Wichtige Marksteine
Reformierte im Spiegel der Zeit
Geschichte des Reformierten Bunds
Geschichte der Gemeinden
Geschichte der Regionen
Geschichte der Kirchen
Biografien A bis Z
(1516-1590)
Girolamo Zanchi wurde am 2. Februar 1516 in der italienischen Stadt Alzano in der Nähe von Bergamo als Sohn des Anwalts und Geschichtsschreibers Francesco Terenzi Zanchi geboren. In Bergamo studierte er die klassischen Sprachen und trat 1531in die Kongregation der regulierten Augustiner-Chorherren ein. Bei diesen verbrachte er die folgenden zehn Jahre mit dem Studium der klassischen Sprache, des Aristoteles und der Scholastiker.
Im Jahre 1541 wurde Zanchi nach Lucca entsandt. Dort wurde er von Peter Martyr Vermigli in das Studium der Kirchenväter eingeführt und erhielt über diesen einen Einblick in die Schriften der deutschen und schweizerischen Reformatoren.
1550 floh er aus Italien, da er der Ketzerei verdächtig war und unter Beobachtung der Inquisition stand. Zehn Monate hielt er sich in Genf auf, wo er die Vorlesungen und Predigten Calvins hörte. In den folgenden Jahren hielt er sich als Flüchtling in der zum Freistaat Gemeiner Drei Bünde gehörenden Chiavenna und danach in Genf auf. In Chiavenna geriet er in den Streit mit dem Antitrinitarier und Täufer Camillo Renato.
1553 wurde er Professor für Altes Testament in an der Akademie in Strassburg. Diese Stelle musste er jedoch im Jahre 1563 aufgeben, da er mit seiner ausgesprochen reformierten Theologie in den Gegensatz zu seinem lutherischen Kollegen Johannes Marbach geriet. Der heftige Streit der beiden Theologen ging um die Frage des Abendmahls und der Prädestination. Er kehrte nach Chiavenna zurück, wo er erneut in den lange andauernden Streit mit den Antitrinitariern geriet.
1564 wurde er in die Evangelisch-rätische Synode aufgenommen und erhielt vor allem Unterstützung von Bullinger für seine Arbeit. Dennoch gab er 1567 das Pfarramt auf und wurde im folgenden Jahr von Kurfürst Friedrich III. als Theologieprofessor nach Heidelberg berufen. Mit dieser Berufung begann für Zanchi die fruchtbarste Periode seiner wissenschaftlichen Arbeit. Schon sehr bald hat er sich einen hervorragenden Ruf als Theologe erworben und wurde in ganz Europa als Gutachter in Fragen der Lehre und der Kirchenzucht herangezogen.
Nach dem Tode Friedrichs und dem Regierungsantritt seines Sohnes Ludwig, der sich zum Luthertum bekannte, verlor Zanchi wie die anderen reformierten Professoren ihre Stelle und er wurde von dessen reformierten Bruder, dem Pfalzgrafen Johann Casimir von Pfalz-Lautern als Professor an die Hohe Schule nach Neustadt a. d. Haardt berufen. Dort übernahm er die Professur für Neues Testament. Hier wirkte er bis zu seinem Tode. Als die reformierten Professoren nach dem Tode Ludwigs wieder nach Heidelberg zurückkehrten, verzichtete Zanchi wegen seines Alters auf eine Rückkehr. Er verstarb am 9. November 1590 während eines Besuches in Heidelberg und wurde in der dortigen Universitätskirche beigesetzt.
Zanchi stand in seiner Theologie der Calvins und Bullingers sehr nahe. Seine wissenschaftliche Arbeit lag vor allem auf dem Gebiet der Erforschung des Alten Testaments. Daneben gehört er zu den wichtigsten Vertretern des Aristototelismus im 16. Jahrhundert. Er hinterließ zahlreiche Schriften, die nur teilweise im Druck erschienen sind. Seine Söhne und Schwiegersöhne begannen bald nach seinem Tode mit der Sammlung seiner Werke und Briefe, die 1619 unter dem Titel »Zanchii Omnia Opera Theologica« im Jahre 1619 in Genf erschien.
Werke:
- Compendium praecipuorum capitum doctrinae christianae (um 1550), in: Omnia Opera Theologica», Bd. III, Genf 1619;
- Aristotelis de naturali auscultatione seu de principiis, Straßburg 1554; De dessidio in coena Domini, 1564; Miscellanea theologica, Genf 1566
- De tribus elohim, Genf 1573; De aperiendis in ecclesia scholis, deque opera sacrarum literarum studiis cumprimis danda. Oratio: in schola neostandiana habita, Neapel 1579
- De Die natura et de tribus elhoim Patre, Filio et Spiritu Sancto, uno eodemque Jehova, Genf o. J.; De religione Christianae fides, 1586
- Omnum operum theologicorum tomi octo, 3 Bände, Genf 1619.
Quelle: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Verlag Traugott Bautz; mit freundlicher Genehmigung des Verlags
Michael Trowitzsch: Karl Barth heute
Worte zu einem Buch, das viele sprechen lässt. Von Barbara Schenck
Das trotzige „Dennoch“ der christlichen Hoffnung, – Jesu Christi „Ich lebe – und ihr sollt auch leben!“ (Joh 14,19) –, ist eine Hoffnung, die zu verstehen ist nur durch Kreuz und Auferstehung Jesu Christi, in der Verheißung seiner endgültigen Wiederkunft und durch „das dem Glauben an Jesus zugesagte und in ihm realisierte Sein des Menschen ‚mit ihm’“. So zehren der Trotz des Glaubens und Trotz der Hoffnung „von der Licht- und Lebens- und Daseinsfülle der Auferweckung“ und stehen inmitten der irdischen Geschichte: „Verschiedene Lichtarten – nicht zuletzt prophetischen Lichts – fließen dort zusammen: eine Mehrfachbelichtung, ein ‚glorreiches Ineinander der Lichter / der Schatten, der Dinge, der Farben.’ [Robert Gernhard]“ (Trowitzsch, 488).
Achtsam in weite Sprachräume
Hinein in Stimmen aus Philosophie, Lyrik und Prosa, namentlich genannt seien Franz Kafka, Martin Heidegger, Theodor W. Adorno, George Steiner, Elias Canetti, Botho Strauss, eher am Rande neben vielen anderen auch Ingeborg Bachmann und Christa Wolf, stellt Michael Trowitzsch die Sätze des großen Theologen des 20. Jahrhunderts. Achtsam im Umgang mit dem Dichten und Denken der anderen findet Trowitzsch eine Sprache, die die Worte aus Philosophie und Dichtkunst nicht vereinnahmt für das Anliegen theologischer Sätze und nicht abschwächt die Dringlichkeit dessen, was der Theologe Barth sagen wollte und weitere Generationen bekennender Christinnen und Christen zu sagen haben.
Was trägt dieses Theologie-Sprechen aus für ein Ringen mit, das Nachdenken über und das Weitergehen mit dem Denken Karl Barths? Ein weiter Sprachraum wird geöffnet. Die Sätze des Theologen fangen an dichterisch zu leuchten, von Neuem des Menschen Herz zu berühren und Gottes Herrlichkeit zu preisen.
Im Grundsetzenden fest, im Detail schön
Sorgsam gegliedert ist das theologische Buch von der Bestimmung des Standortes über die Grundlagen der Hermeneutik und exegetische Prinzipien hin zur Gottes- und Versöhnungslehre, weiter über Dankbarkeit und Dank zur Eschatologie und „über die Moderne hinaus“, zum „Ruf nach vorwärts“; dabei unter jedem „Thema“ die Konzentration auf die Mitte, auf Jesus Christus, auf das Eigentliche, die frohe Botschaft. Und: in aller „Festigkeit im Grundsätzlichen“ Schönheit im Detail, in manch einem Satz gar betörende Schönheit: „Beizeiten zu leben – um das zunächst sehr summarisch vorwegzunehmen –, das bedeutet, ganz der Erde treu, der Schöpfung treu, doch coram deo zu existieren, im Angesicht Gottes, unter seinen gegenwärtig machenden Augen, augenblicklich also und in diesem Sinne heutig zu leben, im Glauben, dem seltsamen, haltbar gemachten Augen-Glück, dem Heute-Glück. Vielleicht hat, noch einmal Kafka Ähnliches vor Augen, wenn er 1911 in seinem Tagebuch notiert: „– im letzten Jahr bin ich nicht mehr als fünf Minuten lang aufgewacht –“ (Trowitzsch, 361).
Anfang und Ziel theologischer Existenz: die Predigt
Verstand Karl Barth seine theologische Existenz von der Situation „des Pfarrers am Sonntagmorgen“ aus, liegt es nahe, immer wieder auch den predigenden Barth zu Gehör zu bringen, sagen zu lassen „Was genügt“, wie in seiner Predigt zu 2. Korinther 12,9 am 31. Dezember 1962 in der Strafanstalt Basel: „Ich darf aber frank und frei und auch fröhlich zugeben, dass die vier Wörtlein ‚Meine Gnade genügt dir’ viel mehr und sehr viel Besseres sagen als der ganze Papierhaufen, mit dem ich mich da umgeben habe.“ (Zitiert nach: Trowitzsch, 538). Und Trowitzsch mit seinen Worten: „Der von sich sagt ‚Meine Gnade genügt dir!’ (2Kor 12,9), spricht von dem Umfassenden und Fürsorglichen, das nur er geben kann, von der ganzen Wahrheit, die die Erlösung schon in sich schließt, von seiner Person.“ (Trowitzsch, 367). Sätze „systematischer Theologen“, die beim Lesen verlocken zum und hineinziehen in das eigene Predigen.
„Was ein kurzer Psalm verspricht, / kann auch ein Aphoristiker / nicht einhalten.“ schreibt der Lyriker Elazar Benyoëtz. Was das Evangelium verspricht, kann auch ein Theologe nicht einhalten, aber dies weiter zu sagen, erkennbar, ja spürbar zu machen, das vermochte ein großer Denker wie Karl Barth, das bringt ein „Schüler“ wie Michael Trowitzsch von neuem zur Erfahrung.
„Die Technik ist der Kriegszug gegen den Tag“
Mag sein, dass auch dies zu der Weise gehört, wie Trowitzsch theologisches Denken zur Sprache bringt: beim Lesen auf etwas zu stoßen, das irritiert und erstaunt nachfragen lässt: Seine Kritik an „der Moderne“ richtet Trowitzsch (auch) gegen die Technik als „neuzeitliche Allmachtsgeste“, als „Gott an der Macht“, gegen bioethische Grenzverschiebungen und maßlos erscheinende Therapiewünsche, „glückspolitische Verheißungen“ einer „fröhlichen Wissenschaft“ (Trowitzsch, 271-274). Im Einklang mit Bonhoeffers Satz von der Technik als „Kriegszug gegen den Tag“ und Heideggers Hinweisen auf ihre „tiefe Rätselhaftigkeit“ kommt Trowitzsch dann auch auf einen Versuch zu sprechen, einen „möglichen Sinn der europäischen Katastrophe" zu finden: Ernst Jüngers Sehen einer Erde, die „sich häutet“, einer „Erdrevolution“, der mit den Maßstäben historischer Erfahrung nicht beizukommen sei. Die Gegenwart wird „unheimlich“. Während Jünger „eine Art Erdvertrauen“ habe und damit rechne, dass „unsere Mutter, die Erde“ uns nicht im Stich lasse, sieht Trowitzsch die Aufgabe der Theologie darin, diese „atemberaubenden“ Überlegungen „kritisch in eine christologisch informierte dimensionale Schöpfungslehre, aber auch in an Barth orientierte Überlegungen zu den ‚herrenlosen Gewalten’ in ihrer chthonischen, eben erdgeschichtlichen Gestalt einzubeziehen.“ Und auch in umgekehrter Richtung fragt der Theologe, was es für die Rede von Jesus Christus als Schöpfungsmittler bedeuten würde, „wenn sich die menschliche Spezies nennenswert veränderte?“ (Trowitzsch, 61-68). Nun heißt es, gespannt zu warten auf die „gesonderte“ Veröffentlichung, in der der Autor diese Fragen aufnehmen möchte. Schon jetzt die Frage: Muss eine Anknüpfung an Ernst Jünger sein, um „die tiefe Unheimlichkeit der Gegenwart“ auszuloten? Auch wenn diese „Anknüpfung an“ nur eine „Auseinandersetzung mit" dem Autor der „Stahlgewittern“ sein mag: Ist dieser Zugang angemessen für eine Neuentdeckung der Theologie des politisch sozialdemokratsich engagierten Karl Barths? Wird es gelingen, kann es gelingen, das „Abenteuerliche Herz“ eines Ernst Jünger „positiv zu wenden“ in eine „wunderbare und abenteuerliche Moderne“ (Udo Di Fabio in Welt online), in ein Denken über die Moderne hinaus?
Hin zur „abenteuerlichen Liebe“
„Karl Barth, heute“, auf Wunsch des Verlags „Karl Barth heute“ – kein Buch für die, die schnelle Antworten suchen, nein, viel mehr: Entdeckung der langsamen Behutsamkeit, die not tut, nicht fertig zu werden mit dem Denken Karl Barths; und noch einmal mehr: Stärkung der Herzen, nicht müde zu werden auf dem Weg der „abenteuerlichen Liebe“.
Michael Trowitzsch
Karl Barth heute
1. Auflage 2007
565 Seiten, gebunden
42,90 € [D]
ISBN 978-3-525-57123-1
Vandenhoek & Ruprecht
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Barbara Schenck
Karl Barths Theologie wird kritisch auf die Wirklichkeit der Gegenwart bezogen. Kunst und Lyrik von Picasso bis Christa Wolf treten ein in ein Gespräch mit Theologie und Philosophie von Augustin bis Adorno.