Heidelberger Katechismus Frage ...
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Die 129 Fragen des Heidelberger Katechismus - ohne die Antworten!
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1. Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben?

2. Was musst du wissen, damit du in diesem Trost selig leben und sterben kannst?

3. Woher erkennst du dein Elend?

4. Was fordert denn Gottes Gesetz von uns?

5. Kannst du das alles vollkommen halten?

6. Hat denn Gott den Menschen so böse und verkehrt erschaffen?

7. Woher kommt denn diese böse und verkehrte Art des Menschen?

8. Sind wir aber so böse und verkehrt, dass wir ganz und gar unfähig sind zu irgendeinem Guten und geneigt zu allem Bösen?

9. Tut denn Gott dem Menschen nicht Unrecht, wenn er in seinem Gesetz etwas fordert, was der Mensch nicht tun kann?

10. Will Gott diesen Ungehorsam ungestraft lassen?

11. Ist denn Gott nicht auch barmherzig?

12. Wenn wir also nach dem gerechten Urteil Gottes schon jetzt und ewig Strafe verdient haben, wie können wir dieser Strafe entgehen und wieder Gottes Gnade erlangen?

13. Können wir aber selbst für unsere Schuld bezahlen?

14. Kann aber irgendein Geschöpf für uns bezahlen?

15. Was für einen Mittler und Erlöser müssen wir denn suchen?

16. Warum muss er ein wahrer und gerechter Mensch sein?

17. Warum muss er zugleich wahrer Gott sein?

18. Wer ist denn dieser Mittler, der zugleich wahrer Gott und ein wahrer, gerechter Mensch ist?

19. Woher weißt du das?

20. Werden denn alle Menschen wieder durch Christus gerettet, so wie sie durch Adam verloren gegangen sind?

21. Was ist wahrer Glaube?

22. Was ist für einen Christen notwendig zu glauben?

23. Wie lautet dieses Glaubensbekenntnis?

24. Wie wird das Glaubensbekenntnis eingeteilt?

25. Warum nennst du denn drei: den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist, wo doch Gott nur einer ist?

26. Was glaubst du, wenn du sprichst: „Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer Himmels und der Erde“?

27. Was verstehst du unter der Vorsehung Gottes?

28. Was nützt uns die Erkenntnis der Schöpfung und Vorsehung Gottes?

29. Warum wird der Sohn Gottes Jesus, das heißt „Heiland“ genannt?

30. Glauben denn auch die an den einzigen Heiland Jesus, die Heil und Seligkeit bei den Heiligen, bei sich selbst oder anderswo suchen?

31. Warum wird er Christus, das heißt „Gesalbter“ genannt?

32. Warum wirst aber du ein Christ genannt?

33. Warum heißt Jesus Christus „Gottes eingeborener Sohn“, da doch auch wir Kinder Gottes sind?

34. Warum nennst du ihn „unseren Herrn“?

35. Was bedeutet: „Empfangen durch den heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria“?

36. Was nützt es dir, dass er durch den heiligen Geist empfangen und von der Jungfrau Maria geboren ist?

37. Was verstehst du unter dem Wort „gelitten“?

38. Warum hat er unter dem Richter Pontius Pilatus gelitten?

39. Bedeutet sein Tod am Kreuz mehr, als wenn er eines anderen Todes gestorben wäre?

40. Warum hat Christus den Tod erleiden müssen?

41. Warum ist er begraben worden?

42. Warum müssen wir noch sterben, obwohl Christus für uns gestorben ist?

43. Welchen weiteren Nutzen haben wir aus Opfer und Tod Christi am Kreuz?

44. Warum folgt „abgestiegen zu der Hölle“?

45. Was nützt uns die Auferstehung Christi?

46. Wie verstehst du, dass es heißt „aufgefahren in den Himmel“?

47. Ist denn Christus nicht bei uns bis ans Ende der Welt, wie er uns verheißen hat?

48. Werden aber auf diese Weise nicht Gottheit und Menschheit in Christus voneinander getrennt, wenn er nach seiner menschlichen Natur nicht überall ist, wo er nach seiner Gottheit ist?

49. Was nützt uns die Himmelfahrt Christi?

50. Warum wird hinzugefügt „er sitzt zur Rechten Gottes“?

51. Was nützt uns diese Herrlichkeit unseres Hauptes Christus?

52. Was tröstet dich die Wiederkunft Christi, „zu richten die Lebenden und die Toten“?

53. Was glaubst du vom heiligen Geist?

54. Was glaubst du von der „heiligen allgemeinen christlichen Kirche“?

55. Was verstehst du unter der „Gemeinschaft der Heiligen“?

56. Was glaubst du von der „Vergebung der Sünden“?

57. Was tröstet dich die „Auferstehung der Toten“?

58. Was tröstet dich die Verheißung des ewigen Lebens?

59. Was hilft es dir aber nun, wenn du das alles glaubst?

60. Wie bist du gerecht vor Gott?

61. Warum sagst du, dass du allein durch den Glauben gerecht bist?

62. Warum können denn unsere guten Werke uns nicht ganz oder teilweise vor Gott gerecht machen?

63. Verdienen aber unsere guten Werke nichts, obwohl Gott sie doch in diesem und dem zukünftigen Leben belohnen will?

64. Macht aber diese Lehre die Menschen nicht leichtfertig und gewissenlos?

65. Wenn nun allein der Glaube uns Anteil an Christus und allen seinen Wohltaten gibt, woher kommt solcher Glaube?

66. Was sind Sakramente?

67. Sollen denn beide, Wort und Sakrament, unseren Glauben auf das Opfer Jesu Christi am Kreuz als den einzigen Grund unserer Seligkeit hinweisen?

68. Wieviel Sakramente hat Christus im Neuen Testament eingesetzt?

69. Wie wirst du in der heiligen Taufe erinnert und gewiss gemacht, dass das einmalige Opfer Christi am Kreuz dir zugut kommt?

70. Was heißt, mit dem Blut und Geist Christi gewaschen sein?

71. Wo hat Christus verheißen, dass wir so gewiss mit seinem Blut und Geist wie mit dem Taufwasser gewaschen sind?

72. Ist denn das äußerliche Wasserbad selbst die Abwaschung der Sünden?

73. Warum nennt denn der Heilige Geist die Taufe das „Bad der Wiedergeburt“ und die „Abwaschung der Sünden“?

74. Soll man auch die kleinen Kinder taufen?

75. Wie wirst du im heiligen Abendmahl erinnert und gewiss gemacht, dass du an dem einzigen Opfer Christi am Kreuz und allen seinen Gaben Anteil hast?

76. Was heißt, den gekreuzigten Leib Christi essen und sein vergossenes Blut trinken?

77. Wo hat Christus verheißen, dass er die Gläubigen so gewiss mit seinem Leib und Blut speist und tränkt, wie sie von diesem gebrochenen Brot essen und von diesem Kelch trinken?

78. Werden denn Brot und Wein in Leib und Blut Christi verwandelt?

79. Warum nennt denn Christus das Brot seinen Leib und den Kelch sein Blut oder nennt den Kelch den neuen Bund in seinem Blut, und warum spricht Paulus von der Gemeinschaft des Leibes und Blutes Jesu Christi?

80. Was ist für ein Unterschied zwischen dem Abendmahl des Herrn und der päpstlichen Messe?

81. Welche Menschen sollen zum Tisch des Herrn kommen?

82. Dürfen aber zum heiligen Abendmahl auch solche zugelassen werden, die sich in ihrem Bekenntnis und Leben als Ungläubige und Gottlose erweisen?

83. Was ist das Amt der Schlüssel?

84. Wie wird das Himmelreich durch die Predigt des heiligen Evangeliums auf- und zugeschlossen?

85. Wie wird das Himmelreich durch die christliche Bußzucht zu- und aufgeschlossen?

86. Da wir nun aus unserm Elend ganz ohne unser Verdienst aus Gnade durch Christus erlöst sind, warum sollen wir gute Werke tun?

87. Können denn auch die selig werden, die sich von ihrem undankbaren, unbußfertigen Leben nicht zu Gott bekehren?

88. Worin besteht die wahrhaftige Buße oder Bekehrung des Menschen?

89. Was heißt Absterben des alten Menschen?

90. Was heißt Auferstehen des neuen Menschen?

91. Was sind denn gute Werke?

92. Wie lautet das Gesetz des HERRN?

93. Wie werden diese Gebote eingeteilt?

94. Was fordert der Herr im ersten Gebot?

95. Was ist Götzendienst?

96. Was will Gott im zweiten Gebot?

97. Darf man denn gar kein Bild machen?

98. Dürfen denn nicht die Bilder als „der Laien Bücher“ in den Kirchen geduldet werden?

99. Was will Gott im dritten Gebot?

100. Ist es denn eine so schwere Sünde, Gottes Namen mit Schwören und Fluchen zu lästern, dass Gott auch über die zürnt, die nicht alles tun, um es zu verhindern?

101. Darf man aber überhaupt bei dem Namen Gottes einen Eid schwören?

102. Darf man auch bei den Heiligen oder anderen Geschöpfen schwören?

103. Was will Gott im vierten Gebot?

104. Was will Gott im fünften Gebot?

105. Was will Gott im sechsten Gebot?

106. Redet denn dieses Gebot nur vom Töten?

107. Haben wir das Gebot schon erfüllt, wenn wir unseren Nächsten nicht töten?

108. Was will Gott im siebenten Gebot?

109. Verbietet Gott in diesem Gebot allein den Ehebruch?

110. Was verbietet Gott im achten Gebot?

111. Was gebietet dir aber Gott in diesem Gebot?

112. Was will Gott im neunten Gebot?

113. Was will Gott im zehnten Gebot?

114. Können aber die zu Gott Bekehrten diese Gebote vollkommen halten?

115. Warum lässt uns Gott denn die zehn Gebote so eindringlich predigen, wenn sie doch in diesem Leben niemand halten kann?

116. Warum ist den Christen das Gebet nötig?

117. Was gehört zu einem Gebet, damit es Gott gefällt und von ihm erhört wird?

118. Was hat uns Gott befohlen, von ihm zu erbitten?

119. Wie lautet dieses Gebet

120. Warum hat uns Christus befohlen, Gott so anzureden: „Unser Vater“?

121. Warum wird hinzugefügt: „im Himmel“?

122. Was bedeutet die erste Bitte: „Geheiligt werde dein Name“?

123. Was bedeutet die zweite Bitte: „Dein Reich komme“?

124. Was bedeutet die dritte Bitte: „Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden“?

125. Was bedeutet die vierte Bitte: „Unser tägliches Brot gib uns heute“?

126. Was bedeutet die fünfte Bitte: „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern“?

127. Was bedeutet die sechste Bitte: „Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen“?

128. Wie beschließt du dieses Gebet: „Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit“?

129. Was bedeutet das Wort: „Amen“?

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Frage 1

Predigt von Prof. Dr. Gerrit Neven, Kampen NL

Was brauchen wir wirklich?

Liebe Gemeinde,

I Was der Katechismus meinte: Gottes Treue zu betonen

Als Lehrbuch enthält der Heidelberger Katechismus viele Fragen und Antworten. Betrachtet man den Katechismus näher, so ergibt sich: Nur eine Frage schwingt wie eine feste Stimme, ein cantus firmus, in allem mit. Diese Frage lautet schlicht und einfach: Was brauchen wir wirklich?
Diese Frage wird ganz am Anfang des Katechismus auf unvergessliche Weise gestellt. Die Frage Was brauchen wir wirklich? stellt der Katechismus mit den berühmten Worten Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben? Der Katechismus antwortet: „Ohne Gott als Hilfe und Bündnispartner ist der Mensch nichts. Gott ist das, was kein Mensch, auch der am meisten geliebte, sein kann. Vater, Mutter, Hirt(e), Reisegefährte ist er – und das bei Tag und bei Nacht. Was auch immer der Fall ist, ob nun Chaos oder Zerfall, ob nun Versagen oder Selbstmitleid – der Mensch wird von Gott gesehen, und er wird von Gott als Mensch gesehen. Er wird gesehen als Mensch Gottes, das Eigentum seines Schöpfers, der ihn vom Chaos erobert.
Das ist der Ton, der vom Anfang klingt und der anhält. Es ist ein Ton der Treue, würde ich sagen. Nicht nur bei der ersten Frage, nicht nur in der ersten Antwort, sondern auch in allen weiteren Fragen und Antworten.) Und genau diesen Ton der Treue wollte ich an diesem Sonntag mit den Lesungen aus Jesaja 51 und 2. Kor. 1 unterstreichen. Unser einziges Verlangen kann nur gerichtet sein auf einen Gott, unser einziger Trost kann nur gefunden werden in einem Gott, der treu ist. Getreu seiner Schöpfung, getreu seiner Menschen, sich selbst getreu. Dies ist die unvergessliche biblische Wahrheit.
Der Katechismus spricht von Treue und also gerade nicht von etwas Nebensächlichem oder Beiläufigem. Nein, er spricht von dem, wodurch der Mensch im Leben und im Sterben getragen wird – fortwährend getragen. Wegen dieser Betonung des Wesentlichen, des Bleibenden, ist an der christlichen Religion etwas Universelles – etwas, was jedem Menschen – egal wann und wo – gilt. Dies ist die Wahrheit, die wie Frage 1 des Heidelberger Katechismus besagt, in Christus Jesus ist. Weil es ums Wesentliche geht, ist heute auch noch ausreichend Grund da, um über den Katechismus nachzudenken. Darum ist der Katechismus weiterhin ein fesselndes, anregendes Ding.


II Was in vielen Köpfen hängen blieb: Gottes betonte Strenge

Und dies verfolgt der Katechismus mit dem stärkst möglichen Kontrast. Gottes Treue ist mit der ersten Frage und der ersten Antwort skizziert. Und nun folgt das Stück des Elends. Der Heidelberger geht mit einer Reihe von drängenden Fragen weiter. Die Fragen 1 und 2 schlagen noch die höchstmögliche Gewissheit vor, aber die Fragen und Antworten, die darauf folgen, drücken Entwurzelung und Elend aus. Es wird eine Situation geschildert, in der der Mensch hoffnungslos den Nebel betritt. Ja, der Mensch droht wohl in Nacht und Nebel gänzlich zu verschwinden. Und schlimmer noch: In dieser Nacht gibt es vorerst keinen Helfer, der den schwankenden Mensch festhält. So wird der Punkt der Geborgenheit sofort mit einem schroffen Kontrapunkt konfrontiert.
Wozu dieses Menschenbild geführt hat, ist bekannt. Es führte zu einer absolut entmutigenden Predigt: Gut zu „Menschen", ein guter Mensch zu sein – das gelingt ... keinem! Und auch die Folgen von solchen Predigten sind bekannt: Ein negatives Bild vom Menschen, und ein negatives Selbstbild dazu! Verzweiflung an den eigenen Möglichkeiten. Minderwertigkeitsgefühle, die man nie verliert. Depressivität als Produkt eines gequälten Gewissens. Das Gesetz Gottes, sagt der Katechismus, „ist gut“. Ich, ich aber kann nicht gut tun! Und Gott? Es wird gesagt, dass Gott gerecht ist, aber er ist auch streng. Dieser Gott duldet kein Defizit, keinen Fehler oder menschliches Versagen. Er, Gott, sagt der Katechismus, „zürnt schrecklich“ – über die Sünden.
Man sagt zwar, dass Gott auch eine andere Seite, eine freundliche Seite hat. So drastisch aber schreibt der Katechismus, dass man das gar nicht ernst zu nehmen zu können scheint! „Ist denn Gott nicht auch barmherzig?“, so lautet Frage 11. Ja, steht dann in der Antwort, er ist auch barmherzig. Das Problem ist aber die Frage. Bei ihr bekommt man schon kein gutes Gefühl. Es schaut so aus, als hielte Gott noch irgendwo ein Schlupfloch bereit, und nicht viel mehr. Ich weiß, ich übertreibe. Dies ist eine Karikatur, eine falsche Skizze, die dem Blasphemischen sehr nahe kommt. So ist es gewiss vom Heidelberger Katechismus nicht gemeint worden. Und doch muss diese Karikatur meiner Meinung nach erwähnt werden. In den Niederlanden wird fast keine reformierte Familie gefunden, in der nicht mindestens einer von diesem Bild des Menschen und von dieser göttlichen Strenge gefärbt, ja gebrandmarkt worden ist.
Vielerorts, kann man schlicht und einfach feststellen, ist unter Einfluss des Katechismus etwas sehr falsch gegangen. Der Hirte, die Mutter, der Tröster – sie wurden vielerorts vergessen.

III Was man zunächst nicht sieht: der Katechismus skizziert des Menschen Elend, möchte auf diese Weise aber genau das Gegenteil, des Menschen ursprüngliche Geschöpflichkeit hervorheben.

Eine Lösung wäre es darum wohl zu sagen: „Liebe Leute. Mit diesem Katechismus können und müssen wir nicht viel mehr anfangen. Zu stark ist er geprägt von einem negativen Menschbild und zu stark von dem Bild eines Gottes, der vor allem Interesse hat an seinem Recht – ein Gottes also, der den Menschen nicht eindeutig in seinem Herzen geschlossen hat.“ Das zu sagen, wäre die einfachste Lösung, aber wohl auch eine zu einfache Lösung. Ich habe einen anderen Vorschlag – ein Vorschlag, mit dem ich den Katechismus doch zu würdigen versuche.
Kehren wir darum zurück zum ersten Satz der Predigt, zur Frage: Was brauchen wir wirklich? Die Antwort des Katechismus in Frage 2 besagt: Wir brauchen einen Gott, der Liebe ist und der Liebe gebietet. Wir brauchen umgekehrt einen Menschen, der Gott mit Liebe gehorcht. Wir brauchen also einen Menschen, der Gott und den Nächsten liebt. Und dann stellen wir mit dem Katechismus fest: Was wir beobachten scheint so häufig nichts als Elend zu sein! Wie können wir die gebotene Liebe und das, was wir beobachten, mit einander in Einklang bringen? Hören wir auf die Theologen der Reformation. Die redeten über das Böse im Menschen nicht sanft und soft. Calvin sagte zum Beispiel: Es gibt eine Art Gift im Menschen von Geburt an. Es lauert ein Hass im Menschen, der zu vielen Formen des Totschlags führen kann. Jeden Tag leiden wir leiden unter den Folgen.
Und diese Beobachtung, würde ich sagen, stimmt. Sie steht aber offen für Missverständnisse. Es wird uns nicht aufgetragen, das Elend zu observieren und die Dinge in dunklen Farben zu malen. Die Frage – die einzige Frage, sagt der Katechismus – ist was wir unter solchen Umständen wirklich brauchen. Wer ist der Mensch, der wir sein dürfen? Wer ist der Mensch, der all diesen Dunkelheiten voraus ist? Und so lautet die Antwort auf Frage 6: „Gott hat den Menschen gut und nach seinem Ebenbild erschaffen, das bedeutet laut 1. Mose 1, 26.27: Er hat ihn wahrhaft gerecht und heilig geschaffen, damit er Gott, seinen Schöpfer, recht erkenne, von Herzen liebe und in ewiger Seligkeit mit ihm lebe, ihn zu loben und zu preisen.“
Gott, die gute Schöpfung. Das ist Fokus hier, das ist die Position, die von dem Katechismus gewählt wurde. Er hat uns geschaffen! Lass nicht zu, dass deine Augen sich mit Negativitäten füllen! Mit Dollarzeichen und Sex-Bildern ist uns nicht geholfen. Deine Augen, die Augen des Glaubens, schauen weiter und schauen schärfer. Der Blick ist nicht ins Unendliche gerichtet, sondern wird geschärft zu sehen, was da wirklich zu sehen ist. Unsere Augen zu schärfen für den Menschen hinter den tagtäglichen Fakten – dazu brauchen wir so etwas wie ein Katechismus. Schade nur, dass diese Funktion nicht immer wahrgenommen wurde.


IV Der erworbene, der entrungene Mensch

Das Allerwichtigste für uns nach 450 Jahren ist: Uns an die eine – lieber: an die einzige - Frage zu halten. Was ist das Wesentliche? Wir werden sehen, dass wir diese Frage vor allem an uns selbst zu richten haben. Lassen Sie uns den Weg, womit der Katechismus anfängt – ihr einziger Trost usw. – lassen Sie uns diesen Weg bis in die Entfremdung und ins Elend hinein noch einmal verfolgen.
Der Einsatz, die Eröffnung, könnte nicht deutlicher sein. Wir gehören Gott und Jesus Christus. Wir sind „sein Eigentum“. Vorher sagte ich: Ohne Gott als Hilfe ist der Mensch nichts. Wem gehören wir? Wer hat uns für Gott erworben? Die Antwort lautet: Jesus Christus.
Das Verb erwerben ist ein zutiefst biblisches Wort. Man findet es z.B. in der Apostelgeschichte, im Vers 20, 28. Paulus ruft dort die Ältesten auf, die Gemeinde, die Gott durch sein eigenes Blut „errungen“ hat, zu weiden. Im Epheserbrief, im Vers 1, 14, wird von der Gemeinde gesagt das sie von Gott „erworben“ ist. Wieder also das Wort „Errungenschaft“. Die Gemeinde ist „erworben“, besser noch dem Chaos ist sie entrungen! Das Wort deutet auf eine intensive Arbeit hin. Es deutet darauf hin, dass die Gemeinde der Leere und dem Chaos entrückt ist. So ist Gott als Schöpfer da, so ist er präsent. Er trug uns durch die Tiefe hindurch, wird in einer niederländischen Psalmverdichtung gesungen – als etwas das heute geschieht. Gott, der Gott unseres Lebens, hat sich mit uns versöhnt. Und deshalb sind wir in dem Elend nicht zuhause. Das Elend ist schon hinter uns. Von diesem Gedanke lebt der Glaube. Der Unglaube aber muss das Elend – gelassen oder auch nicht – schlicht akzeptieren. Die griechischen Philosophen kennen keine Tröster.
[Dass wir in dem Elend nicht zuhause sind, wird in der hebräischen Bibel, im Alten Testament, bereits vom Anfang gesagt. Ich nenne insbesondere die Psalmen. Sehr eindringlich wird auch darüber geredet in Jesaja. Es ist jüdisches Erbe, von dem die christliche Tradition genährt wird. „Der Herr tröstet Zion, er tröstet alle ihre Trümmer und macht ihre Wüste wie Eden und ihr dürres Land wie den Garten des Herren, dass man Wonne und Freude darin findet, Dank und Lobgesang.“, heißt es in Jesaja 51,31. Das jüdische Erbe erinnert uns daran, dass wir keine Gefühle brauchen. Nein, wir brauchen Gewissheiten, vor allem die Gewissheit, dass die Trümmer der Stadt getröstet werden, dass die Wüste kreativ zu einer Oase umgestaltet wird. Das jüdische Volk wurde seelisch nur von dem Wissen um die Rückkehr aus dem Exil aufrechterhalten.
Es sollte von daher auch keine Überraschung sein, dass der jüdische Messias den Namen Menachem, Tröster also, trägt. Dasjenige, wovon wir vorher in Besitz genommen wurden, das ist fini, vorüber … Die Vertriebenen sind bereits nach Hause, ja schon angekommen! Die Gefangenen sind schon entlassen. Wie unendlich und universal, diese Verheißung ist, lehrt das Evangelium. Ich brauche – neben der Seligpreisung der Trauernden- nur Namen zu nennen: Bartimäus, Thomas (der Fürst der Zweifler), Lazarus (der dem Tode Entrückte), Zachäus (der Gefangene vom Elend des Kapitals) – sie erheben sich aus ihren Ketten.
Sie präsentieren – jeder für sich – die Welt Gottes in all seinen Dimensionen. Zu diesem Zweck sind sie erschaffen: Gut und nach seinem Ebenbild. Damit fängt es an. Und so findet gerade im Stück des Elends eine überraschende Konzentration statt. Wer bin ich, hier auf Erden, im Elend: Von Jesus Christus ergriffen. Dasjenige, von dem ich in Bann gehalten wurde, lässt mich gehen, kann ich gehen lassen. So sind also wir Menschen: Wir sind in Bewegung gesetzt. Eine beunruhigende Wahrheit. Es ist kaum zu glauben. „Wie furchtsam wankten meine Schritte“, heißt es in einer Kantate Bachs. Die Enteignung, die stattgefunden hat, besagt: „Ich bin nicht mehr der, der ich war,“ Ich habe „in gewagtem Glaube“ Neuland betreten. Es geht auch weniger klassisch. Nehmen wir statt Bach Bob Dylan. Der singt:, „Aw, how, does it feel to be on your own? With no direction home? Like a complete unknown? Like a rolling stone?“
Ist das der Mensch, erschaffen nach dem Bilde Gottes? Ich denke schon. Ja, das ist er – wieder. Der Mensch, der entkommen, entrungen von Gott erworben, erneut auf sich selbst gestellt ist. On his own. Ich beziehe mich noch einmal auf den Epheserbrief, der auch im Katechismus genannt wird. Die Gemeinde – die Erwählten Gottes – sind sein Eigentum. Im Griechischen steht da: sein parapoiésis. Darin ist das Verb „Tun“ versteckt. Gott „tut“, er „wirkt“. Da ist sehr intensiv an uns gearbeitet worden.
Nicht immer erkennbar vielleicht? Nein, in der Tat. Was wird das Ergebnis dieser Schöpfungen sein? Sehen wir das finale Ergebnis des Werkes Gottes – der wie ein Bildhauer tätig ist – bereits vor uns? Nein, aber wir fangen an, es zu sehen. Das Bild von Gott, es wächst, es ist schon in unserer Vorstellung da. Der Mensch, erneut auf sich selbst gestellt ist. On his own. Der Mensch, again like a rolling stone. Aber, ist das keine reine Fiktion? Nein, es ist eine Inspiration des Glaubens. Der Glaube weiß schon, was es heißt ein Geschöpf zu sein. Der Glaube trägt seine eigene Gewissheit in sich. Diese sagt uns, dass wir dazu geeignet sind, Bild Gottes zu sein – und es erneut zu werden.

Und dass die Kraft, von der wir geführt werden, nicht unser Geheimnis, sondern das Geheimnis des Geistes Gottes selber ist. Amen.


Prof. Dr. Gerrit Neven, Kampen NL
(Predigt im Gottesdienst am 13. Jan. 2013 in der Französisch-reformierten Kirche in Frankfurt am Main)


Aleida Siller