Wichtige Marksteine
Reformierte im Spiegel der Zeit
Geschichte des Reformierten Bunds
Geschichte der Gemeinden
Geschichte der Regionen
Geschichte der Kirchen
Biografien A bis Z
(1519 - 1580)
Catherine, Baronin Willoughby de Eresbury (1519-1580) war in erster Ehe mit dem Herzog von Suffolk, Charles Brandon verheiratet. Unter Edward VI. wurde sie überzeugt evangelisch. Sie war befreundet mit Reformatoren wie Martin Bucer und Johannes a Lasco, während diese in England weilten. Als Maria Tudor den Thron nach Edward VI. bestieg und den Katholizismus in England wiedereinführte, flüchtete sie mit ihrem zweiten Gatten, Richard Bertie, und ihrer Tochter nach Wesel. Von dort ging die Reise nach Weinheim (Pfalz) und weiter nach Litauen, dank der Fürsprache Johannes a Lascos, der für sie beim polnischen König eintrat. Nach der Thronbesteigung Elizabeths I. kehrte sie mit ihrem Mann und zwei Kindern nach England zurück. Sie unterstützte bis zu ihrem Tod puritanische Pfarrer.
1. Eine katholische Kindheit und erste Ehe
2. Evangelische Witwe
3. Eine neue Familie. Flucht
4. Puritanerin in England
5. Würdigung
6. Die Herzogin von Suffolk in der Kunst
Anhang / Literatur
1. Eine katholische Kindheit und erste Ehe
Catherine Willoughby wurde 1519 geboren in einer Ehe zwischen einem adeligen Engländer, William Willoughby, Baron Willoughby de Eresby, und Maria de Salinas, einer spanischen Hofdame der Königin Katharina von Aragon. Die Eheschließung wurde wohlwollend von der königlichen Familie begleitet, Heinrich VIII. nannte eine seiner Kriegsschiffe „Mary Willoughby“ und er schenkte dem Ehepaar Ländereien. Die kleine Catherine verlor früh (1526) ihren Vater, und da sie eine sehr reiche Erbin war – in der Familie Willoughby besaßen auch Frauen das Erbrecht – wurde sie Mündel der Krone. Die Vormundschaft wurde dann wie üblich weiterverkauft, und so wurde die kleine Catherine Mündel des Charles Brandon, Herzog von Suffolk, der damals mit der Schwester des Königs, Mary Tudor, verheiratet war (Richardson). Wenn nicht in London, wohnte das Paar auf dem Gut Westhorpe in Suffolk, und Catherine wurde mit deren fast gleichaltrigen Töchtern Frances – die Mutter von Jane Grey – und Eleanor, und mit dem Sohn Henry, erzogen.
Am 24. Juni 1533 starb Mary Tudor nach längerer Krankheit. Catherine Willoughby war vermutlich bis dahin dem Sohn des Hauses als Braut angedacht, aber der Witwer Charles Brandon heiratete sie selbst im September 1533. Catherine war mit 14 Jahren gerade heiratsfähig, während ihr „Verlobter“ nur zehn Jahre alt war und damit noch zu jung für eine Eheschließung. Charles Brandon hatte gute Gründe sich die Hand Catherines zu sichern:
Charles Brandon hatte in der Ehe mit Mary Tudor Einnahmen von Ländereien sowohl in England als auch in Frankreich. Mary Tudor war in erster Ehe kurz - drei Monate lang - mit Ludwig XII. von Frankreich vermählt gewesen. Nach dessen Tod ging sie eine Liebesehe mit Charles Brandon ein. Deswegen hatte sie Lehen in Frankreich und England, die jedoch nach ihrem Tod an die Krone zurückfielen. Catherine Willoughby dagegen besaß Ländereien in Lincolnshire, welche es Charles Brandon möglich machten, sich dort einen großen zusammenhängenden Gutsbesitz zu beschaffen (Gunn).
1535 und 1537 brachte sie zwei Jungen zur Welt, Henry und Charles. Brandons Sohn Henry aus der ersten Ehe war 1534 gestorben, und es war üblich, nachgeborene Kinder nach ihren toten Geschwistern zu nennen.
Catherine war gut katholisch erzogen. Ihre Mutter war nach ihrer Ehe immer noch der Königin Catherine von Aragon eng verbunden. Als diese in Ungnade fiel, musste Charles Brandon die für ihn unangenehme Aufgabe erfüllen, ihr mitzuteilen, dass ihr Hofstaat gekürzt und ihre Bediensteten entlassen wurden. Sie wurde in die Provinz verbannt, und durfte nur mit Erlaubnis des Königs Besuch empfangen. Als es sich herumsprach, dass sie sehr krank sei, erkämpfte sich Maria de Salinas, Lady Willoughby, den Zutritt zu ihrem Schlafgemach. Wenige Tage später starb die Königin in ihren Armen. Sie wurde in der Kathedrale von Peterborough begraben, und im Trauerzug ging Catherine Brandon (Read 40f).
Als Magnat in Lincolnshire bekam Brandon 1536 die Aufgabe, die Aufstände in Lincolnshire in Verbindung mit dem nördlichen Aufstand gegen die Krone, die „Pilgrimage of Grace“ genannt, niederzuschlagen. Dies tat er schnell und effektiv und wurde dafür mit dem Schloss Tattershall und mehreren Kirchengütern belohnt. Die folgenden Jahre verbrachten er und seine Familie auf Schloss Tattershall. Brandon war 35 Jahre älter als seine Frau, aber die Ehe schien glücklich. 1539 war Catherine unter den vornehmen Frauen, die Anne von Kleve in England empfingen (Read 45f). Als Heinrich VIII. 1541 nach York reiste, um den schottischen König zu treffen, besuchte er die Brandons auf dem Gut Catherines, Grimsthorpe. Das war eine große Ehre, und Brandon ließ das Schloss umbauen, um den Majestät würdig empfangen zu können. Später war Catherine Brandon mit Catherine Parr befreundet. Sie war unter den sehr wenigen Hochzeitsgästen bei der Vermählung Catherine Parrs mit Heinrich VIII. im Jahr 1543.
Charles Brandon war zu Ruhm und Ehre gekommen, weil er ein Freund und Kumpel Heinrichs VIII. war. Wenn er religiöse Überzeugungen hatte, hielt er sie verborgen, und folgte den Anweisungen des Königs (Gunn). Unter seinen Kaplänen und Hauslehrern waren Männer, die zum neuen evangelischen Glauben neigten, aber es ist unsicher, ob Charles Brandon das überhaupt bemerkte. Es kann sein, dass Catherine durch sie die neue Lehre kennenlernte. Als ihr Mann noch lebte, verschaffte sie sich aus Übermut und vielleicht aus religiöser Überzeugung einen mächtigen Feind, Stephen Gardiner, Bischof von Winchester und Lordkanzler. Bei einem Abendessen schlug Brandon Damenwahl vor, und Catherine sagte laut, dass, wenn sie nicht ihren Gatten wählen dürfte, sie den Mann nähme, den sie am wenigsten möge, nämlich Gardiner. Er verzieh es ihr nie. Ähnliche Sticheleien betrieb sie wohl auch in jungen Jahren: sie nannte ihren Hund Gardiner und hatte einen Riesenspaß, wenn sie ihm „Sitz“ oder „Bei Fuß“ kommandierte. Der Hund wurde zudem im Bischofsornat gekleidet und in Prozession getragen. Viele Jahre später hat Gardiner an diese Beleidigungen erinnert. Es ist unsicher, wann genau sie stattgefunden haben, aber es scheinen doch die Späße einer sehr jungen Frau gewesen zu sein. Diese Anekdoten wären belanglos, hätte Gardiner sich nicht so gekränkt gefühlt.
2. Evangelische Witwe
Erst als sie sich nach dem Tod ihres Gatten 1545 mehr am Hofe aufhielt, als Hofdame für Catherine Parr, wurde ihre evangelische Gesinnung offenkundig. Sie gehörte zu dem evangelischen Kreis, den Catherine Parr um sich scharte. Zusammen hörten sie evangelische Predigten und studierten die Bibel in den Gemächern der Königin.
1546 wurde eine evangelische Adelsfrau namens Anne Askew der Ketzerei angeklagt. Sie hatte öffentlich in London gepredigt und dabei eine zwinglische Abendmahlslehre verbreitet. Askew wurde zweimal verhört und für schuldig befunden. Aber bevor sie den Tod auf dem Scheiterhaufen erleiden konnte, wurde sie noch einmal im Tower verhört und zwar von sehr hochrangigen katholischen Mitgliedern des „Privy Councils“, des Geheimrats des Königs. Sie wollten wissen, welche Kontakte Anne Askew zum Hofe hatte, und fragten besonders nach dem Kreis der Damen um die Königin. Viele von denen waren mit evangelisch gesinnten Höflingen verheiratet. Wäre es nur um sie gegangen, könnte man sich einen Angriff Gardiners gegen die evangelischen Ratsherren im Geheimrat vorstellen. Aber die Witwe Catherine Brandon wurde in der Befragung erwähnt. Es ist möglich, dass Gardiner sich den Frauenkreis vornahm, weil er damit die Königin der Ketzerei überführen wollte – Foxe berichtete von einem anderen Versuch Gardiners, die Königin zu beseitigen, der misslang. Aber selbst unter schlimmster Folter gab Anne Askew keine Namen preis. Wenige Tage danach wurde sie sitzend in einem Stuhl verbrannt, da sie nicht mehr stehen konnte (Foxe, 1563 edition, Book 3,732).
1547 starb Heinrich VIII. Er hinterließ eine Witwe und drei Kinder: Maria, Elizabeth und Edward. Edward war als männlicher Erbe der Thronfolger; er war von evangelischen Humanisten erzogen worden und von evangelischen Ratsherrn umgeben. Möglicherweise um das königliche Supremat über die Kirche zu erhalten, ließ Heinrich kurz vor seinem Tod Gardiner entmachten. Edward Seymour, sofort zum lord protector (Vormund des Königs) und Herzog von Somerset ernannt, übernahm die Regierung. Er war ein überzeugter Anhänger des neuen Glaubens. Thomas Cranmer, Erzbischof von Canterbury, schuf mit ihm die Agende: „Book of Common Prayer“ für den evangelischen Gottesdienst.
Catherine Brandon war jetzt in ihrem Element. Sie unterstützte einen evangelischen Drucker und Verleger namens John Day (King 1982, 2002). Eine Reihe von Büchern erschien nach 1548 mit ihrem Wappen, unter anderem ein Andachtsbuch Katherine Parrs. William Cecil, später erster Minister Elizabeths I., jetzt noch Sekretär des Herzogs von Somerset und Nachbar Catherine Brandons, schrieb dazu das Vorwort. Cecil blieb ihr Leben lang ein treuer Freund. Catherine Brandons Briefe an ihn sind eine vergnügliche Lektüre, ihre witzige, direkte Art kommt hier gut zum Vorschein. John Day druckte außerdem die Predigten Bischof Latimers mit einer Widmung an Catherine Brandon.
Bischof Hugh Latimer war eine Entdeckung Anna Boleyns. Schon 1530 predigte er die Fastenpredigten am Hofe. Er war Bischof von Worcester bis Heinrich VIII. gewisse katholische Dogmen für alle verbindlich machte, u. A. die Transsubstantiationslehre (Act of the Six Articles, 1539, Loades 2010, 21f). Latimer stellte seinen Bischofssitz dem König zu Verfügung. Eine Weile verbrachte er im Gefängnis und erst mit der Thronbesteigung Edwards VI. kehrte er zurück zum Hofe und predigte für den König und in London.
Latimer wurde der geistige Berater Catherine Brandons. Von 1552 bis 1554 wohnte er oft auf ihrem Gut Grimsthorpe und predigte dort. Eine Predigtreihe über die zehn Gebote entstand dort. Latimers Predigten kann man immer noch mit Vergnügen lesen. Er war wortgewandt, witzig, ein Meister der gut angebrachten Anekdote und von tiefer Frömmigkeit. In einer seiner Fastenpredigten von 1549 verglich er den Glauben mit einer wunderschönen Herzogin – zu der Zeit gab es in England zwei: die Herzogin von Suffolk und die von Somerset; Latimer nannte keinen Namen. Die Herzogin (der Glaube) hat einen „gentleman usher“, der ihr vorangeht und für sie den Weg bahnt – das ist die Sündenerkenntnis. Danach folgen die Hofdamen – das sind die guten Werke. Damit beschrieb er für alle anschaulich den Glauben als zentral, während Sündenerkenntnis und gute Werke vorher und nachher ihren Platz haben. Selbstverständlich wird angenommen, dass er von Catherine Brandon sprach (Harkrider, 70f).
Nach der Thronbesteigung Marias wurde Latimer mit den anderen evangelischen Bischöfen gefangengenommen. Catherine Brandon unterstützte ihn im Gefängnis mit Essen, Kleidung und Geld, das in den Tudor Gefängnissen benötigt wurde, um zu überleben (Read 96f). 1554 fing der Ketzerprozess gegen ihn an und im Oktober 1555 wurde er auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
In seinem Bestreben, die Englische Kirche zu reformieren, lud Erzbischof Cranmer Reformatoren nach England ein, und nach dem Augsburger Interim folgten viele seinem Ruf. Nach dem Tod Heinrichs 1547 konnte Cranmer mit der Kirchenreformation anfangen und die Edwardianische Kirche bekam eine deutliche reformierte Prägung. Viele englische Theologen waren in der Regierungszeit Heinrichs geflohen und oft reisten sie nach Zürich. Durch sie konnte Bullinger Einfluss auf die Ereignisse in England ausüben. Zürich und allmählich auch Genf wurden die Vorbilder der englischen Reformation. Die Altäre und Bilder verschwanden aus den Kirchen und stattdessen wurden Abendmahlstische aufgestellt. Ein Streit entbrannte über die Ornate der Pastoren.
Die Theologen, die als Glaubensflüchtlinge jetzt nach England kamen, waren berühmte Gelehrte ihres Faches und namhafte Reformatoren: Von Italien kamen Bernardino Ochino und Petrus Martyr Vermigli. Aus Straßburg folgten der Hebraist Paul Fagius und Martin Bucer. Cranmer ließ die beiden Italiener nach Oxford rufen, während Fagius und Bucer Professoren in Cambridge wurden (Brecht, 233-256).
Catherine Brandon ließ ihre beiden Söhne in Cambridge im St. John`s College einschreiben, mitsamt ihrem Tutor, Thomas Wilson (Harkrider, 81, Rex). Sie selbst kaufte sich ein Haus in der Nähe. Bald verband sie mit Bucer eine herzliche Freundschaft, er besuchte sie auf Grimsthorpe und sie schenkte ihm eine Kuh mit Kalb – letzteres wohl damit er Milch hatte. Ihr Verhältnis wurde so innig, dass Fagius durch den Sekretär Bucers in Straßburg, Conrad Hubert, Wibrandis Rosenblatt wissen ließ, dass sie schleunigst zu ihrem Gatten reisen sollte: „…sagend, Herrn Martinus Hausfrau, sie soll sich bald auf die Fahrt machen, oder er wird eine andere kriegen, die Herzogin von Suffolk will ihn haben, ist jetzt eine Wittfrau.“ (Bainton, 96)
Wibrandis Rosenblatt kam nach Cambridge mit der Familie, und als sie wieder wegfuhr, blieb Agnes Capito und kümmerte sich um Bucer. Ihm ging es jedoch gesundheitlich nicht gut. Als Wibrandis Rosenblatt 1550 nach England zurückkam, musste sie ihn im Winter pflegen. Catherine Brandon half ihr, aber trotz ihrer gemeinsamen Anstrengungen starb Bucer im Februar 1551. Catherine Brandon wurde von Edward VI. als Testamentsvollstreckerin an Rosenblatts Seite gestellt. Wibrandis Rosenblatt war jedoch mit den Engländern nicht zufrieden: „Ouch wussen, das mir der Bischof nit mer denn XXXX Lb. fur die Bucher geben hat. Er sagt die Frow (Herzogin Katharina von Suffolk) hab die besten; so hab der Kunig das geschrieben Ding; sin Theil sy zu thur. Ich hab recht genumen, was man mir geben hat; ich kann mich wider sy nit setzen.“ (Zimmerli-Witschi, 120)
Nach dem Tod Bucers wurde für ihn eine Gedenkschrift der Universitätsangehörigen in Cambridge herausgegeben. Darin waren beide Söhne von Catherine Brandon mit Beiträgen vertreten (Collinson 1983, 34). Diesen vielversprechenden jungen Männer war leider kein langes Leben vergönnt. Im Sommer 1551 brach der „Schweiß“ in Cambridge aus. Der sogenannte „Englische Schweiß“ war eine Infektionskrankheit, die innerhalb von kürzester Zeit ihre Opfer wegraffte. Die Brüder wurden sofort aus Cambridge weggebracht, starben aber innerhalb von Stunden, bevor es ihrer Mutter möglich war, zu ihnen zu kommen. Catherine Brandon war untröstlich. Es dauerte lange, bevor sie wieder anfangen konnte, Freude am Leben zu haben (Read).
Nicht nur Gelehrte flüchteten nach England, auch Handwerker und Handelsleute suchten einen Ort, wo sie ihre evangelische Überzeugung ausleben konnten. Für Cranmer war es eine Möglichkeit, reformierte Gemeinden zu gründen. In Canterbury entstand eine Französische Gemeinde (Pettegree 1986, 52f), wie in Glastonbury, wo viele wallonische Weber arbeiteten. In London entstanden gleich zwei Ausländergemeinden: eine französische und eine flämische, mit Johannes a Lasco als deren Superintendent. Zusammen mit den humanistischen Lehrern des Königs unterstützte Catherine Brandon die Gründung der Ausländergemeinden mit einer Bittschrift an den König und mit einer Bürgschaft (Pettegree 1986, 31). Für a Lasco waren es gute Jahren in London, mit Unterstützung vom König und von Cranmer und mit weitreichenden Freiheiten, ein reformiertes Gemeindeleben zu gestalten (Rodgers, Jürgens). Er zeigte sich später Catherine Brandon gegenüber dankbar.
3. Eine neue Familie. Flucht
Unter Edward VI. konnte Catherine Brandon ihre evangelische Gesinnung ausleben. Ihr alter Intimfeind Stephen Gardiner verbrachte diese Jahre im Tower of London und als sie ihn im Vorbeigehen sah, bemerkte sie mit lauter Stimme: „Es ist lustig für die Lämmer, wenn der Wolf weggesperrt ist.“ (Foxe, 1583 edition, Book 12, 2102-2105)
Die kirchlichen Reformen galten vor allem dem Gottesdienst und den Kirchengebäuden (MacCulloch 1999). Die alte katholische Ausstattung wurde aus den Kirchen verbannt, versteckt, verkauft oder verbrannt. Catherine Brandon, die in Lincolnshire Patronatsrechte für viele Kirchen besaß, hatte früher oft Pfründe an von ihren Klöstern vertriebene Mönche vergeben. Jetzt gab sie die Pfründe an verheiratete Männer mit Universitätsausbildung und gründete Schulen (Harkrider 84-94).
Auf Grimsthorpe hatte sie immer Kaplane mit evangelischer Gesinnung – und Hugh Latimer predigte dort als Dauergast.
Ein paar Jahre nach dem Tod ihrer Söhne heiratete sie einen Mann, den sie gut kannte und der ihre Religion teilte: Richard Bertie (1517-1582), ihr „gentleman usher“. Er war vom Adel, aber der niedere Adel tat beim Hochadel Dienst, sowie der Hochadel dem Königshaus diente. Sie heiratete einen Mann, der gebildet war, mehrere Sprachen beherrschte und ihr im Alltag treu zur Seite stand. Der „gentleman usher“ war eine Art Zeremonienmeister und er regelte vermutlich ihren Haushalt. Dennoch heiratete sie unter ihrem Stand. Anscheinend fühlte sie sich nach dem Tod ihrer Söhne frei, ein selbstbestimmtes Leben zu führen.
Es war wohl Hugh Latimer, der sie 1553 auf Grimsthorpe traute (Read 92). Während Catherine Bertie im Jahr danach schwanger wurde und 1554 eine Tochter, Susan, gebar, starb Edward im Sommer 1553. Seine Schwester Maria bestieg den Thron. Sie war immer katholisch gewesen, hatte in den vergangenen Jahren deswegen Streit mit ihrem Bruder gehabt und war überzeugt, dass sie das Werkzeug Gottes war, um England wieder zum katholischen Glauben zurückzuführen. Zuerst wurde die Messe wiedereingeführt. Die Gemeinden versuchten, ihre Kirchen so auszustatten, dass sämtliche Riten durchgeführt werden konnten – die Gemeinden, die vorher ihr Inventar versteckt hatten, konnten sich glücklich preisen (Loades 2010).
Sehr viele Engländer waren ohne Zweifel froh, zu den alten Sitten und Ritualen zurückzukehren. Andere hatten sich an die Gottesdienste in der Landessprache gewöhnt, lasen ihre Bibel auf Englisch und sahen die Messe als Götzendienst an. Diese Leute – vor allem in London – trafen sich heimlich zu Gottesdienst und Gebet.
Die ersten, die den Ernst der Lage spürten, waren die Ausländergemeinden. September 1553 bestieg a Lasco mit einem Teil seiner Gemeinde drei Schiffe und fuhr nach Dänemark. Im lutherschen Land war die Gruppe als reformierte nicht willkommen und sie setzte ihre Reise nach Emden und schließlich nach Frankfurt fort. Gardiner, der Lordkanzler Marias geworden war, entwickelte eine Technik, um Ketzer loszuwerden: er lud sie zum Gespräch ein! Meistens wurden diese ob dieser Einladung so erschrocken, dass sie sofort England verließen (Pettegree 1986, 115f).
Ostern 1554 erging dann die Einladung Gardiners an Richard Bertie. Gardiner listete alle die Kränkungen, die Catherine Bertie ihm zugefügt hatte, auf und fragte, wie Catherine es mit der Messe hielt. Die Königin wollte Philipp von Spanien heiraten und bei der Gelegenheit könnte Catherine Bertie – immer noch Herzogin von Suffolk – Anstoß erwecken: sie hatte immer noch nicht die Messe auf Grimsthorpe eingeführt und konnte bei den Hochzeitsfeierlichkeiten nicht teilnehmen, obwohl ihre Mutter dem spanischen Hochadel angehört hatte. Als ihr Gatte war Bertie für sie juristisch und religiös verantwortlich. Er verteidigte ihre Gewissensfreiheit und schlug vor, er solle Geld, das der Kaiser Charles Brandon schuldete, bei Karl V. eintreiben. Dafür erhielt er eine Ausreisegenehmigung und versuchte, Asyl für Catherine und Susan, die im selben Jahr geboren worden war, zu finden. Im Herbst 1554 wurden die mittelalterlichen Ketzergesetze wieder in England eingeführt mit Wirkung vom 20. Januar 1555. Anfang Januar 1555 verließ Catherine Bertie in der Nacht ihr Haus in London mit dem Kind und ein paar Dienstboten (Foxe, Hrsg. Cattley 1839, Bd.8, 569-572).
Maria Tudor hatte vorerst die wichtigsten Geistlichen im Visier: die Bischöfe Cranmer, Ridley und Latimer waren schon in Gefängnis. Am 28. Januar wurde Anklage gegen andere leitende Evangelische erhoben. Alle starben den Märtyrertod – was seitens der Regierung vielleicht nicht vorgesehen oder gar erhofft war (Loades 2010, 81-96). Viele Mitglieder der Oberklasse, vor allem die Schwester der Königin, Prinzessin Elizabeth (http://www.frauen-und-reformation.de/?s=bio&id=115) und William Cecil, der Freund Catherine Berties, blieben in England und gingen zur Messe. Andere ergriffen die Flucht (Garrett).
Catherine Bertie hatte eine abenteuerliche Reise in die Niederlande vor sich. Den Ärmelkanal im Winter zu überqueren erwies sich als schwierig. Nach Wochen erreichte sie endlich Land, wurde von Richard Bertie (Garrett, 87-89) empfangen und nach Xanten gebracht. Sie wussten, dass sich die wallonische Flüchtlingsgemeinde aus London mit ihrem Pfarrer François Perussel im benachbarten Wesel aufhielt, und wollten auch dorthin. Xanten war katholisch und dort konnten sie nicht bleiben. Während sie noch in Xanten ihren Asylbescheid abwarteten, erfuhren sie, dass sie erkannt worden seien, und beschlossen, zu Fuß nach Wesel zu laufen ohne Bedienstete und Gepäck, nur sie drei, als ob sie einen Spaziergang machten. Es war kalt und frostig und während sie unterwegs waren, regnete es auf den gefrorenen Boden. Völlig durchnässt kamen sie in Wesel an. Keine Herberge wollte sie hereinlassen und am Ende suchten sie Schutz unter dem Vordach der Kirche (St. Willibrord?). Richard Bertie suchte nach Feuerholz und fand mit Hilfe einiger Schuljungen, die mit ihm Latein sprechen konnten, das Haus, wo Pastor Perussel gerade zu Abend aß. Groß war die Freude des Wiedersehens. Die Berties erhielten trockene Kleider und am nächsten Tag wurde ihnen vom Stadtrat Asyl gewährt (Foxe 1839, Bd. 8, 572-574).
Wesel hatte schon 1545 eine Gruppe wallonischer Weber aus Tournai aufgenommen. Man konnte die Handwerker gut gebrauchen und versicherte sich nur, dass die keine Wiedertäufer waren. Sie konnten Predigtgottesdienste in eigener Sprache halten, aber Sakramentsverwaltung wurde ihnen nicht zugestanden. Sie mussten mit der lutherschen Stadtgemeinde die Sakramente empfangen. Sie suchten Rat bei Calvin und er ermahnte sie zur Besonnenheit (CO 20, 419ff, Nr.4169; Weseler Konvent, 28ff). Als Perussel im Herbst 1553 mit den Wallonen aus England ankam, wiederholten sich die Probleme. Die Flüchtlinge hatten in England weitgehende Selbständigkeit genossen. Wieder schrieb Calvin an sie und mahnte zur Geduld (13.3.1554, CO 15, 78ff; a.a.O. 31f). Perussel schrieb allerdings auch an a Lasco und wurde von ihm unterstützt, Selbständigkeit für seine Gemeinde einzufordern. Das ging natürlich nicht gut. Melanchthon wurde um ein Gutachten gebeten, aber die Stadt entschied für sich, dass die Flüchtlinge weiterziehen mussten. Im März 1557 verließen die Engländer Wesel, nachdem sie sich beim Rat für den Aufenthalt bedankt hatten. Sie zogen nach Bern, wo sie sich im Aarau (Garrett, 353-356) niederlassen durften. Perussel zog mit einer Gruppe nach Frankfurt (Denis, 161-222).
Catherine und Richard Bertie waren schon längst nicht mehr in Wesel. Am 12. Oktober 1555 hatte Catherine einen Sohn, Peregrine (Lat. Peregrinus = Fremdling) geboren und ihn am 14. Oktober in St. Willibrord taufen lassen. Sehr viele Engländer hatten im Laufe des Jahres sich ihnen angeschlossen und durften englische Gottesdienste (ohne Sakramentsfeier) abhalten. Zwei frühere Bischöfe waren unter ihnen: Miles Coverdale, der Tyndale`s Bibelübersetzung vervollständigt hatte (Garrett, 132-134), und William Barlow (Garrett, 80). Im Herbst 1555 setzte sich Miles Coverdale beim Pfalzgrafen und Herzog Wolfgang von Pfalz-Zweibrücken für die Berties ein. Coverdale hatte durch die Empfehlung von Conrad Hubert, Bucers Sekretär, eine Stelle als Schulmeister in Bad Bergzabern inne. 1555 kehrte er dorthin als Kaplan zurück. Dadurch war er dem Pfalzgrafen bekannt. Dessen Vetter, der Kurfürst Ottheinrich von der Pfalz, bot der Herzogin sein Schloss Weinheim als Wohnung an (Harkrider).
Dort kam im Juli 1556 ein Kurier von Maria Tudor an. Im Herbst 1555 hatte das Parlament in London einen Gesetzesvorschlag Marias zu Konfiskation des Besitzes der Glaubensflüchtlinge abgeschmettert. Nach geltendem Recht wurde nur der Besitz von verurteilten Schwerstverbrechern und Aufrührern konfisziert. Das Parlament lehnte es ab, diese Gesetzgebung auf die Glaubensflüchtlinge zu erweitern (Loades 2007, 45f). Maria hatte jedoch im folgenden Jahr Briefe an wohlhabende Glaubensflüchtlingen geschrieben, und ein gewisser John Brett als Kurier sollte sie überreichen. In seinem Report über seine Reise vermied Brett es sorgfältig, sich zum Inhalt der Briefe zu äußern. Ihrerseits wollten die Adressaten sie gar nicht entgegennehmen. In Frankfurt klagten sie über Brett beim Bürgermeister, in Weinheim vertrieben ihn die Dienstboten der Herzogin mit Steinen. Sie verklagte ihn beim Kurfürsten und er verbrachte einiger Zeit in Heidelberg im Gefängnis. In Straßburg schließlich wurde er von einem bewaffneten Mann von den Flüchtlingen ferngehalten (Brett). Unverrichteter Dinge musste Brett zurück nach England.
In Weinheim hatte Catherine Bertie große Ausgaben: sie sollte ihren Lebensstil aufrechterhalten und den Haushalt bezahlen (Harkrider, 109). Es muss sich herumgesprochen haben, dass ihr Geld knapp wurde. In Polen hörte Johannes a Lasco davon (vielleicht stand er immer noch in Verbindung mit Frankfurt?) und ersuchte König Sigismund II. Augustus um Hilfe für sie. Der Wojwode (=Pfalzgraf) von Vilnius, Mikolai Radziwill, selbst überzeugter Reformierter, sorgte dafür, dass der König ein an die Krone heimgefallenes Lehen in Kraziai in Litauen den Berties schenkte.
Dieses königliche Hilfsangebot erfreute die Berties sehr. Sie wagten jedoch nicht das Angebot ohne weiteres anzunehmen, sondern schickten den früheren Bischof von Bath und Wells, William Barlow, nach Polen. Dieser hatte schon für sie in Weinheim die Verhandlungen mit John Brett geführt, da die Berties, wie die anderen Flüchtlinge auch, direkten Kontakt mit Brett und seinen Briefen vermieden. William Barlow wurde auf seiner Reise von John Burcher (Garrett, 100f) begleitet, einem Kaufmann, der angeblich lernen sollte, in Krakau Bier zu brauen, der aber in seinen Briefen an Bullinger von Johannes a Lascos Wirken in Krakau erzählte (Cross). Diese Erkundungsreise war erfolgreich, und die Berties mit ihren Kindern setzten sich in Bewegung. Nördlich von Frankfurt trafen sie Soldaten des Landgrafen (Philipp von Hessen?) und der kleine Spaniel der Herzogin griff sie an. Die Soldaten durchbohrten die Karosse mit ihren Bärenspießen und Bertie mit den Hauskerlen verteidigten sie. Im Kampfgetümmel wurde das Pferd des Kapitäns getötet und die Soldaten waren überzeugt, dass diese Wallonen ihren Kapitän umgebracht hatten. Bertie ritt in die nächste Stadt, um die Angreifer von der Karosse wegzulocken. Dort suchte er Schutz im obersten Stock eines Hauses, wo er sich mit seinem Degen verteidigen konnte, bis der Bürgermeister kam, der Latein sprach. Bertie ergab sich ihm. Am nächsten Tag trafen sowohl die Herzogin als auch der Graf von Erbach ein. Der Graf kannte die Herzogin von früher und verneigte sich tief vor ihr - zum Staunen der Bürger (Foxe, 1839, Bd. 8, 574-576).
Ihre weitere Reise verlief ohne Zwischenfälle. Die nächsten zwei Jahre verbrachten sie in Litauen auf ihrem Gut. Im Winter 1558/59 erfuhren sie die Nachricht vom Tod Marias und der Thronbesteigung Elizabeths. Catherine Bertie schrieb an Elizabeth und beglückwünschte sie. Außerdem schickte sie ein kostbares Neujahrsgeschenk. Mit solchen Geschenken zeigte die Königin ihr Wohlwollen und die Untertanen bezeugten ihre Treue. Bald verstand Catherine Bertie jedoch, dass die so sehnsüchtig erwartete Königin mit äußerster Vorsicht vorging: es war nicht ihre Absicht, eine reformierte Kirche nach dem Vorbild von Genf und Zürich einzuführen. Enttäuscht schrieb die Herzogin an ihren Freund Cecil, dass die Englische Kirche weder katholisch noch reformiert sei. Sie lobte Maria Stuart für ihre konsequente Verteidigung der Messe: Sie habe wenigstens Haltung gezeigt! (Read, 132ff, Bainton, 273f)
4. Puritanerin in England
Im Sommer 1959 fuhren die Berties zurück nach England – Fürst Radziwill kaufte das Lehn von ihnen zurück und machte damit die Heimreise möglich. Bei ihrer Ankunft gab Elizabeth der Herzogin alle ihre Güter zurück und bürgerte den kleinen Peregrine ein. Sie wohnten fortan auf Grimsthorpe.
Miles Coverdale, zurück aus Genf, wo er an der englischen Bibelübersetzung („the Geneva Bible“) mitgewirkt hatte, zog vorerst nach Grimsthorpe. Später siedelte er nach London um.
1562 wurde eine neue Ausgabe von den Predigten Latimers verlegt, und in der Widmung an die Herzogin schrieb der Herausgeber Augustin Bernher, der Assistent Latimers, dass sie alles aufgegeben habe, um „ein Flüchtling für Christus und sein Evangelium zu werden“. Sie sei ohne Zweifel vom Exil zurückgebracht worden, „um die Verzweifelten zu trösten und um ein Werkzeug zu werden, damit sein heiliger Name gepriesen sein soll und sein Evangelium verbreitet“ (Goff 238f, Übersetzung M.N.). Damit hatte Bernher den Wunsch geäußert, Catherine Bertie möge den Puritanern beistehen. In der folgenden Ausgabe der Predigten aus dem Jahr 1578, schrieb Bernher in seiner Widmung: „An etliche gab der gnädige Gott eine solche Tapferkeit (= valiant spirit), dass sie alles aufgegeben haben und geduldig in fremden Ländern reisten…“ (Goff, 317). Für Reformierte wie Bernher war die Flucht, um den Glauben woanders bekennen zu können, eine mutige Handlung. Er selbst war zur Regierungszeit Maria Stuarts in London geblieben, um die heimlichen reformierten Gemeinden pastoral zu betreuen. Seine Ablehnung galt den Personen, die in England geblieben waren und zur Messe gingen. Man denke an Cecil und an Elizabeth. (Vollständige Zitate in der Originalsprache im Anhang.)
In den folgenden Jahren bildete sich in der Englischen Kirche ein reformierter Flügel aus Theologen und Laien, die fanden, die Elizabethanische Kirche sei ungenügend reformiert. Diese Gruppierung wurde Puritaner genannt, aber selbst bezeichneten sie sich als „the godly“ = die Frommen. Selbst die von Elizabeth ernannten Bischöfe meinten, man solle die Kirche weiter reformieren („ecclesia semper reformanda“), wurden aber von der Königin zurückgepfiffen.
Vornehme Familien am Hofe – die Sidneys, die Dudleys und die Russells – gehörten zu den Puritanern, aber Catherine schloss sich diesen Kreisen nicht an. Vielleicht wagte sie es nicht, sich mit Elizabeth anzulegen. Während Robert Dudley, Favorit Elizabeths und Graf von Leicester, puritanische Geistliche im ganzen Königreich untergebrachte, konzentrierte Catherine sich auf Lincolnshire (Harkrider, 115-135).
Viele puritanische Landadelige lebten ihre religiöse Überzeugung im häuslichen Rahmen vor. Andachten, Bibellesungen und eine strenge Lebensführung prägten ihren Tagesablauf. Darüber hinaus versorgte Catherine die Kirchen, wo sie Patronatsrecht hatte, mit an der Universität ausgebildeten Pastoren. Die wichtigste Anforderung an einen puritanischen Pastor war die Predigt – die früheren katholischen Priester waren ja vor allem Messpriester und Sakramentsverwalter gewesen. In London war der Bischof vorsichtig bei der Berufung von Puritanern; um 1565 herum entbrannte ein Streit mit diesen Pastoren, weil sie sich weigerten, Messgewändern zu tragen. Einige wenige Kirchen waren frühere Klosterkirchen und standen somit nicht unter der Aufsicht des Bischofs. Catherine Bertie besaß in London das alte Klarissenkloster The Minories und in der dazugehörigen Kirche Holy Trinity ließ sie ihre Kaplane predigen. Diese Gottesdienste wurden von den Puritanern in London besucht (Collinson 1967, 50, 68, 86, Collinson 1983, 259f, Bainton 275f).
Die puritanische Überzeugung der Herzogin minderte nicht ihren Ehrgeiz für ihre Familie. Sie hatte ja noch Zugang zum Hofe durch Cecil, später Lord Burghley. Zuerst versuchte sie Richard Bertie zu Baron Willoughby de Eresby ernennen zu lassen. Das gelang nicht. Dann wollte sie ihrem Schwiegersohn den Titel des Grafen von Kent zuerkennen. Damit hatte sie Erfolg: zwar lebte der Schwiegersohn nicht lange, aber die Tochter Susan wurde Gräfin. Schließlich wurde ihr Sohn Peregrine Baron Willoughby de Eresby.
1550 hatte der Herzog von Somerset ihr vorgeschlagen, seine Tochter mit ihrem ältesten Sohn, Henry Brandon, zu vermählen. Es war ein ehrenvolles Angebot, aber sie schlug es aus mit der Begründung, die jungen Menschen sollten abwarten, ob sie sich lieben könnten (Bainton, 255f). Als Peregrine dagegen im heiratsfähigen Alter war, verliebte er sich in Lady Mary de Vere. Diese Ehe passte nun der Herzogin gar nicht. Die Familie de Vere neigte eher dem Katholizismus zu („…our religions agree not“ Goff 309) und der Bruder Marys, der Graf von Oxford, hatte seine Frau, die Tochter Cecils, sehr schlecht behandelt. Wie dem auch sei, die Herzogin verbrachte ihre letzten Jahren in Klagen über ihre missratenen Kinder und Schwiegertochter. Erst als Catherine Bertie 1580 starb, wurde die Ehe Peregrines anscheinend glücklicher. Er und seine Frau bekamen sieben Kinder und er leistete erfolgreich Militärdienst für Elizabeth. Susan heiratete 1581 in zweiter Ehe einen Offizier, Sir John Wingfield, der für seine Tapferkeit bekannt war.
In Spilsbys Kirche steht ein imposantes Grabmal für Catherine und Richard Bertie mit Büsten von ihnen und biblischen Texten. Die Inschrift lautet: „Sepulchrum D. Ricardi Bertie et Catherinae Ducissae Suffolkiae, Baronissae de Willoby de Eresby, coniug. ista obiit XIX Septemb. 1580. Ille obiit IX Aprilis, 1582“: Das Grab von Herrn Richard Bertie und von Catherine, Herzogin von Suffolk, Baroness de Willoughby de Eresby, seine Gattin. Sie starb am 19. September 1580. Er starb am 9 April 1582.
5. Würdigung
Das Leben der Catherine Willoughby/Brandon/Bertie war von ihrer hohen Abstammung und großem Reichtum bestimmt. Als Witwe behielt sie den Titel ihres ersten Gemahls und war lebenslänglich als die Herzogin von Suffolk bekannt. Nach dem Tod Heinrichs VIII. spielte sie eine herausragende Rolle in der Regierungszeit Edwards V, war eine Vollstreckerin der königlichen Anordnungen und pflegte wichtige Freundschaften (nur mit Wibrandis Rosenblatt haperte es mit der Freundschafft!).
Sie nahm sich das Recht heraus, aus Liebe zu heiraten. Der jakobitische Bühnenautor John Webster schrieb seine etwas blutrünstige Tragödie „The Duchess of Malfi“ über dieses Thema: eine junge Frau, die trotz ihrem hohen Stand es wagt, ihr Liebesglück nachzustreben.
Catherine Bertie wurde in „The Book of Martyrs” von John Foxe aufgenommen, nicht weil sie auf dem Scheiterhaufen landete, sondern weil sie als Flüchtling Zeugnis ihres Glaubens ablegte. Die Quelle für John Foxe ist zweifelsohne Richard Bertie, der Episoden erzählte, in welcher er selbst eine vorteilhafte Rolle spielte. Bertie diente der Herzogin treu und ergeben. Er blieb nicht ohne Kritik. Goff berichtet (S.215), dass auf seinem Porträt auf Grimsthorpe jemand geschrieben hat: „Cendre Bien delguise Toutefois Cendre“: Selbst gut verkleidet bleibt Asche nur Asche. Das war Richard Bertie gegenüber sehr unfreundlich. Die Rechnungen für das Gut Grimsthorpe zeigen, dass er im feinsten Zwirn gekleidet war (Read 149f).
Die Zeit auf der Flucht war von viel Hilfe geprägt. Der Pastor Perussel, die früheren Bischöfe Coverdale und Barlow, die Pfalzgrafen, Johannes a Lasco und Fürst Radziwill – alle halfen sie der Herzogin und ihrer Familie. Gewissermaßen war sie immer von einer schützenden Hülle umgeben. Die Zeitgenossen bewunderten ihren Mut und Bereitschaft, England für ihren Glauben zu verlassen und in fremden Ländern zu leben.
Trotz aller Frömmigkeit verdarb sie sich ihre letzten Jahre mit ihrem Familienzwist. Sie war nie umgänglich gewesen, ihre „heats“ (= hysterische Anfälle) waren berüchtigt und gefürchtet, und sie kränkte nicht nur Stephen Gardiner. Andererseits blieben Bedienstete bei ihr über Generationen hinweg und ihre Briefe an Cecil zeigen eine sehr charmante Frau.
6. Die Herzogin von Suffolk in der Kunst
Das Schicksal der Herzogin inspirierte Dichter und Regiseure: Thomas Deloney (1543-1600) schrieb eine Ballade: „The most Rare and Excellent history of the Dutchess of Suffolk and her Husband Richard Berties Calamities”.
1624 verfasste Thomas Drue (Drew) ein Schauspiel: „The Life of the Duchess of Suffolk“. Es ist abgedruckt in Goff und von mäßigem Interesse.
John Webster´s oben erwähnte Tragödie: „The Duchess of Malfi“ ist von ihr inspiriert, ohne auf historische Fakten Rücksicht zu nehmen.
In der Fernsehserie „The Tudors“ wird sie Catherine Brooke genannt. Nicht nur was den Namen anbelangt hat die Figur mit der historischen Catherine Willoughby nichts gemeinsam. Auch die erste Ehe von Charles Brandon mit Mary Tudor hat mit historischen Tatsachen wenig zu tun.
Die historische Wirklichkeit ist genauso spannend.
Anhang:
Originaltext von Latimer´s Sermons, Widmung von 1562:
„I have set forth these sermons, made by this holy man of God (scil. Latimer), and dedicated them to your Grace, partly because they were preached in your Grace´s house at Grimsthorpe by this reverend father and faithful prophet of God, whom you did nourish, and whose doctrine you did most faithfully embrace, to the praise of God and unspeakable comfort of all Godly hearts, the which did, with great admiration, marvel at the excellent gifts of God, bestowed upon your Grace, in giving unto you such a princely spirit, by whose power and virtue, you were able to overcome the world, to forsake your possessions, lands and goods, your worldly friends and native country, your high estate and estimation with which you were adorned and to become an exile for Christ and his Gospel´s sake; to choose rather to suffer adversity with the people of God than to enjoy the pleasures of the world with a wicked conscience, esteeming the rebukes of Christ greater riches than the treasures of England, whereas the worldings are far otherwise minded; for they have their pleasures among the pots of Egypt, they eat, drink and make merry, not caring what became of Christ, or his Gospel; they be so drunken with the sweet delicates of this miserable world that they will not taste of the bitter morsels, which the Lord has appointed and prepared for His chosen children and especial friends. Of the which he did make you most graciously to taste, giving unto your Grace His spirit that you were able in all the turmoils and grievances the which you did receive, not only at the hands of those who were your professed enemies but also at the hands of them who professed friendship and good-will but secretly wrought sorrow and mischief; to be quiet and patient and in the end, brought your Grace home again to your native country, no doubt to no other end but that you should be a comfort to the comfortless and an instrument by which His Holy name should be praised and his Gospel propagated and spread abroad: to the glory of His Holy name and your eternal comfort in Christ Jesus, into whose merciful hands I commit your Grace with all yours eternally.” (Goff, 238f)
Latimer´s Sermons, Widmung von 1578: „Unto some, the self same most gracious God gave such a valiant spirit that they were able, by His Grace, to forsake the pleasures & commodities of this world, & being armed with patience, were content to travel into far & unknown countries, with their families & households, having small worldly provision, or none at all, but trusting in His providence, who never forsake them that trust in Him.” (Goff, 317)
Literatur:
Quellen:
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Vielfalt und Einheit des Protestantismus
Karl Barths Stellung zur Konfessionalität. Von Matthias Freudenberg
Einer Anekdote zufolge soll einmal ein lutherischer Theologiestudent aus Bayern auf seine Auskunft hin, dass Barth – wie doch schließlich jeder ordentliche Theologe – ein Lutheraner gewesen sei, mit großem Erstaunen die Korrektur seines Professors vernommen haben. Ohne Schwierigkeiten lässt sich natürlich belegen, dass Barth einem reformierten Elternhaus – sein Vater war Professor für Kirchengeschichte – entstammt und in dieser konfessionellen Tradition aufgewachsen ist. Inwieweit sich Barth tatsächlich als ausgesprochen reformierter Theologe verstanden hat, bedarf indes einer genaueren Betrachtung.
1. Frühe Einblicke und Einsichten
Wirft man einen Blick auf Barths Beschäftigung mit der eigenen Konfession bzw. sein reformiertes Selbstverständnis vor Antritt seiner Göttinger Professur 1921, so lässt sich summarisch festhalten:
1) Quellenstudium: Im Verlauf seines Studiums, Vikariats und Pfarramts arbeitet sich Barth – unterbrochen und begleitet von anderen Studien – in wesentliche Dokumente der reformierten Theologie der Reformationszeit ein. Freilich vollzieht sich dieses Studium in unregelmäßigen Abständen, selektiv, in unterschiedlicher Intensität und unter Einbeziehung lutherischer Quellen. Während er Zwingli eher am Rande wahrnimmt und im Licht des Liberalismus bzw. religiösen Sozialismus deutet, findet eine intensivere und kontinuierlichere Beschäftigung mit Calvin statt. Diese lässt sich u.a. auch in den beiden Fassungen des Römerbriefkommentars ablesen.
2) Kirchen- und Theologiegeschichte: Nicht zuletzt bedingt durch seine Tätigkeit in der Schweiz vertieft sich Barth in die territoriale Reformationsgeschichte. Die altprotestantische Orthodoxie reformierter und lutherischer Provenienz hingegen scheint er zu jener Zeit kaum zur Kenntnis zu nehmen.
3) Reformiertes Erbe: Barths Beschäftigung mit den spezifisch reformierten Quellen steht in unlösbarem Zusammenhang mit den äußeren Umständen seines Studiums in Bern bei seinem Vater (1904–1906), seines Vikariats in Genf (1909–1911) und seines Pfarramts in der reformierten Gemeinde Safenwil (1911–1921). Insofern liegt es nahe, dass sich der Schweizer Theologe Barth zunächst mit seiner eigenen konfessionellen Tradition beschäftigt. Ferner lässt sich zumindest bis 1916 feststellen, dass Kombinationsversuche wie etwa zwischen Calvin und Wilhelm Herrmanns ‚moderner Theologie’ bzw. zwischen Zwingli und dem religiösen Sozialismus stattfinden.
Die Göttinger Professur der Jahre 1921–1925 bedeutet für den vom Safenwiler Pfarramt ins akademische Lehramt überwechselnden Barth eine entscheidende Weichenstellung auf seinem Weg zur dogmatischen Theologie. Seine erste Professur stellt den akademischen Neuling Barth vor die Aufgabe, reformierte, aber auch lutherische Studenten „in das reformierte Bekenntnis, die reformierte Glaubenslehre und das reformierte Gemeindeleben“[1] einzuführen. In seinen Vorlesungen über Calvin (1922), Zwingli (1922/23) und die reformierten Bekenntnisschriften (1923) zeigt sich sodann seine schon früh ausgeprägte Fähigkeit, einen genauen Blick sowohl für geschichtliche Entwicklungen als auch für theologische Argumente zu entwickeln.
Die hermeneutische Voraussetzung, die Barths Vorlesungen und Vorträge zur reformierten Theologie aus jenen Jahren prägt, lässt sich so beschreiben: Auf dem Hintergrund der absoluten Gottesgeschichte hat die Theologie zu allen Zeiten die relative Geltung eines menschlichen Zeugnisses, das um der Wahrheit willen immer wieder neu der Kritik unterzogen werden muss. Wie sich anhand der Texte zeigen lässt, zieht sich kontinuierlich durch jene Vorlesungen folgende Beobachtung Barths: Das Spezifische der reformierten Lehre des 16. Jahrhunderts ist einerseits in der präzisen Unterscheidung von Gott und Mensch zu suchen. Und andererseits besteht es in der von Gott vollzogenen dialektischen Vermittlung der unsichtbaren göttlichen Lebenswahrheit und der sichtbaren menschlichen Lebensgestaltung.
In einer geometrischen Metapher spricht Barth darum in den Vorlesungen vom spezifisch reformierten Doppelaspekt zweier konzentrischer Kreise: Der engere Kreis als Metapher für das lutherische Interesse an der Rechtfertigung des Sünders durch den Glauben, und der weitere Kreis als Metapher für das hinzutretende reformierte Interesse an der Lebenswirklichkeit des Menschen und der Ethik. Mit dieser verwandt ist eine andere geometrische Metapher: Die Horizontale des menschlichen Lebens wird von der Vertikalen der Gottesgeschichte geschnitten. Beiden Metaphern ist die Grundüberzeugung gemeinsam, dass die in Gott selbst gründende Beziehung zwischen ihm und dem Menschen (Dogmatik) dem konkreten Lebensvollzug des Menschen (Ethik) ihr Maß und Ziel gibt. Das, was Barth mit dem Terminus „Problem der Ethik“[2] umschreibt, sieht er als die Besonderheit der reformierten Wendung der Reformation und als deren Zugewinn gegenüber dem Luthertum an.
In welcher Hinsicht versteht sich Barth selbst seit seiner Göttinger Zeit als ausgesprochen reformierter Theologe? Und welche Konsequenzen zieht er daraus für das Verhältnis zwischen reformiertem und lutherischem Protestantismus? Wenn auch seine Hinwendung zur reformierten Theologie nicht als ein unvermitteltes Ereignis zu verstehen ist, so vollzieht sich doch in Göttingen ein einschneidender Erkenntnisprozess. Er befindet sich auf dem Weg von einer weitgehend unbewussten hin zu einer bewusst erarbeiteten und angeeigneten reformierten Konfessionalität. In der Tat besitzt er zu Beginn seiner Göttinger Zeit noch nicht einmal eine reformierte Bekenntnisschrift.[3] Doch schon in § 1 der Zwingli-Vorlesung (1922/23) versteht er sich zumindest indirekt schon als konfessionsbewusster Reformierter. Und 1933 bekundet er ausdrücklich sein reformiertes Bekenntnis, wenn er schreibt: „?Es werden etliche Lust haben, meinen Rücktritt von ZZ (sc. Zeitschrift ‚Zwischen den Zeiten’) ... auf den Gegensatz meines reformierten zum lutherischen Bekenntnis zurückzuführen. Ich warne. Selbstverständlich bin ich reformiert. Aber der in der ‚Glaubensbewegung Deutsche Christen’ kulminierende Neuprotestantismus zerstört das lutherische ebensowohl wie das reformierte Bekenntnis.“[4]
Doch ungeachtet dieser Selbstaussagen und der Entscheidung, zur Grundlegung seiner Theologie gerade auf die reformierte Tradition zurückzugreifen, wehrt er sich entschieden gegen die Festlegung seiner Dogmatik-Vorlesung auf das reformierte Bekenntnis. Keinesfalls will er den konfessionsübergreifenden „?ökumenischen Charakter“[5] seiner Dogmatik preisgeben. Nach wochenlangen Streitigkeiten kann er in der Vorlesungsankündigung die Konfessionsbindung der Dogmatik und das Etikett ‚reformiert’ zugunsten des Kompromisstitels „Unterricht in der christlichen Religion“ verhindern. Entsprechend formuliert er im Leitsatz zu § 1 der Göttinger Dogmatik, dass Dogmatik die „wissenschaftliche Besinnung auf das Wort Gottes“ ist.[6] Und erst davon abgeleitet ist Dogmatik die Besinnung auf die konfessionelle Tradition, von der aus die Reflexion auf das Wort Gottes vorgenommen wird. In diesem Sinn stellt er später in der Kirchlichen Dogmatik (KD) zur Konfessionalität der Dogmatik fest, dass die Dogmatik weder als lutherische noch als reformierte, sondern als evangelisch-konfessionelle Dogmatik zu entfalten ist (KD I/2, 922).
Vom Zeitpunkt seiner Göttinger Professur an hat Barth die reformierte Theologie und in ihr besonders Calvin, die Bekenntnisse des 16. Jahrhunderts und Teile der Orthodoxie für seinen eigenen theologischen Neuansatz entdeckt. Doch das schließt ein, dass er, wie zahlreiche Exkurse in der KD belegen, die eigene reformierte Tradition keinesfalls von der Kritik ausnimmt. Die Aufnahme des alten konfessionellen Streits und die eigene Rekrutierung für die unter den deutschen Reformierten auflebende konfessionelle Selbstbehauptung erscheinen ihm alles andere als erstrebenswert. Vielmehr bemüht er sich zumindest in Ansätzen darum, einerseits auf eine nivellierende Vermittlung lutherischer und reformierter Positionen zu verzichten. Und andererseits lässt er wesentliche theologische Erkenntnisse aus beiden konfessionellen Traditionen gleichermaßen als sachgemäße gegenseitige Problemanzeigen gelten.[7]
In diesem Sinn äußert er sich auch 1947 in einer Diskussion und verwahrt sich gegen die eigene Festlegung auf den Calvinismus: „?Ich bin auch nicht Calvinist. Das ist nicht gut, sich so festzulegen.“[8] Stattdessen fordert er dazu auf, der Maxime von 1. Thess 5,21 zu folgen: Die den Lutheranern und den Reformierten gemeinsame reformatorische Tradition muss am Maßstab der Schrift geprüft und das Beste aus beiden Traditionen behalten werden. Ferner soll man sich als Schüler der reformatorischen Bekenntnisse von diesen zum rechten Schriftverständnis anleiten lassen und in jedem Fall auf den unversöhnlichen konfessionellen Streit als Selbstzweck verzichten.
Doch fragen wir nun weiter, worin negativ Barths Reserve gegenüber der von außen an ihn herangetragenen konfessionellen Festlegung seiner Theologie sowie positiv sein Insistieren auf der gemeinreformatorischen Ausrichtung seiner Dogmatik begründet ist. Wie sich seinen Göttinger Arbeiten entnehmen lässt, lehnt er die einseitige Festlegung seiner Theologie auf die reformierte Konfessionalität aus folgendem geschichtstheologischen Grund ab: Von der Gottesgeschichte (Ewigkeit) ist die Welt- und Theologiegeschichte (Zeit) streng zu unterscheiden. Und letztgenannte differenziert sich nun mit ihren Versuchen, innerhalb der Grenzen der menschlichen Sprache von Gott zu reden, in eine Mehrzahl von z.T. gegenläufigen Bewegungen aus.
Was für die gesamte Kirchen- und Theologiegeschichte zutrifft, gilt in besonderem Maße für das Zeitalter der Reformation. In ihr sind im Wesentlichen eine erste lutherische und eine zweite reformierte Wendung zu unterscheiden. Je auf ihre Weise sind sie berechtigte Möglichkeiten von Theologie, Kirchen- und Konfessionsbildung, sofern beide sich in ihrem Dasein und Agieren gemeinsam auf Gottes Zuwendung zum Menschen besinnen. Barths These von der grundlegenden Einheit der differenzierten Reformation und damit sein inklusives Verständnis der Reformation beruht auf der theologischen Einsicht, dass Gottes Wirklichkeit nicht in einem einzigen Wort zur Sprache zu bringen ist. Vielmehr ist sie nur dialektisch darstellbar in der Synthese des vornehmlich religiösen Interesses der lutherischen und des vornehmlich ethischen Interesses der reformierten Wendung der Reformation. Um zur Würdigung dieser zweiten reformierten Wendung der Reformation und ihrer Thematisierung der Ethik vordringen zu können, gibt Barth in einem Vortrag von 1923 sogar den Rat, wie Zwingli und Calvin „zunächst einmal recht gründlich lutherisch zu werden“[9]. Nebenbei sei angemerkt, dass Barth diesen Rat in seinen Vorlesungen und Vorträgen der Göttinger und besonders der Münsteraner Zeit durchaus selbst befolgt.
Welche Position soll Barths Sicht zufolge nun gegenüber den faktisch vorhandenen Differenzen zwischen der reformierten und der lutherischen Lehre eingenommen werden? In einer auf den ersten Blick unscheinbaren Passage der Bekenntnisschriften-Vorlesung – es handelt sich um die Darstellung der Akten des reformiert-lutherischen Leipziger Gesprächs von 1631 – gibt Barth dazu einige erhellende Hinweise. Diese werfen ein Licht auf die von ihm favorisierte Vermittlungsmethode gegenläufiger Lehrmeinungen. Er arbeitet in der Frage der Christologie folgende Differenz heraus: Die Lutheraner unternehmen den „undialektische(n) Vorstoß“, die menschliche Natur Jesu Christi mit Gottesprädikationen zu belegen. Dagegen vollziehen die Reformierten mit dem „Extra calvinisticum“ einen „?dialektische(n) Rückzug“. Denn sie leugnen die umfassende Teilhabe der menschlichen Natur Jesu Christi an den Gottesprädikationen und wollen gleichsam den Vorbehalt einer „Verhüllung in der Offenbarung“ und ihrer Kontingenz gewahrt wissen.[10]
Von Bedeutung ist nun die Haltung, die Barth gegenüber den konfessionellen Differenzen empfiehlt: Keinesfalls soll man im Stile des Konfessionalismus der einen oder der anderen Seite ungeprüft absolut recht geben. Andererseits darf man auch nicht im Stile der preußischen Unionstheologie des 19. Jahrhunderts vorschnell beiden Seiten zustimmen und die konfessionelle Differenz in der Frage der kontingenten Offenbarung nivellierend als überwunden erklären. Vielmehr plädiert Barth für die Notwendigkeit, die auf beiden Seiten vorhandenen Wahrheitsmomente zu sichten und einer kritischen Beurteilung zu unterziehen: „Es handelt sich wahrhaftig um schwere Probleme, die wir z.T. erst wieder sehen lernen müssen.“[11] Gegenüber einer voreilig erklärten Union, die dem Mangel an Erkenntnis der christologischen Differenzen entspringt, hält er schon 1923 die Fortsetzung des lutherisch-reformierten Gesprächs, wie es etwa in Leipzig 1631 geführt wurde, für den einzigen Weg zu einer legitimen Union in der Gegenwart.
Als theologische Sachlichkeit bezeichnet Barth darum den Versuch, die ungelösten Fragen des 16. und 17. Jahrhunderts erneut zur Sprache zu bringen. Das Ringen um die Wahrheit, die „geheimnisvoll einigend und trennend zwischen den beiden großen Typen protestantischen Christentums steht“[12], muss fortgesetzt werden. So geht schon aus der oben genannten Vorlesungspassage hervor, dass Barth dem Begriff der Union, der zu jener Zeit mit den vielfachen kirchlichen Unionsbestrebungen im 19. Jahrhundert identifiziert wurde, einen neuen und tieferen Sinn verleihen will. Eine Neuauflage einer solchen, die Konfessionen nivellierenden Kirchen-Union hält er nicht für erstrebenswert. Vielmehr versteht er unter einer wirklichen Union zwischen Reformierten und Lutheranern den Verzicht auf ein aus Mangel an theologischer Erkenntnis geborenes „?Kunstprodukt einer theologisch-kirchlichen Union“. In einer „Union der Sachlichkeit“[13] soll darum das Gespräch des 16. und 17. Jahrhunderts wieder aufgenommen werden. Keinesfalls die voreilige Auflösung der Konfessionen kann Barth zufolge das Ziel eines solchen Gesprächs sein, sondern die gegenseitige Prüfung der theologischen Argumente in den umstrittenen Fragen. In diesem Sinn ist Barths Äußerung von 1935 zu verstehen, dass eine „Union zwischen Lutheranern und Reformierten ... nicht grundsätzlich ausgeschlossen“[14] ist.
Mit der These von der grundsätzlichen Einheit der Reformation, der Forderung nach der erneuten Aufnahme reformiert-lutherischer Gespräche über die umstrittenen Lehrfragen und der Perspektive einer „Union der Sachlichkeit“[15] bereitet Barth indirekt schon in seiner Göttinger Zeit einen weitreichenden Erkenntnisprozess innerhalb des Protestantismus vor. Es handelt sich dabei um die Bewegung, die unter seiner Mitwirkung in den dreißiger Jahren zur Suche nach einer Bekenntnisunion und seit den fünfziger Jahren zum Erstellen einer Konkordie reformierter und lutherischer Kirchen führt. Bereits in Göttingen wendet er sich gegen jede Form eines starren reformierten oder lutherischen Konfessionalismus. Er steht sowohl der Lutherrenaissance Karl Holls als auch der restaurativen Calvin-Renaissance unter Teilen der Reformierten skeptisch gegenüber. Denn der Konfessionalismus, so Barth in einer Predigt über 2. Mose 20,4–6 von 1935, gleicht einem von Menschen geschaffenen Gottesbild, das es abzulehnen gelte.[16]
So bringt Barth 1921 einerseits in das an der Göttinger Fakultät seit ihrem Bestehen gepflegte Luthertum und andererseits in den reformierten Protestantismus von außen her einen frischen unkonfessionalistischen und unionistischen Impuls hinein. Und im Anschluss an seine Göttinger Zeit warnt er immer wieder davor, zwischen lutherischem und reformiertem Protestantismus bzw. Luthertum und Calvinismus falsche Alternativen zu errichten oder künstliche Gräben aufzureißen. Dass sein eigenes Interesse an einer konfessionellen Verständigung und ökumenischen Offenheit gerade ein genuiner Zug des Calvinismus ist, in dessen Tradition er sich darum bewusst stellt, geht aus der Aussprache über einen Vortrag 1925 hervor: Lutheraner und Calvinisten seien gemeinsam der ganzen christlichen Kirche – denn sie allein ist die eine, wahre Kirche – verpflichtet und nicht primär einer partikularen Konfession. Darum wolle er auch selbst „?kein bornierter Konfessionalist“ sein. Allerdings macht er auch darauf aufmerksam: „?Der Calvinismus hat von jeher einen größeren Zug ins Ökumenische gehabt als das Luthertum.“[17]
Besonders eindrücklich zeigt sich zur Zeit des beginnenden Kirchenkampfes, dass Barth angesichts der aufkommenden nationalsozialistischen Häresie in Theologie und Kirche ein Denken in konfessionellen Schablonen unter allen Umständen zu vermeiden sucht. Angesichts der Hinwendung von Friedrich Gogarten zur Glaubensbewegung Deutsche Christen (DC) und im Vorfeld der Barmer Theologischen Erklärung erwägt Barth 1933 „?eine wirkliche Union zwischen Luthertum und Reformierten“ gegen die „gemeinsame(n) säkulare(n) Gegner des Evangeliums“[18]. Als Publikationsorgan einer solchen Union schlägt Barth keine konfessionelle, sondern eine konfessionsübergreifende evangelisch-kirchliche Zeitschrift vor.[19] Gerade über die brisante Problematik der natürlichen Theologie und ihrer politischen Implikationen scheint Barth eine gemeinsame Gesprächsebene zwischen Reformierten und Lutheranern und damit eine wahre Union möglich zu sein, die der falschen Union der DC entgegenzustellen sei.
Im Beitrag „Abschied von ‚Zwischen den Zeiten’“ erneuert Barth am 18.10.1933 sein Argument, dass sowohl das lutherische wie das reformierte Bekenntnis von der Theologie der DC tangiert sei. Er trifft die Feststellung: „Gute Lutheraner stehen heute nicht bei den Deutschen Christen, nicht bei den Vermittlern zwischen diesen und uns Anderen, sondern entschlossen bei uns Anderen! Und schlechte Reformierte genug stehen ganz oder halb bei den Deutschen Christen.“[20] Konsequent ruft er zu einer „Union zwischen den guten Lutheranern und den guten Reformierten“ auf, die sich „?in einem neuen Kampfbekenntnis“ mit überkonfessionellem Charakter Ausdruck verschaffen soll. Und er fügt hinzu: „Die ernsthaften Fronten laufen heute wirklich durch die Grenzen der beiden überkommenen Bekenntnisse quer hindurch.“[21]
Bereits im Vorfeld versucht das für die Entstehung der Barmer Theologischen Erklärung wegweisende Betheler Bekenntnis (1933), das Barth in der August-Fassung vorgelegt wird, der Herausforderung gerecht zu werden, als zeitgemäßes evangelisches Bekenntnis der Theologie der DC entgegenzutreten.[22] Barth gibt am 11.10.1933 eine kritische Stellungnahme ab, die zugleich ein Licht darauf wirft, welche Art von Bekenntnis er selbst sich wünscht. Er macht theologische Einwände zur Gesamtanlage des Bekenntnisses geltend. Und er übt vor allem Kritik an seinem Charakter als lutherisches Partikularbekenntnis, da es laut Vorrede „die Lehre der evangelisch-lutherischen Kirche“ darstellt. Barth fordert, das „aktuelle Problem der Union neu und besser, als vor 100 Jahren geschehen ist, aufzunehmen“, da „Lutheraner und Reformierte ... heute durch die vollkommene Erscheinung des häretischen Neuprotestantismus in Gestalt der ‚Deutschen Christen’ konkret und gemeinsam herausgefordert und zum Bekennen aufgefordert“ seien. Die Stunde sei gekommen, in der beide „?das gemeinsame Evangelische“ sagen und dabei „?das je Besondere hüben und drüben bewußt und bestimmt innerhalb dieses gemeinsamen Evangelischen“ nicht verschweigen dürfen. Da das Betheler Bekenntnis formell und inhaltlich zu eindeutig dem Luthertum verpflichtet sei, stehe der Versuch noch aus, „den Entwurf nun gemeinsam so durchzuarbeiten, daß er ... als evangelisches Bekenntnis vor die Öffentlichkeit treten könnte“. Vierzig Jahre vor Verabschiedung der Leuenberger Konkordie plädiert Barth also schon in dieser konkreten Bekenntnissituation (status confessionis) dafür, die alten Kontroversfragen über Christologie und Abendmahl zwar „als wichtige Schulfragen, aber nicht als trennende Glaubensfragen zu behandeln“.[23] Es gelte, so Barth an anderer Stelle, gegenwärtig nicht, Luther und Calvin gegeneinander auszuspielen. Denn heute müsse in der Kirche über das erste Gebot gestritten und eine wirkliche Union gegen die DC aufgerichtet werden.[24]
Die spätere November-Fassung des Betheler Bekenntnisses berücksichtigt in der Gliederung, aber auch in der Neuaufnahme der Themen Heiligung und Gehorsam einige der Anliegen Barths. Doch sein Vorschlag einer Lehr-Union zwischen Lutheranern und Reformierten wird abgelehnt. Begründet wird diese Ablehnung in der vermutlich von Georg Merz formulierten Vorbemerkung damit, dass sich die Verfasser des Bekenntnisses an einen „bestimmten Ort“ und ein „bestimmtes Erbe“ gebunden fühlen und darum keine Unionslehre vertreten können. In einer für die Druckfassung auf Anraten Bodelschwinghs gestrichenen Passage setzt sich Merz allerdings durchaus positiv mit Barths Vorschlag auseinander. Er hält die Stunde für ein gemeinsames lutherisch-reformiertes Bekennen sowie eine Überwindung der konfessionellen Spannung durchaus für gekommen. Und er gesteht auch zu, dass die Unterschiede der Reformatoren in der Gegenwart unwichtiger geworden sind.
Seine Forderung nach einem gemeinsamen überkonfessionellen Bekenntnis – nicht zu verwechseln mit einem Unionsbekenntnis, das eine Kirchenunion voraussetzen würde – bringt Barth bald darauf erneut zur Geltung. Am 3./4.1934 erläutert er auf der Freien reformierten Synode in Barmen die „Erklärung über das rechte Verständnis der reformatorischen Bekenntnisse in der DEK der Gegenwart“[25]. Weiter heißt es ausdrücklich in der Vorbemerkung zum Entwurf der Barmer Theologischen Erklärung (Frankfurter Konkordie vom 16.5.1934), dass Lutheraner, Reformierte und Unierte ungeachtet ihrer konfessionellen Herkunft in der Gegenwart gemeinsam reden und bekennen dürfen und müssen.[26] Als treibende Kraft leistet Barth damit die Vorarbeit zu einem neuen gemeinsamen Bekenntnis von Lutheranern und Reformierten, das schließlich auf der Barmer Bekenntnissynode am 31.5.1934 verabschiedet wird. Um den Lutheranern entgegenzukommen, wird als Überschrift der Titel ‚Theologische Erklärung’ gewählt.
Ausdrücklich formuliert Barth schon auf der Freien reformierten Synode (3./4.1.1934) das Thema überkonfessionell: „Erklärung über das rechte Verständnis der reformatorischen Bekenntnisse“. In der Erläuterung zu These I/2 erinnert er daran, dass die Reformatoren gemeinsam „Rom und Renaissancegeist“ entgegengetreten seien und die Evangelischen heute „dem alten Irrtum“ erneut gegenüberstünden. Und in These I/3 argumentiert er, dass angesichts dieses Irrtums ein überkonfessionelles Bekenntnis notwendig sei, und zwar „unbeschadet ihrer lutherischen, reformierten oder unierten Herkunft und Verantwortung“ der einzelnen Gemeinden. Den konfessionellen Belangen seien die Erfordernisse „des gemeinsamen evangelischen Bekennens und Handelns gegen den Irrtum und für die Wahrheit“ und somit das gemeinsame evangelische Bekenntnis überzuordnen. Weiter heißt es: „Können wir es uns leisten, im gegenwärtigen Augenblick noch gegeneinander zu stehen, Reformierte und Lutheraner? Wir haben es erlebt: es gibt mancherlei Reformierte und mancherlei Lutheraner; die wahre Scheidung geht quer hindurch.“[27] Und im Vorwort zur Erklärung schreibt er: „Lutheraner und Reformierte können und dürfen heute nicht gegeneinander, sondern sie können und müssen heute evangelisch-lutherisch und evangelisch-reformiert miteinander bekennen.“[28]
Für diese Überzeugung, die wesentliche Einheit des Protestantismus und sein „Einverständnis des Glaubens“[29] in den Vordergrund zu stellen und die alten Konfessionsunterschiede in Lehrfragen zurückzustellen, beruft Barth sich auf die Tradition der reformierten Kirche. Denn in ihr wird weithin die Zielvision von der einen christlichen evangelischen Kirche bzw. Kirche Jesu Christi zum Ausdruck gebracht. Während erst der spätere Calvinismus in einen Gegensatz zum Luthertum getreten ist, vertritt gerade Calvin die Ökumenizität des Christentums und steht darum natürlicherweise Pate bei der Abfassung der Barmer Theologischen Erklärung. Insofern bezeichnet Barth Calvin später auch als den „idealen Unionstheologen“[30].
Diese Überzeugung, angesichts der gemeinsamen Not gemeinsam reden zu müssen und auf jede konfessionelle Selbstbehauptung verzichten zu sollen, spiegelt sich sodann in der Einleitung zur Barmer Theologischen Erklärung vom 31.5.1934 wider: „Gemeinsam dürfen und müssen wir als Glieder lutherischer, reformierter und unierter Kirchen heute in der Sache reden. Gerade weil wir unseren verschiedenen Bekenntnissen treu sein und bleiben wollen, dürfen wir nicht schweigen, da wir glauben, daß uns in einer Zeit gemeinsamer Not und Anfechtung ein gemeinsames Wort in den Mund gelegt ist.“[31] Gewiss ist nach Barth in Glaubensfragen nun das gemeinsame Bekenntnis erforderlich. Doch er insistiert auch darauf, dass einerseits die theologische und kirchenpolitische Verständigung zwischen Lutheranern und Reformierten über die alten Lehrfragen noch aussteht. Und andererseits betont er, dass die konfessionellen Unterschiede nicht eliminiert werden müssen, sondern zu fruchtbaren Gegensätzen werden können.[32] Die 1933 aufgeworfene Frage nach einem gemeinsamen überkonfessionellen Bekenntnis spitzt Barth schließlich am 11.2.1935 im Vortrag „Die Möglichkeit einer Bekenntnis-Union“ noch weiter zu. Er weist darauf hin, dass Gottes Wille allein und nicht eine menschliche Entscheidung – wie in den problematischen Unionen des 19. Jahrhunderts geschehen – die Bildung einer wie auch immer gearteten Union erzwingen kann. Angesichts der Irrlehre der DC ist 1933 eben diese Situation entstanden: Lutheraner und Reformierte haben ungeachtet ihrer alten Bekenntnisunterschiede in einer gemeinsamen Not aus Gehorsam gegen Gottes Willen eine gemeinsame Erkenntnis in einer gemeinsamen theologischen Erklärung zur Sprache gebracht. Im Blick auf Barmen kann darum nach Barth durchaus von einer zumindest partiellen „echten und rechten Bekenntnis-Union“ die Rede sein. Ausdrücklich setzt er sich also zu jener Zeit für eine Bekenntnis-Union im Sinne einer von Gott gewirkten und also gefundenen Einheit ein, nicht jedoch für eine eigenmächtige Union im Sinne einer gesuchten Einheit.[33]
4. Auf dem Weg nach Leuenberg
Bereits 1923 mahnt Barth die Notwendigkeit eines Lehrgesprächs zwischen Reformierten und Lutheranern über das Abendmahl und das Problem der kontingenten Offenbarung an und formuliert: „In der Abendmahlsfrage liegen erste, ja entscheidende Probleme, mit denen wir keineswegs fertig sind, sondern über die ... die Aussprache auf beiden Seiten weitergehen muß. (...) Nicht um die Fortsetzung des Zanks geht es ..., aber um die Fortsetzung des Gesprächs, nicht um die Formeln, sondern um die Sache ...“[34] Auch im Anschluss an die im Kirchenkampf diskutierte Frage nach einer reformiert-lutherischen Bekenntnis-Union finden sich weitere Indizien für Barths Eintreten für eine konfessionsübergreifende Verständigung.
Ganz in diesem Sinne fordert er über zwanzig Jahre später 1947 „gemeinsame Bereinigungen“[35] zwischen Reformierten und Lutheranern: Es gelte, sich in die Diskussion des 16. Jahrhunderts hineinzuversetzen, um alte konfessionelle Fronten in ihrer geschichtlich begrenzten Bedeutung zu verstehen und als überholt zu erweisen. Und im gleichen Jahr stellt er seiner Vorlesung über den Heidelberger Katechismus den Hinweis voran, keineswegs „Öl ins Feuer des in Deutschland nun leider wieder auflebenden Konfessionalismus“ gießen zu wollen.[36] Ein Jahr später mahnt er im Rahmen der Weltkirchenkonferenz in Amsterdam unter Berufung auf Calvin erneut an, auf jeden reformierten Konfessionalismus zu verzichten. Stattdessen habe man die gemeinsame evangelische Reformation in der Zukunft im Sinne des Leitspruchs „ecclesia reformata est ecclesia semper reformanda“ zu suchen.[37]
Wenige Jahre später wird Barth 1955 in das beginnende interkonfessionelle Gespräch zwischen Reformierten und Lutheranern einbezogen, das schließlich 1973 in die Leuenberger Konkordie einmündet. Ferner wird er von der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung des Ökumenischen Rates der Kirchen aufgefordert, für die geplante Tagung reformierter und lutherischer Theologen in Davos am 30.7.1955 eine Stellungnahme zur Vorbereitung der Konferenz abzugeben. Auf die Frage nach den Themen, „die heute am dringendsten des gemeinsamen Studiums und Verständnisses der Vertreter beider Konfessionen bedürfen“[38], antwortet er in bezeichnender Weise. Statt konkrete Themen für das Gespräch vorzuschlagen, reflektiert er grundsätzlich über das Gegenüber der Konfessionen und nennt drei Voraussetzungen für das Gespräch.[39]
1) Lutheraner und Reformierte haben sich als zwei gleichberechtigte Richtungen innerhalb der einen evangelischen Kirche zu verstehen.
2) Ein theologisches Gespräch mit dem Ziel einer Einigung über die bestehenden lutherisch-reformierten Gegensätze ist unausweichlich geboten. Zu diesem Zweck ist die Frage zu klären, ob über die Gegensätze im 16. Jahrhundert oder über die gegenwärtig kontroversen Fragen geredet werden soll.
3) Ein lutherisch-reformiertes Gespräch ist offen, gleichberechtigt und in Bindung an die Schrift, nicht jedoch unter Berufung auf die Confessio Augustana oder einen bestimmten Reformator, zu führen.
Zusammenfassend ist festzuhalten: Vor seiner Göttinger Zeit versteht sich Barth eher unbewusst als reformierter Theologe. Dabei ist das gewiss vorhandene latente Interesse an der eigenen Konfession und Kirche überlagert von der Auseinandersetzung mit dem Liberalismus und Neuprotestantismus, mit dem religiösen Sozialismus und mit der Aufgabe der Schriftauslegung. Erst in Göttingen wird er sich insbesondere durch seinen Lehrauftrag und die damit verbundene Anforderung, an der lutherisch geprägten Göttinger Fakultät reformierte Kirchengeschichte und Theologie zu lehren, zunehmend seiner eigenen Konfessionalität bewusst.
Wenn wir nun abschließend fragen, welche Hinweise sich Barths Göttinger Vorlesungen direkt oder indirekt für seine Beurteilung des Spannungsfeldes von Konfessionalismus und Konfessionalität entnehmen lassen, ist mit Michael Weinrich[40] festzustellen: Wie der archaistische, so führt erst recht der konfessionalistische Umgang mit der theologischen Tradition, den Bekenntnissen und der äußeren Daseinsform der Kirche in eine theologische und näherhin ekklesiologische Aporie. Denn ein solches Unternehmen unterläuft das auf Seiten der jeweils anderen Konfession gültig Gesagte, setzt eigenes Reden und Handeln absolut. Es überspielt die theologisch gebotene Erkenntnis, dass jedes Zur-Sprache-Bringen Gottes (Dogmatik und Bekenntnis) und Zur-Gestalt-Bringen von Gottes Willen (Ethik und Kirche) nicht mehr als vorläufige und somit prinzipiell verbesserungsfähige Handlungen von auf Gottes Wort antwortenden Menschen sind.
Gerade Barth erinnert nun unter Bezug auf die von ihm gewonnenen Erkenntnisse über die reformierte Theologie daran, Theologie und Bekenntnis als Glaubenszeugnis, nicht jedoch als Glaubensgegenstand gelten zu lassen. Die irdisch-geschichtlichen Größen Theologie und Bekenntnis sind keine metaphysischen Urteilsinstanzen, an denen sich über alle Zeiten hinweg Wahrheit und Irrlehre unterscheiden lassen. Auch darf die wahre Rede von Gott nicht im Stile eines konfessionalistischen Fundamentalismus exklusiv für die eigene Konfession reklamiert werden. Der Grund liegt auf der Hand: Jeder Konfessionalismus widerspricht schließlich der Erkenntnis, dass das Reden und Handeln der Kirche irdisch-geschichtlich, also zeitbedingt ist. Und jeder Konfessionalismus unterläuft die gemeinreformatorische Grundüberzeugung, dass die Kirche der steten Selbsterneuerung bedarf (ecclesia semper reformanda). Insofern ist dem aporetischen Projekt einer konfessionalistischen Selbstbehauptung das Projekt einer in Wahrheit konfessorischen Kirche entgegenzusetzen. Denn gerade dieses Projekt studiert Barth an den reformierten Reformatoren und Bekenntnissen und arbeitet es in seine Theologie explizit und implizit gleichsam als ihren cantus firmus ein. Eine konfessorische Kirche schätzt das Erbe der eigenen konfessionellen Tradition, ohne es zu überschätzen und ohne es zum Axiom wahren Redens von Gott zu erheben. Eine konfessorische Kirche weiß um des gegenwärtigen Redens und Handelns willen Theologie und Bekenntnis als Auslegung des biblischen Zeugnisses ernst zu nehmen. Eine konfessorische Kirche reflektiert primär im Hören auf das biblische Zeugnis und sekundär im Befragen des eigenen sog. theologischen Erbes den Grund und das Ziel ihres Redens und Handelns. Und eine konfessorische Kirche ist eine in Wahrheit ökumenische Kirche, indem sie auf ihrem Weg als wanderndes Gottesvolk die Welt mit dem Zeugnis ihrer Theologie und ihres Bekenntnisses konfrontiert.
Ist die reformierte Kirche der Gegenwart eine solche konfessorische Kirche? In der KD eröffnet Barth folgende Perspektive: „Die Existenz verschiedener theologischer Schulen und Richtungen innerhalb derselben Kirche involviert also ... die grundsätzliche Bereitschaft, über den je verschiedenen ‚Bekenntnisstand’ als solchen ... hinauszublicken, über das Hören des bisherigen Bekenntnisses nach dessen eigener Anweisung hinauszuhören auf die letztlich allein gesetzgebende Autorität der heiligen Schrift, von der her gesehen es bei keiner Lehrverschiedenheit in der Kirche sein ewiges Bewenden haben kann“ (KD I/2, 933f.). Es scheint kein Zweifel daran zu bestehen, dass in diesen Grundkoordinaten auch Perspektiven für das ökumenische Gespräch zwischen Protestantismus, Katholizismus und Orthodoxie liegen.
Erstveröffentlichung: Reformierte Kirchenzeitung 138 (1997), 26-33.
[1] Begleitschreiben zur Ernennungsurkunde (16.8.1921), in: K. Barth – R. Bultmann, Briefwechsel 1911–1966, hg. v. B. Jaspert, Zürich 2. Aufl. 1994, 209. Vgl. zum Folgenden M. Freudenberg, Karl Barth und die reformierte Theologie. Die Auseinandersetzung mit Calvin, Zwingli und den reformierten Bekenntnisschriften während seiner Göttinger Lehrtätigkeit, Neukirchen-Vluyn 1997.
[2] Die Theologie Calvins, hg. v. H. Scholl, Zürich 1993, 95 und öfter.
[3] Autobiographische Skizze [1927], in: K. Barth – R. Bultmann, Briefwechsel 1911–1966, a.a.O., 298.
[4] Abschied von „Zwischen den Zeiten“, ZZ 11 (1933), 319.
[5] Rundbrief (5.2.1924), in: K. Barth – E. Thurneysen, Briefwechsel, Bd. 2: 1921–1930, hg. v. E. Thurneysen, Zürich 2. Aufl. 1987, 221.
[6] „Unterricht in der christlichen Religion“. Bd. 1: Prolegomena 1924, hg. v. H. Reiffen, Zürich 1985, 3.
[7] Vgl. A.I.C. Heron, Karl Barths Neugestaltung der reformierten Theologie, EvTh 46 (1986), 394 unter Bezug auf Barths Analyse der lutherisch-reformierten Gegensätze in der Christologie (KD I/2, 174–187; II/1, 548–551).
[8] Brechen und Bauen, in: ders., Der Götze wackelt. Zeitkritische Aufsätze und Briefe von 1930–1960, hg. v. K. Kupisch, Berlin 21964, 115.
[9] Reformierte Lehre, ihr Wesen und ihre Aufgabe, in: Vorträge und kleinere Arbeiten 1922–1925, hg. v. H. Finze, Zürich 1990, 245.
[10] Die Theologie der reformierten Bekenntnisschriften, hg. v. der Karl-Barth-Forschungsstelle an der Universität Göttingen (Leitung: E. Busch), Zürich 1998, 314.
[11] Ebd.
[12] Reformierte Lehre, a.a.O., 245
[13] Die Theologie Calvins, a.a.O., 120. Vgl. das Votum: „Ich bin nie ein Freund der sogen. ‚Union’ des 19. Jahrhunderts gewesen und bin es auch heute nicht.“ (Vorwort zur Erklärung über das rechte Verständnis der reformatorischen Bekenntnisse in der DEK der Gegenwart, in: ders., Gottes Wille und unsere Wünsche, TEH 7, München 1934, 6).
[14] Credo (1935), Zürich 1948, 169.
[15] Theologie Calvins, a.a.O., 120.
[16] Vier Predigten, TEH 22, München 1935, 44; vgl. KD III/4, IX.
[17] Die dogmatische Prinzipienlehre bei Wilhelm Herrmann, in: Vorträge, a.a.O., 551.
[18] Protokoll der Sitzung von ZZ am 30.9.1933 in München.
[19] Tatsächlich tritt in die durch den Ausfall von ZZ entstandene Lücke zunächst die Schriftenreihe „Theologische Existenz heute“. Daneben wird im April 1934 die Zeitschrift „Evangelische Theologie“ als Nachfolgeorgan von ZZ begründet.
[20] ZZ 11 (1933), 542.
[21] Ebd.; vgl.: Die Möglichkeit einer Bekenntnis-Union, in: EvTh 2 (1935), 38f.
[22] Die August-Fassung des Betheler Bekenntnisses erarbeiten Bonhoeffer, Merz, Sasse, Stratenwerth und Vischer; Abdruck in: C.-R. Müller, Bekenntnis und Bekennen, München 1989, 82–117. Zur Sache vgl. M. Lichtenfeld, Lutherische Theologie im Bekennen, MEAKZG, Folge 15 (1995), 5–60.
[23] Grundsätzliche Vorbemerkung zum Betheler Bekenntnis (11.10.1933), in: J. Glenthoj (Hg.), Dokumente zur Bonhoeffer-Forschung 1928–1945, Die mündige Welt 5, München 1969, 106f.; vgl. Brief an Thurneysen (16.10.1933), Abdruck in: G. Ruhbach, Das Betheler Bekenntnis, in: W.-D. Hauschild u.a. (Hg.), Die lutherischen Kirchen und die Bekenntnissynode von Barmen, Göttingen 1984, 68.
[24] Vorwort zur Erklärung über das rechte Verständnis, a.a.O., 6f.
[25] Bekenntnis der Freien reformierten Synode Barmen vom 4.1.1934, in: Reformierte Bekenntnisschriften, hg. v. G. Plasger/M. Freudenberg, 230–238; vgl. Vorwort zur Erklärung über das rechte Verständnis, a.a.O., 3–8.
[26] Vgl. C. Nicolaisen, Der Weg nach Barmen, Neukirchen 1985, 169. Zurückhaltender formulieren Asmussen und Sasse im „Erlanger Entwurf“ (24.5.1934), dass Lutheraner und Reformierte in der Gegenwart zwar gemeinsam zu sprechen hätten, jedoch eine Union außer jeder Diskussion sei (ebd., 170).
[27] Bekenntnis der freien Kirchensynode, in: Freie reformierte Synode zu Barmen-Gemarke am 3./4.1.1934, hg. v. K. Immer, Barmen 1934, 23f.
[28] Vorwort zur Erklärung über das rechte Verständnis, a.a.O., 6.
[29] Ebd.
[30] Gespräch mit Tübinger Studenten (2.3.1964), in: Texte zur Barmer Theologischen Erklärung, hg. v. M. Rohkämper, Zürich 1984, 224. Ebd.: „Ich wollte ... da nicht calvinische Theologumena hineinbringen. Aber es war einfach faktisch so, daß Calvin im Himmel sich allerdings freuen konnte.“
[31] Ebd., 2.
[32] Vorwort zur Erklärung über das rechte Verständnis, a.a.O., 7.
[33] Möglichkeit einer Bekenntnis-Union, a.a.O., 41.
[34] Reformierte Lehre, a.a.O., 236f.
[35] Brechen und Bauen, a.a.O., 115f.
[36] Die christliche Lehre nach dem Heidelberger Katechismus, Zürich 1948, 16.
[37] Unsere reformierten Kirchen und der Weltrat der Kirchen, TEH NF 15, München 1949, 14; vgl. ebd., 12: „Calvinisches Denken gibt uns eine Spielregel theologischer Kunst, die uns befähigen muß, gerade auf theologischem Feld echte ökumenische Arbeit zu leisten.“
[38] Brief von J.R. Nelson an Barth (1.2.1955), in: Offene Briefe 1945–1968, hg. v. D. Koch, Zürich 1984, 361.
[39] Brief an H.H. Harms (13.6.1955), Offene Briefe, 362–365.
[40] Vgl. zum Folgenden M. Weinrich, Reformiert ja, Konfessionalismus nein!, RKZ 135 (1994), 196–202; Chr. Link, Zum Thema „Reformierte Identität“, RKZ 134 (1993), 344–350.
©Prof. Dr. Matthias Freudenberg, Wuppertal und Schöller