Heidelberger Katechismus Frage ...
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Die 129 Fragen des Heidelberger Katechismus - ohne die Antworten!
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1. Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben?

2. Was musst du wissen, damit du in diesem Trost selig leben und sterben kannst?

3. Woher erkennst du dein Elend?

4. Was fordert denn Gottes Gesetz von uns?

5. Kannst du das alles vollkommen halten?

6. Hat denn Gott den Menschen so böse und verkehrt erschaffen?

7. Woher kommt denn diese böse und verkehrte Art des Menschen?

8. Sind wir aber so böse und verkehrt, dass wir ganz und gar unfähig sind zu irgendeinem Guten und geneigt zu allem Bösen?

9. Tut denn Gott dem Menschen nicht Unrecht, wenn er in seinem Gesetz etwas fordert, was der Mensch nicht tun kann?

10. Will Gott diesen Ungehorsam ungestraft lassen?

11. Ist denn Gott nicht auch barmherzig?

12. Wenn wir also nach dem gerechten Urteil Gottes schon jetzt und ewig Strafe verdient haben, wie können wir dieser Strafe entgehen und wieder Gottes Gnade erlangen?

13. Können wir aber selbst für unsere Schuld bezahlen?

14. Kann aber irgendein Geschöpf für uns bezahlen?

15. Was für einen Mittler und Erlöser müssen wir denn suchen?

16. Warum muss er ein wahrer und gerechter Mensch sein?

17. Warum muss er zugleich wahrer Gott sein?

18. Wer ist denn dieser Mittler, der zugleich wahrer Gott und ein wahrer, gerechter Mensch ist?

19. Woher weißt du das?

20. Werden denn alle Menschen wieder durch Christus gerettet, so wie sie durch Adam verloren gegangen sind?

21. Was ist wahrer Glaube?

22. Was ist für einen Christen notwendig zu glauben?

23. Wie lautet dieses Glaubensbekenntnis?

24. Wie wird das Glaubensbekenntnis eingeteilt?

25. Warum nennst du denn drei: den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist, wo doch Gott nur einer ist?

26. Was glaubst du, wenn du sprichst: „Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer Himmels und der Erde“?

27. Was verstehst du unter der Vorsehung Gottes?

28. Was nützt uns die Erkenntnis der Schöpfung und Vorsehung Gottes?

29. Warum wird der Sohn Gottes Jesus, das heißt „Heiland“ genannt?

30. Glauben denn auch die an den einzigen Heiland Jesus, die Heil und Seligkeit bei den Heiligen, bei sich selbst oder anderswo suchen?

31. Warum wird er Christus, das heißt „Gesalbter“ genannt?

32. Warum wirst aber du ein Christ genannt?

33. Warum heißt Jesus Christus „Gottes eingeborener Sohn“, da doch auch wir Kinder Gottes sind?

34. Warum nennst du ihn „unseren Herrn“?

35. Was bedeutet: „Empfangen durch den heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria“?

36. Was nützt es dir, dass er durch den heiligen Geist empfangen und von der Jungfrau Maria geboren ist?

37. Was verstehst du unter dem Wort „gelitten“?

38. Warum hat er unter dem Richter Pontius Pilatus gelitten?

39. Bedeutet sein Tod am Kreuz mehr, als wenn er eines anderen Todes gestorben wäre?

40. Warum hat Christus den Tod erleiden müssen?

41. Warum ist er begraben worden?

42. Warum müssen wir noch sterben, obwohl Christus für uns gestorben ist?

43. Welchen weiteren Nutzen haben wir aus Opfer und Tod Christi am Kreuz?

44. Warum folgt „abgestiegen zu der Hölle“?

45. Was nützt uns die Auferstehung Christi?

46. Wie verstehst du, dass es heißt „aufgefahren in den Himmel“?

47. Ist denn Christus nicht bei uns bis ans Ende der Welt, wie er uns verheißen hat?

48. Werden aber auf diese Weise nicht Gottheit und Menschheit in Christus voneinander getrennt, wenn er nach seiner menschlichen Natur nicht überall ist, wo er nach seiner Gottheit ist?

49. Was nützt uns die Himmelfahrt Christi?

50. Warum wird hinzugefügt „er sitzt zur Rechten Gottes“?

51. Was nützt uns diese Herrlichkeit unseres Hauptes Christus?

52. Was tröstet dich die Wiederkunft Christi, „zu richten die Lebenden und die Toten“?

53. Was glaubst du vom heiligen Geist?

54. Was glaubst du von der „heiligen allgemeinen christlichen Kirche“?

55. Was verstehst du unter der „Gemeinschaft der Heiligen“?

56. Was glaubst du von der „Vergebung der Sünden“?

57. Was tröstet dich die „Auferstehung der Toten“?

58. Was tröstet dich die Verheißung des ewigen Lebens?

59. Was hilft es dir aber nun, wenn du das alles glaubst?

60. Wie bist du gerecht vor Gott?

61. Warum sagst du, dass du allein durch den Glauben gerecht bist?

62. Warum können denn unsere guten Werke uns nicht ganz oder teilweise vor Gott gerecht machen?

63. Verdienen aber unsere guten Werke nichts, obwohl Gott sie doch in diesem und dem zukünftigen Leben belohnen will?

64. Macht aber diese Lehre die Menschen nicht leichtfertig und gewissenlos?

65. Wenn nun allein der Glaube uns Anteil an Christus und allen seinen Wohltaten gibt, woher kommt solcher Glaube?

66. Was sind Sakramente?

67. Sollen denn beide, Wort und Sakrament, unseren Glauben auf das Opfer Jesu Christi am Kreuz als den einzigen Grund unserer Seligkeit hinweisen?

68. Wieviel Sakramente hat Christus im Neuen Testament eingesetzt?

69. Wie wirst du in der heiligen Taufe erinnert und gewiss gemacht, dass das einmalige Opfer Christi am Kreuz dir zugut kommt?

70. Was heißt, mit dem Blut und Geist Christi gewaschen sein?

71. Wo hat Christus verheißen, dass wir so gewiss mit seinem Blut und Geist wie mit dem Taufwasser gewaschen sind?

72. Ist denn das äußerliche Wasserbad selbst die Abwaschung der Sünden?

73. Warum nennt denn der Heilige Geist die Taufe das „Bad der Wiedergeburt“ und die „Abwaschung der Sünden“?

74. Soll man auch die kleinen Kinder taufen?

75. Wie wirst du im heiligen Abendmahl erinnert und gewiss gemacht, dass du an dem einzigen Opfer Christi am Kreuz und allen seinen Gaben Anteil hast?

76. Was heißt, den gekreuzigten Leib Christi essen und sein vergossenes Blut trinken?

77. Wo hat Christus verheißen, dass er die Gläubigen so gewiss mit seinem Leib und Blut speist und tränkt, wie sie von diesem gebrochenen Brot essen und von diesem Kelch trinken?

78. Werden denn Brot und Wein in Leib und Blut Christi verwandelt?

79. Warum nennt denn Christus das Brot seinen Leib und den Kelch sein Blut oder nennt den Kelch den neuen Bund in seinem Blut, und warum spricht Paulus von der Gemeinschaft des Leibes und Blutes Jesu Christi?

80. Was ist für ein Unterschied zwischen dem Abendmahl des Herrn und der päpstlichen Messe?

81. Welche Menschen sollen zum Tisch des Herrn kommen?

82. Dürfen aber zum heiligen Abendmahl auch solche zugelassen werden, die sich in ihrem Bekenntnis und Leben als Ungläubige und Gottlose erweisen?

83. Was ist das Amt der Schlüssel?

84. Wie wird das Himmelreich durch die Predigt des heiligen Evangeliums auf- und zugeschlossen?

85. Wie wird das Himmelreich durch die christliche Bußzucht zu- und aufgeschlossen?

86. Da wir nun aus unserm Elend ganz ohne unser Verdienst aus Gnade durch Christus erlöst sind, warum sollen wir gute Werke tun?

87. Können denn auch die selig werden, die sich von ihrem undankbaren, unbußfertigen Leben nicht zu Gott bekehren?

88. Worin besteht die wahrhaftige Buße oder Bekehrung des Menschen?

89. Was heißt Absterben des alten Menschen?

90. Was heißt Auferstehen des neuen Menschen?

91. Was sind denn gute Werke?

92. Wie lautet das Gesetz des HERRN?

93. Wie werden diese Gebote eingeteilt?

94. Was fordert der Herr im ersten Gebot?

95. Was ist Götzendienst?

96. Was will Gott im zweiten Gebot?

97. Darf man denn gar kein Bild machen?

98. Dürfen denn nicht die Bilder als „der Laien Bücher“ in den Kirchen geduldet werden?

99. Was will Gott im dritten Gebot?

100. Ist es denn eine so schwere Sünde, Gottes Namen mit Schwören und Fluchen zu lästern, dass Gott auch über die zürnt, die nicht alles tun, um es zu verhindern?

101. Darf man aber überhaupt bei dem Namen Gottes einen Eid schwören?

102. Darf man auch bei den Heiligen oder anderen Geschöpfen schwören?

103. Was will Gott im vierten Gebot?

104. Was will Gott im fünften Gebot?

105. Was will Gott im sechsten Gebot?

106. Redet denn dieses Gebot nur vom Töten?

107. Haben wir das Gebot schon erfüllt, wenn wir unseren Nächsten nicht töten?

108. Was will Gott im siebenten Gebot?

109. Verbietet Gott in diesem Gebot allein den Ehebruch?

110. Was verbietet Gott im achten Gebot?

111. Was gebietet dir aber Gott in diesem Gebot?

112. Was will Gott im neunten Gebot?

113. Was will Gott im zehnten Gebot?

114. Können aber die zu Gott Bekehrten diese Gebote vollkommen halten?

115. Warum lässt uns Gott denn die zehn Gebote so eindringlich predigen, wenn sie doch in diesem Leben niemand halten kann?

116. Warum ist den Christen das Gebet nötig?

117. Was gehört zu einem Gebet, damit es Gott gefällt und von ihm erhört wird?

118. Was hat uns Gott befohlen, von ihm zu erbitten?

119. Wie lautet dieses Gebet

120. Warum hat uns Christus befohlen, Gott so anzureden: „Unser Vater“?

121. Warum wird hinzugefügt: „im Himmel“?

122. Was bedeutet die erste Bitte: „Geheiligt werde dein Name“?

123. Was bedeutet die zweite Bitte: „Dein Reich komme“?

124. Was bedeutet die dritte Bitte: „Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden“?

125. Was bedeutet die vierte Bitte: „Unser tägliches Brot gib uns heute“?

126. Was bedeutet die fünfte Bitte: „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern“?

127. Was bedeutet die sechste Bitte: „Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen“?

128. Wie beschließt du dieses Gebet: „Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit“?

129. Was bedeutet das Wort: „Amen“?

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Frage 114 und 115

Predigt von Pastor Habbo Heikens, Wilsum

"Können aber die zu Gott Bekehrten diese Gebote vollkommen halten?"

Frage 114

Können aber die zu Gott Bekehrten
diese Gebote vollkommen halten?

Nein;
sondern es kommen
auch die frömmsten Menschen
in diesem Leben
über einen geringen Anfang
dieses Gehorsams nicht hinaus.
Wohl aber beginnen sie,
mit fester Absicht
nicht nur nach einigen,
sondern nach allen Geboten Gottes
zu leben.


Frage 115

Warum lässt uns Gott dann die zehn Gebote
so eindringlich predigen,
wenn sie doch in diesem Leben
niemand halten kann?

Erstens
sollen wir unser ganzes Leben lang
unsere sündige Art
je länger, je mehr erkennen
und um so begieriger
Vergebung der Sünden
und Gerechtigkeit in Christus suchen.

Zweitens
sollen wir unaufhörlich uns bemühen
und Gott um die Gnade
des Heiligen Geistes bitten,
dass wir je länger, je mehr
zum Ebenbild Gottes erneuert werden,
bis wir nach diesem Leben
das Ziel der Vollkommenheit erreichen.

 

Lesung: Römer 3, 21 - 28

 

Liebe Gemeinde!

Diese Frage mag sich schon manch einer gestellt haben, der sich mit den Geboten beschäftigt. Diese Frage: „Kann man die denn überhaupt halten?“ Ist das nicht alles zu viel verlangt? Diese Frage kann Ausdruck eines belasteten Gewissens sein. Wer einigermaßen sensibel ist und nicht einfach beiseite legen kann, was in den Geboten steht und was in Auslegungen dazu gesagt wird, der mag seine Mühe damit haben. Und wie oft geht es nicht um die Gebote, um Gottes Willen, um das, was er von uns erwartet? In wie vielen Gottesdiensten ist nicht von dem die Rede, was wir tun und lassen sollen? Eigentlich doch in allen. Wie oft geht es nicht um unsere Versäumnisse?

In wie vielen Andachten, die wir zuhause lesen oder bei allen möglichen Gelegenheiten hören, geht es nicht auch um dieses Thema? Wer eine einigermaßen dünne Haut hat, mag sich stark unter Druck gesetzt fühlen. Immerhin geht es nicht um Ansprüche von Menschen. Es geht um Gottes Ansprüche. Da mag mancher denken: Nun habe ich schon so viel Stress. Und immer kommt noch etwas dazu. Noch nicht einmal in der Kirche kommt man zur Ruhe. Da bekomme ich auch noch ein schlechtes Gewissen eingeredet. Es ist oft mehr belastende als befreiende Botschaft, es sind oft mehr Forderungen als Zusagen. Immer wieder bekommt man mehr oder weniger deutlich zu hören, dass man Sünder ist und so vieles verkehrt läuft, dass es nie reicht, was wir tun.

Wenn wir uns vor Augen halten, was in der Katechismuserklärung zu den einzelnen Geboten gesagt wird, kann uns das Gewissen umso mehr zu schaffen machen. Da wird nämlich mit allem Nachdruck darauf hingewiesen, dass es nicht nur um unser Tun und Lassen geht, auch nicht nur um unser Reden oder Schweigen. Da wird gesagt, dass es ebenso um unsere geheimen Gedanken und unsere Wünsche geht. Ganz radikal wird da nachgefragt: Wie sieht es darin mit der Befolgung des göttlichen Willens aus? Und die Zuspitzung erfolgt dadurch, dass bei allem nach der Liebe gefragt wird. Wie sieht es mit der Liebe aus - mit der Liebe zu Gott und mit der Liebe zum Nächsten? Sind unser Tun und Lassen, unser Reden und Schweigen, unser Denken und Wünschen davon geprägt?

Der Katechismus fasst zusammen, was Jesus zu den Geboten gesagt hat und was später die Apostel in seinem Namen darüber geschrieben haben. Das hat nichts mit übertriebener Gesetzlichkeit zu tun. Das ist schlicht und einfach das, was Gott von Anfang an mit seinen Geboten gewollt hat: Gott lieben über alles und den Nächsten wie dich selbst. Einfacher kann man es nicht sagen. Und schwieriger kann es nicht sein, wenn es um die Verwirklichung geht.

Deshalb ist die Frage schon ganz hilfreich, ob wir denn überhaupt in der Lage sind, die Gebote vollkommen zu halten. Und dann tut es enorm gut, wenn die Antwort ganz klipp und klar lautet: Nein, das können wir nicht. Wir selbst würden ja auf jeden Fall auch so antworten, aber dass der Katechismus das auch tut, das ist beruhigend. Auch die Frömmsten unter den Frommen können es nicht. Auch sie kommen zu Lebzeiten über einen geringen Anfang dieses Gehorsams nicht hinaus. Und wer wollte sich anmaßen, zu denen zu gehören?

Es darf ja nicht übersehen werden, dass es in der Frage heißt, ob auch die zu Gott Bekehrten das schaffen können. Von gläubigen Menschen wird ausgegangen, von denen man ja erheblich mehr erwarten kann als von anderen.
Niemand kann Gottes Willen vollkommen erfüllen. Auch die Gewissenhaftesten haben ihre Macken, auch die Vorsichtigsten treten in Fettnäpfchen, auch die Treusten sind vor Versagen nicht geschützt. Auch die Zurückhaltendsten verbrennen sich mal die Zunge. Und wenn es dann auch nicht im Tun und Lassen steckt, dann doch in den Gedanken, in der Fantasie. Perfekt ist eben keiner. Da soll jeder ganz ehrlich zu seinen Grenzen stehen und Unvollkommenheiten erkennen. Das entlastet, das hilft, um erleichtert durchzuatmen zu können.

Jetzt stellt sich allerdings die Frage: Was tun wir mit dieser Erkenntnis? Welche Schlüsse ziehen wir daraus? Das kann ja ganz unterschiedlich sein. Ich stelle mir jemanden vor, der sehr gewissenhaft und sensibel ist, dem deshalb solch ein entlastendes Wort gut tut. Er braucht solch ein Wort, um besser mit der Frage umgehen zu können, wie er als sündiger Mensch überhaupt vor Gott bestehen kann.

Ich stelle mir einen Menschen vor, der unter seiner Unvollkommenheit leidet, unter den Grenzen, an die er immer wieder stößt, der keinen Frieden damit finden kann, dass er nicht alles schafft, was er sich vorgenommen hat, dass er den Erwartungen nicht gerecht werden kann, die er an sich gerichtet sieht, der unter Schuldgefühlen leidet. Und er oder sie hört: Du kannst dem auch gar nicht gerecht werden. Das musst du auch nicht. Deine Seligkeit hängt nicht von deinem Tun und Lassen ab. Denn sonst hätte Christus nicht für dich ans Kreuz gehen müssen.

Das befreit, das entlastet. Das hilft, sich selbst annehmen zu können. Das hilft auch, andere Menschen besser annehmen zu können, barmherziger mit anderen und ihren Schwächen umzugehen.

Ich stelle mir einen ganz anderen Menschen vor, der es nicht so genau nimmt. Er hat kein besonders ausgeprägtes Gewissen. Er sieht es alles nicht so eng und hat keine Probleme damit, wenn es im Lebensalltag oft anders läuft, als es eigentlich sein sollte. Das ist für ihn einfach normal. Denn perfekt ist nun man niemand. Jeder muss mal zusehen, wie er am besten zurecht kommt. Es wird alles nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wird.

Und solch einer hört dann: Noch nicht einmal die Frömmsten können die Gebote vollkommen halten. Wie nimmt er das auf? Doch sicher als Bestätigung seiner Haltung. Wenn das sowieso nicht geht, dann ist es ja auch nicht so tragisch, wenn ich mal fünf gerade sein lasse. Dann muss mich das nicht belasten, wenn ich manches ziemlich locker sehe. Dann brauche ich mich auch nicht zu bemühen, das Ganze ernster zu nehmen. Ich muss ja nicht päpstlicher sein als der Papst. Ich will mich doch nicht als Superheiliger präsentieren. Wenn ich nicht alles halten kann, dann brauche ich es auch nicht zu versuchen.

Und guten Gewissens werden die Gebote den jeweiligen Verhältnissen angepasst. Für andere mögen sie ganz wichtig sein, aber in meinem Fall passt es einfach nicht so gut. Und dann sucht man sich aus, wen man in die Nächstenliebe einbezieht und wen nicht unbedingt. Dann sucht man sich aus, wem man eine Schuld vergibt und wem nicht, mit wem man ehrlich umgeht und mit wem nicht. Und so schlägt man Kapital aus seiner Unvollkommenheit, macht aus der Not eine Tugend.

Aber welche Rolle spielen sie dann noch, die Gebote und biblischen Weisungen? Dann werden sie ganz leicht zu einem wertvollen Traditionsgut, das in der Praxis aber keine Rolle mehr spielt. Dann sind sie nur noch im Gottesdienst vorkommende liturgische Stücke, die aber mit dem konkreten Leben nichts zu tun haben. Es sind liturgische Klänge so wie es mit manchen Liedertexten auch sein kann, aber sie berühren das Leben nicht wirklich.

Möglich ist auch, dass wir die alten Gebote vor allem für Andere als wichtig hören, dass wir es für wichtig halten, dass Andere sich möglichst danach richten, auch wenn wir uns selbst die Freiheit nehmen, uns darüber hinwegzusetzen. Denn für uns kann es ja nur gut sein, wenn andere ehrlich und
aufrichtig sind. Wir wollen ja schließlich nicht betrogen werden. Wir wollen uns auf Andere verlassen können. Für uns kann es ja nur gut sein, wenn Andere Liebe, Geduld und Barmherzigkeit an den Tag legen und Verantwortungs- bewusstsein zeigen.

Zuweilen wird aber vergessen, dass andere das von uns auch erwarten, dass es für sie auch gut ist, wenn wir die Gebote zum Maßstab unseres Handelns und unserer Einstellung machen.

Diese nüchterne Einsicht, dass wir Gebote nicht vollkommen halten können, will alles andere, als uns ein gutes Gewissen zu verschaffen, wenn wir oberflächlich werden und meinen, uns keine Mühe mehr geben zu brauchen, Gottes Willen in unserem Leben umzusetzen. Deshalb geht es in dieser Antwort auch noch weiter.

Menschen, die zu Christus gehören, die werden sich mit Verweis auf ihre Unvollkommenheit niemals um ihre Verantwortung herumdrücken können. Sie werden sie niemals als Alibi benutzen können für das, was bei ihnen nicht in Ordnung ist. Die Antwort geht nämlich weiter: Menschen, die zu Christus gehören, beginnen auf jeden Fall, mit fester Absicht nach Gottes Geboten zu leben. Und sie suchen sich nicht das Passende heraus. Sie bemühen sich, nach allen Geboten zu leben. Schließlich wissen sie von ihrer Befreiung. Sie vergessen nicht, dass sie Vergebung erfahren haben und zu einem neuen Glaubensgehorsam befreit und befähigt sind.

Zwar ist ihnen klar, dass sie unvollkommen sind und zeit ihres irdischen Lebens auch nie völlig frei sein werden von Schuld und Sünde. Aber sie wissen auch, dass sie nicht zum Sündigen verdammt sondern dass sie zur Freiheit berufen sind. Und so ist es für sie selbstverständlich, dass sie sich nach Kräften bemühen, Gottes Willen in ihrem Leben Wirklichkeit werden zu lassen. Damit fangen sie immer wieder an, und dabei geben sie nicht auf. Sie wissen, dass sie nicht perfekt sein müssen und können. Aber sie werden doch den Anspruch haben, ihr Christsein so glaubwürdig wie möglich zu gestalten.

Es geht dabei nicht um so was wie Perfektionismus, der sich selbst bewundert und von anderen bewundert werden will. Es geht schlicht und einfach um Dankbarkeit. Das ist ja die Linie des Heidelberger Katechismus aufgrund der biblischen Botschaft: All unser christliches Handeln geht aus der Dankbarkeit hervor. Sie ist das Motiv. Und Dankbarkeit kennt keine Grenzen, wenn es darum geht, sie zu zeigen. Wer von Herzen dankbar ist für Gottes Liebe und Gnade und für alles, was er gibt, der fängt nicht an zu rechnen und zu handeln. Der fragt
nicht, wie viel es denn wohl sein muss. Der denkt nicht über ein Mindestmaß nach, der legt alles in den Dank hinein.

Wie sich dieser Dank in der Praxis gestalten lässt, das zeigen uns Gottes Gebote. Und deshalb ist es auch wichtig, dass wie sie kennen und immer wieder hören. Sie sind wie ein Geländer, an dem wir uns entlang bewegen, das uns Halt und Lebensorientierung gibt.

Auch im Katechismus wird auf die Frage eingegangen, weshalb die Gebote für uns wichtig sind, auch wenn wir sie nicht vollkommen halten können. Da wird dann Folgendes dazu gesagt: Die Gebote erinnern uns daran, dass wir Sünder sind und dass wir Vergebung brauchen. Sie sind wie ein Spiegel, in dem wir uns selber erkennen und zwar ganz ungeschminkt. Und so treiben sie uns sozusagen in die Arme des Erlösers Jesus Christus.

Das Hören der Gebote treibt uns auch ins Gebet um die Gnade und Hilfe des Heiligen Geistes, damit es bei uns Lebenserneuerung gibt. Denn möglich ist die ja - aber eben mit Gottes Hilfe. Darum zu beten sollen wir nicht müde werden. Gott will sich nicht damit zufrieden geben, dass Schuld und Sünde immer wieder alles zerstören. Deshalb hat er ja seinen Sohn als Erlöser gesandt. Deshalb hat er ja das wieder hergestellt, was er sich einmal mit uns Menschen vorgestellt hat. Und er will, dass sich das immer mehr zeigt und durchsetzt.

Frage 115 sagt es so: „Dass wir je länger je mehr zum Ebenbild Gottes erneuert werden.“ Ebenbild Gottes sind wir laut Schöpfungsgeschichte, und das sollen wir immer wieder neu werden. Von Gott geschaffene Menschen, die in einem besonderen Verhältnis zu ihm stehen, die zur Gemeinschaft mit ihm geschaffen sind.

Vollkommenheit erreichen wir in dieser Zeit und Welt nicht. Aber das muss uns nicht entmutigen in unserem Bemühen. Es gibt schließlich noch mehr als diese Zeit und Welt. Gott hat noch mehr mit uns vor. Er hat sich ein ewiges Ziel mit uns Menschen gesetzt, das Ziel der Vollkommenheit nach diesem Leben. Da wird dieses Ebenbild sein dann auch wieder vollkommen in Geltung sein und auch sichtbar sein. Dieses Ziel mag uns Ansporn sein, im Glauben und auch in der Nachfolge nicht müde zu werden.

Gott will uns nicht als Perfektionisten, die verkrampft auf Vollkommenheit in diesem Leben aus sind. Wir dürfen uns annehmen mit unseren Grenzen und Schwächen. Gott verlangt nicht mehr von uns als wir können. Aber er erwartet von uns, dass wir es IHM zutrauen, uns zu verändern, unserem Glauben immer wieder neue Kraft zu geben, uns Mut zu machen, aus dem Glauben heraus Dinge zu wagen, die wir uns selbst nicht zutrauen würden.

Wer einfach sagt: Ich bin nun einmal so wie ich bin, ich kann nicht anders,
der verleugnet, was Jesus für ihn getan und aus ihm gemacht hat.
Und der denkt zu gering von der erneuernden Kraft des Heiligen Geistes.
Und der wird auch wohl kaum darum beten.
Amen

Gehalten im Juli 2010 in der Ev.-altref. Kirche Wilsum