus zitiere. Ich mag auch den Katechismus, ganz ehrlich, aber den nehme ich lieber zum Nachdenken und zur Vorbereitung auf Unterricht und Predigt, zum Zusammenrotten mit den eigenen Konfessionsfreunden, um sich der eigenen, natürlich ‚richtigen’ Glaubenslehre zu vergewissern, oder um mich mit anderen, in aller Regel ‚uneinsichtigen’ Theologen zu streiten. Aber wenn ich vom Glauben als Lebensvollzug sprechen soll, dann erzähle ich doch besser von unserer alten Gemeindeschwester Antje. Zugegeben, ihr Leben scheint kein aktuelles Paradigma für Glaubensexistenzen zu sein, sie stellte nun wirklich keine Vorabschattung mancher Medien gerechter Glaubensstars unserer Tage dar, aber gönnen wir uns die Träumerei: Wie gut und heilsam wäre es, wenn es gerade heute in den allerorts und allezeit optimierten Kontexten solche selbstlos dienenden Schwestern wie Schwester Antje gäbe. 150 Jahre lang haben sie nicht unwesentlich das Erscheinungsbild der evangelischen Gemeinden mitgeprägt. In den 70er Jahren wurde – auch dadurch bedingt, dass es immer weniger von ihnen gab – ihrem gemeindenahen Dienst durch die Sozialtechnologie des Wohlfahrts- und Verbändestaates mit ihren zentralisierenden Diakoniestationen der Wirkungsraum streitig gemacht, in den 90er Jahren wurde der alten Diakonie dann durch die staatlich forcierte Ökonomisierung des Pflegesektors der Garaus gemacht. Schwester Antje gibt es nicht mehr. Man braucht sie nicht mehr im System. Und mit ihrem Abgang ist es dann auch schwieriger geworden, unsere heutige Frage zu beantworten: Was ist wahrer Glaube?

Was ist wahrer Glaube? Philipp Melanchthon hatte klassisch drei Stichworte verwendet: notitia, assensus, fiducia – die Wahrnehmung der auch historischen Fakten, der Inhalte des Glaubens als notitia, das eigene Annehmen dieser Wahrheiten für sich selbst als assensus und ein darauf aufbauendes und sich daran haltendes Vertrauen auf Gott als fiducia. Statt dieser drei Stichworte nennt der Heidelberger Katechismus zwei, ist sich in der Sache aber ganz einig mit dem hervorragenden Kurpfälzer Theologen Magister Philippus.
Zum einen ist Glaube herzliches Vertrauen. Vertrauen hat seinen Ort nicht oder jedenfalls nicht allein im Verstand. Kann ich deshalb vertrauen, weil es abwägbar wäre? Dann wäre Vertrauen Berechnung. Vertrauen ist aber herzlich, eine Herzensangelegenheit, vielleicht auch ein Bauchgefühl, wie man heute sagen würde. Es trügt einen selten, aber ist eben nicht unumstößlich beweisbar. Vertrauen ist immer auch ein Wagnis, ist immer auch gelebtes, ja riskiertes Leben, damit aber auch wahres Leben. Vertrauen ist wie Liebe – wunderbarer Ausdruck der Freiheit.
Wer glaubt, vertraut. Wer glaubt, vertraut Gott. Wer glaubt, vertraut sich Gott an. Das kann nicht unbemerkt bleiben. Wer glaubt, strahlt den Glauben aus. Der Glaube bezieht die anderen mit ein. Gut reformatorisch führt der Heidelberger Katechismus den Glauben und alle Teilhabe am Heil auf das Wirken des Heiligen Geistes zurück. Seit Kindestagen stand ich nie in Versuchung, mir den Heiligen Geist männlich vorzustellen. Ich war eigentlich eher versucht anzunehmen, dass der Heilige Geist eine gewisse Ähnlichkeit haben müsse mit ---- Schwester Antje. Die erfahrene Zuwendung, die Güte und Freundlichkeit, die Fröhlichkeit aus dem Glauben heraus, die waren charakterisierend.

Ob gelebtes Vertrauen in Gott auch stark macht, anderen Menschen zu vertrauen und überhaupt vertrauensvoll das Leben anzugehen? Entwicklungspsychologen weisen darauf hin, dass erfahrenes Vertrauen in frühen Kindertagen grundlegend für die seelische Formatierung ein Leben lang bleibt. Wer Menschen kennt, die dieses Glück des frühen Vertrauens nicht genießen konnten, weiß, wie schwer das gemeinsame Leben sich gestaltet.
Das Vertrauen als Glaube bezieht die anderen mit ein, weil Vertrauen eine Beziehungsgrundlage und ein permanentes Beziehungstraining ist. All das, was ich im Glauben für mich annehme, dass Gott es gut mit mir meint, gilt auch anderen. Wer glaubt und vertraut, sieht die Welt, sieht die anderen Menschen mit einem verwandelten Blick – von dem ich überzeugt bin, dass dieser verwandelte Blick auch ein verwandelnder Blick ist. Schwester Antjes Vertrauen ins Leben würden wir heute bestenfalls als naiv bezeichnen. Sie kam ohne jede Absicherung aus. Wenn wir Austräger des kirchlichen Wochenblattes einmal im Monat kassieren mussten, dann war Schwester Antje der Unsicherheitsfaktor Nr. 1. Wie oft hatte sie nicht einmal die eine Mark und 85 Pfennige zu Hause! Man nahm auch nicht gerne von ihr, denn sie gab ja alles dahin. Sie hat für einen „Gotteslohn“ die Kranken und die Alten gepflegt, die Mühseligen und die Beladenen der Gemeinde begleitet – und gewiss vieles auf ihre Schultern und auf ihr Herz genommen, was des Pfarrers Aufgabe gewesen wäre – aber der war als Nachkriegs-„Barthianer“ mehr mit donnernden Predigten beschäftigt. Ihr Gottvertrauen motivierte sie, sich den Menschen mit Liebe zuzuwenden, sie um Gottes willen in den Blick und sicher auch oft in den Arm zu nehmen. Sie vertraute Gott und hoffte deshalb, dass Gottes Zuwendung allen galt. Sie meinte es gut mit allen, das spürte man. Sie genoss deshalb bei allen nun ihrerseits volles Vertrauen. Wegen der Pfarrer ist schon so manches verirrte Schäflein aus der Kirche ausgetreten – Schwester Antje dagegen wäre ein guter Grund gewesen, nicht auszutreten oder wieder einzutreten.

Aber unser kluger Katechismus stellt uns nicht vor falsche Alternativen. Er führt uns hier nicht aufs Glatteis mit suggestiven Formulierungen wie „nicht dies, sondern vielmehr jenes“. Der Katechismus beschreibt den Glauben mit einem „nicht nur, sondern auch“. Hier wird nicht eines gegen das andere profiliert, sondern der Facettenreichtum des Glaubens wertgeschätzt. Gewiss, Glaube ist zum einen herzliches Vertrauen, das dann Kreise zieht, aber Glaube ist eben zum anderen genauso eine zuverlässige Erkenntnis. Es wäre ja auch merkwürdig, wenn nun ausgerechnet ein Lehrbuch des Glaubens die kognitiven Gehalte des Glaubens hintanstellen oder relativieren würde. Davon kann keine Rede sein.
Vertrauen ist herzlich und an sich eine Herzensangelegenheit, Erkenntnis ist zuverlässig und damit eben eine Kopfsache. Glaube spielt sich im Herzen ab, aber gewiss auch zwischen den Ohren. Nur hier kann ich wirklich erkennen und dann die Wahrheit auch für mich annehmen. Erkenntnis ist zuverlässig, damit man selbst für wahr halten kann. Ohne Erkennen und ohne Denken kein „ich“ und auch kein persönliches Für-wahr-halten.
Erkennen bezieht sich auf etwas, das vor uns liegt, das außerhalb unserer Verfügung steht und das auch unabhängig von uns da ist. Möglicherweise verschreckt das die Konstruktivisten in der Gemeinde, aber wie soll denn sonst beschrieben werden, dass nicht wir das Evangelium ergreifen, sondern das Evangelium sich unser bemächtigt? Gerade weil dieses Evangelium ein anderes, ein von außen kommendes Wort ist, ist es ein Wort für (!) uns, ein freies und gewiss machendes Wort. Gott selbst ist der Akteur des Evangeliums, er offenbart, er erschließt es uns. Deshalb kann es letztlich auch nicht verdunkelt werden, etwa durch eine fehlende moralische Integrität der verkündigenden Person oder durch eine machtvolle Institution. Gott bleibt – in allen Gestalten und Formen – Herr des Evangeliums.

Und dann haben manche das Glück, dieses Evangelium, wie es Gott in seinem Wort gegeben hat, durch so glaubhafte Menschen wie Schwester Antje weitergereicht zu bekommen. Bei ihr haben wir gerne gelernt. Ja, auch im Glauben gibt es „Dinge“ zu lernen, biblische Geschichten, Lieder, Gebete. Wenn ich eine Lieblingsstelle in den lutherischen Bekenntnisschriften hätte [merkwürdigerweise lachte die versammelte Gemeinde an dieser Stelle!!!], dann wäre es der siebte Artikel der Augsburger Konfession: Dort wird über die wahre Einheit der Kirche unter anderem gesagt, dass das Evangelium „pure docetur“ sei, also rein zu lehren. Evangelium hat auch eine kognitive Seite. Da geht es um lehren und lernen – so hieß auch lange in umgekehrter Reihenfolge eine Zeitschrift für Kindergottesdienstmitarbeiter: Lerne und lehre! In den grauen 70er Jahren gab es nicht viel, worauf ich mich freute, der Kindergottesdienst bei Schwester Antje war aber ein Grund und ein Ort, sich zu freuen. Nicht in der Familie, sondern in der Gemeinde bei Schwester Antje erfuhr ich grundlegend von Jesus, und in jedem Kindergottesdienst, in jeder Geschichte spürten wir es der Schwester Antje ab, dass sie sich selbst auf den Inhalt der Geschichten verlassen hat, dass diese Geschichten Ausdruck ihres eigenen Gottesverhältnisses war – und das diese Geschichte, diese Botschaft, ja dieser Gott hinter den Geschichten froh macht. Aus voller Überzeugung sang sie „Lobt froh den Herren, Ihr jugendlichen Chöre“ – sie war froh, dass sie das Evangelium weitererzählen durfte – und so sang sie auch. Ich weiß nicht, ob sie im theologischen Diskurs mit dem Pfarrer bestanden hätte, aber sie hat jedes Mal so die biblischen Geschichten erzählt, dass sie selbst immer begeisterter wurde und ihre helle Stimme sich überschlug oder sie sich verhaspelte. Was sie erzählte, war „Evangelium“, war „Gute Nachricht“ – für sie selbst und dann auch für uns Kinder. Es fiel nicht schwer, das Evangelium anzunehmen und die Glaubensinhalte für wahr zu halten. Sie verkörperte auch die Leichtigkeit und Unbeschwertheit des Glaubens, die mich am Heilsegoismus von Frage 20 des Katechismus zweifeln lässt, wo die Zahl der Erlösten limitiert wird. Ich will gar nicht darüber nachdenken, ob es auch verlorene Menschen gibt. Ich schaue zu jedem Menschen auf und hoffe, dass ich einen Gottesliebling sehe – und sage in Umkehrung der Formulierung von Frage 21: Nicht nur mir, der ich glaube, gilt das Evangelium, sondern auch den anderen.

Heute bin ich froh, den Katechismus zu kennen. In meiner gemeindlichen Sozialisation durfte er keinen Platz haben, erst im Studium konnte ich ihn mir vertraut machen. Gerade auch in der Wiederbeschäftigung mit ihm zum Jubiläum 2013 habe ich mehrfach Neues und Aufregendes für mich entdeckt – auch für meinen Glauben. Für den Glauben des Verstandes. Das ist bestimmt gut.
Heute bin ich froh, dass ich als Kind einen anderen Katechismus hatte, einen lebendigen, einen fröhlichen, einen zweibeinigen Katechismus, die Schwester Antje. Ihr ganzes Leben und Wirken war Katechismus, mehr und tiefer, herzlicher und wahrer und zuverlässiger, als die Pfarrerworte meiner Kindheit es je hätten sein können – und wohl auch, als Katechismusworte mich damals hätten lehren können. Der Heidelberger Katechismus legt soviel Wert auf das gelebte und zu lebende Leben – in diesem Leben wird der Glaube erfahrbar, für einen selbst und für die anderen. Deshalb wäre bestimmt auch der Heidelberger nicht eifersüchtig, dass nicht er, sondern die Schwester Antje mit ihrem Leben und Glauben mich zum Evangelium geführt hat. Und dann müssten auch alle genannt werden, die nicht mir, sondern anderen den Glauben nahe gebracht haben: eine Oma, ein Lehrer, ein Ältester, eine andere „Säule der Gemeinde“, Freunde. Und es gehören diejenigen dazu, die auch jetzt in diesen unseren Tagen anderen das Evangelium aufschließen, so dass man es für wahr halten kann.

Was ist wahrer Glaube? ------- In Hebräer 11 heißt es zu Beginn eines längeren Traktats über den Glauben: „Es ist der Glaube eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht.“ (v. 1) Dieser Glaube wird von Gott empfangen (v. 2) und dient der Erkenntnis Gottes (v. 3). Und dann folgt eine Erklärung dieses Glaubens mittels einer langen Geschichte des Glaubens, ein biblisches Durchkonjugieren des Glaubens von Abel über Abraham bis hin zur Hure Rahab. In dieser Geschichte des Glaubens versteht sich der Verfasser des Hebräerbriefes vor 1900 Jahren. Die Geschichte des Glaubens ist auch nach dem Verfasser des Hebräerbriefes fortgeschrieben worden, und nach den biblischen Helden des Glaubens und dann auch neben der Hure Rahab steht – so wie für andere deren Glaubenszeugen – für mich Schwester Antje, die uns mit hinein nahm in das herzliche Vertrauen und die zuverlässige Erkenntnis des Glaubens. Ich denke gerne an sie – und wenn ich an sie denke, dann beginne ich, Gott dankbar zu sein für den Glauben.
Amen.

Predigt gehalten am 3. Juni 2012 in der Peterskirche Heidelberg.