Heidelberger Katechismus Frage ...
Mehr Fragen als Antworten!
Die 129 Fragen des Heidelberger Katechismus - ohne die Antworten!
Welche Fragen interessieren Sie? Finden Sie Ihre eigenen Antworten?! Oder stellen Sie Ihre eigenen Fragen?!

>>> Die Fragen des Heidelberger Katechismus als pdf-Datei zum Herunterladen

1. Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben?

2. Was musst du wissen, damit du in diesem Trost selig leben und sterben kannst?

3. Woher erkennst du dein Elend?

4. Was fordert denn Gottes Gesetz von uns?

5. Kannst du das alles vollkommen halten?

6. Hat denn Gott den Menschen so böse und verkehrt erschaffen?

7. Woher kommt denn diese böse und verkehrte Art des Menschen?

8. Sind wir aber so böse und verkehrt, dass wir ganz und gar unfähig sind zu irgendeinem Guten und geneigt zu allem Bösen?

9. Tut denn Gott dem Menschen nicht Unrecht, wenn er in seinem Gesetz etwas fordert, was der Mensch nicht tun kann?

10. Will Gott diesen Ungehorsam ungestraft lassen?

11. Ist denn Gott nicht auch barmherzig?

12. Wenn wir also nach dem gerechten Urteil Gottes schon jetzt und ewig Strafe verdient haben, wie können wir dieser Strafe entgehen und wieder Gottes Gnade erlangen?

13. Können wir aber selbst für unsere Schuld bezahlen?

14. Kann aber irgendein Geschöpf für uns bezahlen?

15. Was für einen Mittler und Erlöser müssen wir denn suchen?

16. Warum muss er ein wahrer und gerechter Mensch sein?

17. Warum muss er zugleich wahrer Gott sein?

18. Wer ist denn dieser Mittler, der zugleich wahrer Gott und ein wahrer, gerechter Mensch ist?

19. Woher weißt du das?

20. Werden denn alle Menschen wieder durch Christus gerettet, so wie sie durch Adam verloren gegangen sind?

21. Was ist wahrer Glaube?

22. Was ist für einen Christen notwendig zu glauben?

23. Wie lautet dieses Glaubensbekenntnis?

24. Wie wird das Glaubensbekenntnis eingeteilt?

25. Warum nennst du denn drei: den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist, wo doch Gott nur einer ist?

26. Was glaubst du, wenn du sprichst: „Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer Himmels und der Erde“?

27. Was verstehst du unter der Vorsehung Gottes?

28. Was nützt uns die Erkenntnis der Schöpfung und Vorsehung Gottes?

29. Warum wird der Sohn Gottes Jesus, das heißt „Heiland“ genannt?

30. Glauben denn auch die an den einzigen Heiland Jesus, die Heil und Seligkeit bei den Heiligen, bei sich selbst oder anderswo suchen?

31. Warum wird er Christus, das heißt „Gesalbter“ genannt?

32. Warum wirst aber du ein Christ genannt?

33. Warum heißt Jesus Christus „Gottes eingeborener Sohn“, da doch auch wir Kinder Gottes sind?

34. Warum nennst du ihn „unseren Herrn“?

35. Was bedeutet: „Empfangen durch den heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria“?

36. Was nützt es dir, dass er durch den heiligen Geist empfangen und von der Jungfrau Maria geboren ist?

37. Was verstehst du unter dem Wort „gelitten“?

38. Warum hat er unter dem Richter Pontius Pilatus gelitten?

39. Bedeutet sein Tod am Kreuz mehr, als wenn er eines anderen Todes gestorben wäre?

40. Warum hat Christus den Tod erleiden müssen?

41. Warum ist er begraben worden?

42. Warum müssen wir noch sterben, obwohl Christus für uns gestorben ist?

43. Welchen weiteren Nutzen haben wir aus Opfer und Tod Christi am Kreuz?

44. Warum folgt „abgestiegen zu der Hölle“?

45. Was nützt uns die Auferstehung Christi?

46. Wie verstehst du, dass es heißt „aufgefahren in den Himmel“?

47. Ist denn Christus nicht bei uns bis ans Ende der Welt, wie er uns verheißen hat?

48. Werden aber auf diese Weise nicht Gottheit und Menschheit in Christus voneinander getrennt, wenn er nach seiner menschlichen Natur nicht überall ist, wo er nach seiner Gottheit ist?

49. Was nützt uns die Himmelfahrt Christi?

50. Warum wird hinzugefügt „er sitzt zur Rechten Gottes“?

51. Was nützt uns diese Herrlichkeit unseres Hauptes Christus?

52. Was tröstet dich die Wiederkunft Christi, „zu richten die Lebenden und die Toten“?

53. Was glaubst du vom heiligen Geist?

54. Was glaubst du von der „heiligen allgemeinen christlichen Kirche“?

55. Was verstehst du unter der „Gemeinschaft der Heiligen“?

56. Was glaubst du von der „Vergebung der Sünden“?

57. Was tröstet dich die „Auferstehung der Toten“?

58. Was tröstet dich die Verheißung des ewigen Lebens?

59. Was hilft es dir aber nun, wenn du das alles glaubst?

60. Wie bist du gerecht vor Gott?

61. Warum sagst du, dass du allein durch den Glauben gerecht bist?

62. Warum können denn unsere guten Werke uns nicht ganz oder teilweise vor Gott gerecht machen?

63. Verdienen aber unsere guten Werke nichts, obwohl Gott sie doch in diesem und dem zukünftigen Leben belohnen will?

64. Macht aber diese Lehre die Menschen nicht leichtfertig und gewissenlos?

65. Wenn nun allein der Glaube uns Anteil an Christus und allen seinen Wohltaten gibt, woher kommt solcher Glaube?

66. Was sind Sakramente?

67. Sollen denn beide, Wort und Sakrament, unseren Glauben auf das Opfer Jesu Christi am Kreuz als den einzigen Grund unserer Seligkeit hinweisen?

68. Wieviel Sakramente hat Christus im Neuen Testament eingesetzt?

69. Wie wirst du in der heiligen Taufe erinnert und gewiss gemacht, dass das einmalige Opfer Christi am Kreuz dir zugut kommt?

70. Was heißt, mit dem Blut und Geist Christi gewaschen sein?

71. Wo hat Christus verheißen, dass wir so gewiss mit seinem Blut und Geist wie mit dem Taufwasser gewaschen sind?

72. Ist denn das äußerliche Wasserbad selbst die Abwaschung der Sünden?

73. Warum nennt denn der Heilige Geist die Taufe das „Bad der Wiedergeburt“ und die „Abwaschung der Sünden“?

74. Soll man auch die kleinen Kinder taufen?

75. Wie wirst du im heiligen Abendmahl erinnert und gewiss gemacht, dass du an dem einzigen Opfer Christi am Kreuz und allen seinen Gaben Anteil hast?

76. Was heißt, den gekreuzigten Leib Christi essen und sein vergossenes Blut trinken?

77. Wo hat Christus verheißen, dass er die Gläubigen so gewiss mit seinem Leib und Blut speist und tränkt, wie sie von diesem gebrochenen Brot essen und von diesem Kelch trinken?

78. Werden denn Brot und Wein in Leib und Blut Christi verwandelt?

79. Warum nennt denn Christus das Brot seinen Leib und den Kelch sein Blut oder nennt den Kelch den neuen Bund in seinem Blut, und warum spricht Paulus von der Gemeinschaft des Leibes und Blutes Jesu Christi?

80. Was ist für ein Unterschied zwischen dem Abendmahl des Herrn und der päpstlichen Messe?

81. Welche Menschen sollen zum Tisch des Herrn kommen?

82. Dürfen aber zum heiligen Abendmahl auch solche zugelassen werden, die sich in ihrem Bekenntnis und Leben als Ungläubige und Gottlose erweisen?

83. Was ist das Amt der Schlüssel?

84. Wie wird das Himmelreich durch die Predigt des heiligen Evangeliums auf- und zugeschlossen?

85. Wie wird das Himmelreich durch die christliche Bußzucht zu- und aufgeschlossen?

86. Da wir nun aus unserm Elend ganz ohne unser Verdienst aus Gnade durch Christus erlöst sind, warum sollen wir gute Werke tun?

87. Können denn auch die selig werden, die sich von ihrem undankbaren, unbußfertigen Leben nicht zu Gott bekehren?

88. Worin besteht die wahrhaftige Buße oder Bekehrung des Menschen?

89. Was heißt Absterben des alten Menschen?

90. Was heißt Auferstehen des neuen Menschen?

91. Was sind denn gute Werke?

92. Wie lautet das Gesetz des HERRN?

93. Wie werden diese Gebote eingeteilt?

94. Was fordert der Herr im ersten Gebot?

95. Was ist Götzendienst?

96. Was will Gott im zweiten Gebot?

97. Darf man denn gar kein Bild machen?

98. Dürfen denn nicht die Bilder als „der Laien Bücher“ in den Kirchen geduldet werden?

99. Was will Gott im dritten Gebot?

100. Ist es denn eine so schwere Sünde, Gottes Namen mit Schwören und Fluchen zu lästern, dass Gott auch über die zürnt, die nicht alles tun, um es zu verhindern?

101. Darf man aber überhaupt bei dem Namen Gottes einen Eid schwören?

102. Darf man auch bei den Heiligen oder anderen Geschöpfen schwören?

103. Was will Gott im vierten Gebot?

104. Was will Gott im fünften Gebot?

105. Was will Gott im sechsten Gebot?

106. Redet denn dieses Gebot nur vom Töten?

107. Haben wir das Gebot schon erfüllt, wenn wir unseren Nächsten nicht töten?

108. Was will Gott im siebenten Gebot?

109. Verbietet Gott in diesem Gebot allein den Ehebruch?

110. Was verbietet Gott im achten Gebot?

111. Was gebietet dir aber Gott in diesem Gebot?

112. Was will Gott im neunten Gebot?

113. Was will Gott im zehnten Gebot?

114. Können aber die zu Gott Bekehrten diese Gebote vollkommen halten?

115. Warum lässt uns Gott denn die zehn Gebote so eindringlich predigen, wenn sie doch in diesem Leben niemand halten kann?

116. Warum ist den Christen das Gebet nötig?

117. Was gehört zu einem Gebet, damit es Gott gefällt und von ihm erhört wird?

118. Was hat uns Gott befohlen, von ihm zu erbitten?

119. Wie lautet dieses Gebet

120. Warum hat uns Christus befohlen, Gott so anzureden: „Unser Vater“?

121. Warum wird hinzugefügt: „im Himmel“?

122. Was bedeutet die erste Bitte: „Geheiligt werde dein Name“?

123. Was bedeutet die zweite Bitte: „Dein Reich komme“?

124. Was bedeutet die dritte Bitte: „Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden“?

125. Was bedeutet die vierte Bitte: „Unser tägliches Brot gib uns heute“?

126. Was bedeutet die fünfte Bitte: „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern“?

127. Was bedeutet die sechste Bitte: „Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen“?

128. Wie beschließt du dieses Gebet: „Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit“?

129. Was bedeutet das Wort: „Amen“?

>>> Was will ich vom (christlichen) Glauben wissen? Fragen haben, Antworten finden.

>>> Fragen haben, Antworten finden – Eine Anregung für die Arbeit in Gruppen, pdf-Datei

>>> Die Fragen des Heidelberger Katechismus als pdf-Datei zum Herunterladen



Frage 117

Predigt von Pastorin Ilse Landwehr, Osnabrück

"Was gehört zu einem Gebet, damit es Gott gefällt und von ihm erhört wird?"

Erstens,
dass wir allein den wahren Gott,
der sich uns in seinem Wort geoffenbart hat,
von Herzen anrufen
um alles, was er uns zu bitten befohlen hat.

Zweitens,
dass wir unsere Not und unser Elend
gründlich erkennen,
um uns vor seinem göttlichen Angesicht
zu demütigen.

Drittens,
dass wir diesen festen Grund haben,
dass er unser Gebet
trotz unserer Unwürdigkeit
um des Herrn Christus willen
gewiss erhören will,
wie er uns in seinem Wort verheißen hat.


Liebe Gemeinde!
„Die Erde bebt und schwankt, das Meer braust auf, die Schiffe schlagen zusammen, die Häuser stürzen ein, Kirchen und Türme darüber her, der königliche Palast zum Teil wird vom Meere verschlungen, die geborstene Erde scheint Flammen zu speien: denn überall meldet sich Rauch und Brand in den Ruinen. Sechzigtausend Menschen, einen Augenblick zuvor noch ruhig und behaglich, gehen miteinander zugrunde.“

Das ist keine Beschreibung der Katastrophe in Japan, liebe Gemeinde, die wohl jeden und jede von uns seit mehr als zwei Wochen nicht mehr losläßt. Es sind Worte von Goethe – mehr als 200 Jahre alt. Rückblickend schreibt er über das große Erdbeben, das am 1. November 1755 Lissabon zerstört hat.
Die Ereignisse ähneln sich in bedrückender Weise. Auch damals gab es durch die Verschiebung von Erdplatten ein außerordentlich starkes Erdbeben, dem eine Überschwemmung durch eine riesige Flutwelle folgte. Unzählige Gebäude in Portugal und insbesondere in Lissabon wurden zerstört, Zehntausende starben. Der wichtigste Unterschied: Damals gab es noch keine Atomkraftwerke!

Noch immer hält die Welt den Atem an und sieht erschrocken und betroffen auf die Bilder und Nachrichten aus Japan... noch immer ist das ganze Ausmaß der Katastrophe nicht wirklich abzusehen, noch immer die nukleare Gefahr in keiner Weise gebannt.
Erdbeben, Tsunami und der GAU an den Atomkraftwerken haben den Betroffenen schon unsagbares Leid gebracht. Und von Tag zu Tag erleben wir, dass die radioaktive Verseuchung immer schlimmer wird.

Für das, was in diesen Tagen und Wochen in Japan geschieht, fehlen uns einfach die Worte.
Die Menschen, wir alle, sind aufgerüttelt, erschüttert – Hilfsmaßnahmen werden getroffen, Sammlungen laufen wie die, an der auch unsere Kirche beteiligt ist, durch die Diakonie-Katastrophenhilfe, Benefiz-Veranstaltungen werden abgehalten so wie gestern Abend das Konzert des Osnabrücker Domjugendchores.
Gleichzeitig gehen auf allen Ebenen die Diskussionen grundsätzlicher Art wieder los um Nutzen und Gefährlichkeit von Kernkraftwerken – die Politik reagierte schnell, wir wissen nicht, ob nur aus ernsthafter Sorge oder auch aus politischem Kalkül.
Unsere eigene Angst um unser Leben mag dadurch vielleicht im Augenblick gefühlt anders werden... durch das Gefühl, die Diskussion bewegt etwas.
Doch wir wissen auch, das Leid unzähliger Menschen läßt sich so schnell nicht lindern und die Dinge, auch menschliche Fehler, sind nicht mehr rückgängig zu machen.
Was passiert ist, ist passiert.
Und nicht genug damit... als würde Japan als globale Katastrophe nicht schon reichen, kommt nun die militärische Konfrontation in Lybien dazu. Und in den letzten Tagen mehren sich auch die Nachrichten aus Syrien, dem Jemen oder Bahrain. Und auch in Israel werden die Unruhen wieder stärker.

Überall kommen Menschen ums Leben, verlieren ihre Habe, trauern um Menschen, haben Angst vor den Auswirkungen der Katastrophen, der Gewalt.

Keine Situation, die uns schnelle Antworten geben läßt, auch keine christlichen.
Menschen suchen und fragen, fragen auch nach Gott in dieser Zeit, in der Krise, zum Teil in tiefer Traurigkeit, Angst und Verzweiflung.

Wie wird christlicher Glaube dem gerecht, in dieser Lage helfen und trösten zu können, zuerst die Menschen, die so hart betroffen sind, aber auch uns selbst, die wir genauso suchend und fragend sind, auch wenn die Gefahren und die akute Bedrohung nicht so unmittelbar nahe ist wie in Japan oder im Nahen Osten?

Und nun der Predigttext für den heutigen Sonntag: eine alte Katechismus-Frage, vor Monaten schon ausgewählt für unsere Osnabrücker Predigtreihe über den Heidelberger Katechismus.
Ich hätte mir nicht träumen lassen, welche brennende Aktualität sie auf einmal durch diese unvorhersehbaren Ereignisse haben kann.
Lassen Sie mich diese Katechismusfrage und die dazugehörigen Antwort zunächst lesen.

FRAGE 117:
Was gehört zu einem Gebet, damit es Gott gefällt, und von ihm erhört wird?

Erstens,
dass wir allein den wahren Gott , der sich in seinem Wort geoffenbart hat, von Herzen anrufen um alles, was er uns zu bitten befohlen hat.

Zweitens,
dass wir unsere Not und unser Elend gründlich erkennen, um uns vor seinem göttlichen Angesicht zu demütigen.

Drittens,
dass wir diesen festen Grund haben, daß er unser Gebet trotz unserer Unwürdigkeit um des Herrn Christus willen gewiß erhören will, wie er uns in seinem Wort verheißen hat.“

Drei Schritte sind es, die der Katechismus mit uns geht. Diesem Dreischritt will ich auch in der Predigt versuchen nachzugehen.

1. Das Gebet richtet sich an Gott, der sich in seinem Wort geoffenbart hat und den wir um alles bitten dürfen, was er uns zu bitten befohlen hat.
2. In diesem Gebet erkennen wir unsere Lage unsere Situation, unser Leben mit allem, was es ausmacht, mit all seinen Nöten und schwierigen Seiten.
3. Gott verspricht uns Gebetserhörung, nicht weil wir es verdient hätten, sondern allein um Jesu Christi willen.

Lassen Sie uns zunächst über den ersten Teil nachdenken.

Unser Gebet hat eine Adresse – „allein den wahren Gott“ nennt der „Heidelberger Katechismus“ sie.
Wir brauchen keine Mittler, weder Heilige noch Maria, die Mutter Gottes, sondern dürfen uns direkt und unmittelbar selbst an ihn, an Gott, wenden mit unserem Bitten und Beten.
Wir dürfen ihn anrufen – und zwar „um alles, was er uns zu bitten befohlen hat“.

Das klingt vielleicht auf das erste Hören etwas merkwürdig in unseren Ohren.
Denn was heißt das: “ was er, Gott, uns zu bitten befohlen hat“? Klingt das nicht viel zu sehr nach Befehl und Unfreiheit, als gäbe es genau festgelegte Gebete und Bitten, aber nicht die Freiheit eines jeden Menschen, Gott anzurufen, wie und auf welche Art er möchte? Und vor allem, ihm vorzutragen, was jedem/ jeder ganz persönlich am Herzen liegt?

Wenn ich mir allerdings die für unsere Ohren so ungewohnte Formulierung im Zusammenhang mit dem vorher Gesagten anschaue, wo es heißt „dass Gott sich in seinem Wort geoffenbart hat“, dann bedeutet das doch: Dieses geoffenbarte Wort zeigt uns den Weg, auch den Weg des Gebetes.
Das geoffenbarte Wort, das Evangelium, die frohe Botschaft, eben das biblische Wort, erzählt uns in Geschichten und Texten immer wieder neu davon, wie Gott mit den Menschen umgeht, wie er sich ihnen zuwendet, ihnen nahe kommt - ganz wie ein Vater auf sein Kind mit offenen Armen zugeht und es sich vertrauensvoll in seine Arme werfen kann mit allem, was ihm auf der Seele lastet, was es ängstet und auch an Schuld bedrückt.

Eines der schönsten Beispiele bleibt für mich das „Gleichnis vom verlorenen Sohn“, das genau diesen Wesenszug Gottes im Bild vom Vater und dem Sohn auf so plastische, konkrete Weise darstellt.
Da ist der Sohn, der nicht nur gute Wege gegangen ist, der umkehrt, der sich auf den Weg zurück zu seinem Vater macht, der hofft und wartet, ob der Vater ihn erhören wird und ihm die Schuld verzeiht.
Und da ist der Vater, für den es nichts Schöneres gibt, als dass der Sohn den Weg wieder zu ihm zurückfindet und sich vertrauensvoll in seine Arme wirft. Er wartet auf ihn und als er endlich kommt, strahlt sein Gesicht vor Freude und es wird ein großes Fest gefeiert.
Das ist Beten, liebe Gemeinde - wissen, dass Gott da ist, dass er uns hört, dass er seine Arme für uns öffnet und wir uns hineinwerfen dürfen, egal wie es uns geht… wissen, dass Schuld Vergebung erfährt und aus Traurigkeit wieder Freude werden darf.
Bei Dietrich Bonhoeffer fand ich Worte dazu, die mich besonders angesprochen haben:
Sie stammen aus seinem Gedicht „Christen und Heiden“
Dort heißt es in der ersten Strophe:

„Menschen gehen zu Gott in ihrer Not,
flehen um Hilfe, bitten um Glück und Brot,
um Errettung aus Krankheit, Schuld und Tod.
So tun sie alle, alle, Christen und Heiden.“

Angesichts großer Not werden alle Menschen zu Bittenden, ganz egal welcher Religion sie angehören, sogar wenn sie „Heiden“ sind, wie Bonhoeffer sagt.
Auch wer an nichts glaubt, lernt durch die Not Beten, denn Beten ist erst mal nichts anderes als Flehen und Bitten, Hoffen und Bangen, Suchen nach Glück und Brot, Gesundheit und Leben.

Auch wenn die Ausdrucksformen sich unterscheiden mögen und wohin auch immer sich andere wenden, wir dürfen wissen, unsere Bitten haben ein Wohin: Gott!
Er ist unser Ansprechpartner, unsere Klagemauer, unser fragendes Gegenüber in Schuld und zugleich der liebende und verzeihende Vater, der uns sieht und hört, dem wir nicht gleichgültig sind und bei dem wir unter keinen Umständen verloren gehen, auch wenn alle Äußerlichkeiten dagegen sprechen.

Der Heidelberger Katechismus sagt in seinem zweiten Teil der Antwort auf die Frage nach einem gottgefälligen Gebet, dass wir „unsere Not und unser Elend vor Gott gründlich erkennen sollen und uns demütigen vor dem göttlichen Angesicht“.

Beten hilft die Gedanken sortieren, die Gefühle zuzulassen, ist wie ein Ventil, damit das Fass nicht auseinanderfliegt... das, was ist, alle Not, alles Elend darf seinen Platz im Gebet haben... wir können und sollen dies alles vor Gott bringen – mit oder ohne Worte.
Wir können ihm sagen, wie fassungslos wir sind, unser Mitgefühl für die Betroffenen, vielleicht auch unsere eigene Angst oder unsere Wut herausschreien, ihm mit all‘ dem in den Ohren liegen und um seine Hilfe und Unterstützung bitten.

Wir können ihn fragen, warum Menschen immer neu Krieg anfachen, Blutvergießen und Leiden so vieler hinnehmen, warum Machtgier und Berechnung, die Angst um Rohstoffe und das eigene Noch-Besser-Ergehen das Leben anderer auslöscht oder für immer vergiftet.
Wir dürfen zweifeln: Wo bist du, Gott, in alle dem? Gibt es Dich überhaupt?
Wo bist du, wenn die Kernstäbe in Fukushima doch noch schmelzen? Wo bist du, wenn an der japanischen Ostküste durch die Wassermassen ganze Ortschaften weggeschwemmt werden und Hunderttausende obdachlos sind?
Wo bist Du, wenn Menschen ihr Leben lassen in kriegerischen Auseinandersetzungen und weil sie sich einsetzen für Freiheit und Demokratie?
Wo bist Du, wenn wir uns fragen, wie es mit uns und dieser Welt, die Du uns doch anvertraut hast, bloß weitergehen soll und ob unsere Kinder und Kindeskinder auf ihr auch noch gut leben können?

Das ist das eine – doch beim Weiterlesen im Katechismus habe ich wieder meine Probleme.
Denn da stoße ich erneut auf eine harte Formulierung, nämlich, dass wir uns „demütigen vor ihm“.

Das klingt auf Anhieb negativ. Es klingt nach Willkür und Unterdrückung, danach, dass ich meine Würde, ja das Menschsein regelrecht verliere und ruft deshalb meine Abwehr hervor.

Hat der Katechismus das gemeint? Ich glaube es nicht.
Ich würde das Wort „Demut“ in diesem Zusammenhang eher mit „Ehrlichkeit“ übersetzen, damit für uns verstehbar wird, was hier gemeint sein könnte.
Ich verstehe den Katechismus so, dass wir uns und unsere brüchige Welt, unser Elend und unsere Schwierigkeiten vor Gott erkennen und benennen dürfen, dass wir ehrlich sein können, nichts verheimlichen müssen.
Nicht, dass Gott, nicht auch ohne unser Gebet sehen könnte, wie es um uns steht.
Nicht er hat es nicht nötig, sondern wir haben
das Gebet nötig... damit sich ein Weg und Zukunft eröffnet, damit wir nicht in Not und Elend stecken bleiben.
Da ist sowohl das biblische Zeugnis wie z.B. das eben schon mal zitierte „Gleichnis vom verlorenen Sohn“ als auch der Katechismus gar nicht weit entfernt von der modernen Psychologie heute.
Sie sagt, dass erst die Situation benannt, das Leiden gesehen und das Problem ausgesprochen werden muss, damit es zu einer Lösung bzw. Heilung kommen kann.

Für uns könnte das in der aktuellen Situation bedeuten, dass auch wir erkennen und bekennen, wo wir mit unserer Technik und unserem Wahn der scheinbaren Beherrschbarkeit derselben gelandet sind. Kernenergie ist nicht sicher und sie gefährdet Menschen nicht nur in Japan, sondern weltweit akut jetzt und auf alle Generationen nach uns – wir haben viel zu lange geduldet, dass sie eingesetzt wird, weil es für uns so bequem war, weil sie als sauber und billig galt und weil wir in unserem Teil der Welt übermäßigen Gebrauch von Energie machen. Ob zu einem gottwohlgefälligen, demütigen Gebet heute nicht auch gehört, Gott und die, die schon Opfer geworden sind, um Verzeihung zu bitten, um Verzeihung dafür, was wir der Schöpfung, den jetzt schon Leidenden und den nächsten Generationen schon angetan haben? Und auch, dass wir uns ernsthaft Gedanken darüber machen und dem Nachdenken auch Taten folgen lassen, wie es anders und hoffentlich noch besser werden kann?

Der Katechismus beschließt seine Antwort auf die Gebetsfrage mit einem dritten Teil über Jesus Christus als den einzigen Grund der göttlichen Gebetserhörung.
Auch dazu möchte ich das Gedicht von Bonhoeffer noch einmal heranziehen und die 2. und 3. Strophe zitieren:
"Menschen gehen zu Gott in seiner Not,
finden ihn arm, geschmäht, ohne Obdach und Brot, sehn ihn verschlungen von Sünde, Schwachheit und Tod.
Christen stehen bei Gott in seinem Leiden.

Gott geht zu allen Menschen in ihrer Not,
sättigt den Leib und die Seele mit seinem Brot,
stirbt für Christen und Heiden den Kreuzestod
und vergibt ihnen beiden."

Der in Jesus Christus Mensch gewordene Gott hilft als ein Gottes des Leides und des Leidens.
Diese so paradox und anstößig klingende Botschaft tritt uns in der Passionszeit so deutlich vor Augen und ist immer wieder etwas, womit wir zu kämpfen und um Glauben zu ringen haben.

Wie kann das sein, dass Gottes Macht und Herrlichkeit im Leiden zu Tage treten kann? Ist das nicht genau wie in Japan und überall auf der Welt, wo Menschen leiden, das endgültige Scheitern? Ist Jesus, der am Kreuz stirbt, nicht der offensichtliche Beweis dafür, der menschgewordene Gott, der sich aus Liebe hingibt? Wie kann er uns helfen, wo er sich selbst doch nicht mal helfen konnte?
Der christliche Glaube bedient keine Allmachtsphantasien. Er bietet keine einfache Lösung der Welträtsel und unserer Probleme.

Der Gott der Liebe in Jesus Christus ist ohnmächtig. Er begegnet uns gerade im Leiden überall auf der Welt. Aber er ist dennoch nicht macht- und wirkungslos. Er ist da, wo Menschen leiden, an ihrer Seite.
Er kann zu ihrer Kraftquelle werden, der einzigen vielleicht, die ihnen noch geblieben ist.
Sie dürfen rufen und flehen, hoffen und bitten so wie wir alle das dürfen und können gewiss sein: Gott wird die Gebete erhören, wird sich anrühren lassen vom ernsthaften Bitten. Und er wird in allem Leiden und durch das Leiden hindurch einen neuen Weg eröffnen – diesen Weg können wir sehen, schon jetzt, indem wir auf Jesus schauen „gekreuzigt, gestorben und auferstanden von den Toten“!
Amen.

 

Gehalten am 27. März 2011 in der Ev. reformierten Kirchengemeinde Osnabrück