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Biografien A bis Z
(1900-1985)
Visser 't Hooft, Willem Adolf, * 20.9. 1900 in Haarlem/Niederlande, † 4.7. 1985 in Genf, führender, niederländischer ev. Theologe der ökumenischen Bewegung; Generalsekretär des ÖK-Rates der Kirchen. - Willem Adolf Visser 't Hooft wurde am 20.9.1900 in Haarlem (Niederlande) geboren. In Leiden studierte er ev.-ref. Theologie. Bereits 1924 wurde er zum Sekretär des Weltbundes des CVJM berufen und konnte so 1925 als jüngster Teilnehmer an der Stockholmer Weltkirchenkonferenz, die durch die Initiative von Erzbischof Söderblom zustandekam, teilnehmen.
1931 wurde er Generalsekretär des christlichen Studentenweltbundes. In dieser Tätigkeit konnte er seine geistlichen Gaben mit einem glänzenden Organisationstalent verbinden. Er wurde so als Berater und Referent unentbehrlich. Ab 1937 war er in allen ökumenischen Weltkonferenzen präsent. Während der Not- und Verfolgungszeit des Nationalsozialismus hielt er, der tief von Karl Barths Theologie beeinflußt war, ständige Verbindung mit den Männern und Frauen der Bekennenden Kirche.
1938 konstituierte sich in Utrecht (Niederlande) ein »vorläufiger Ausschuß« des »in Bildung begriffenen Ökumenischen Rates der Kirchen«. Hier wurde Willem Adolf Visser 't Hooft zum Generalsekretär mit dem Sitz in Genf berufen. Seine einfühlsame, theologisch geprägte Geisteshaltung, verbunden mit dem praktischen Sinn für das menschliche Bestreben um die Einheit der Kirchen - auch trotz des zweiten Weltkriegs, förderte die Gründung des Ökumenischen Rates 1948 bei der Vollversammlung in Amsterdam.
Damit wurde ein weiterer Meilenstein nach 1925 in der Geschichte der Ökumene errichtet. Ohne die Mitwirkung des holländischen Theologen wäre das unmöglich gewesen. In glänzenden Referaten betonte Willem Adolf Visser 't Hooft die Einheit der Christen auf der Basis der Heiligen Schrift. In dieser und deren Ernstnehmen sah er die deutliche Verbindung der »vertikalen mit der horizontalen Dimension des Glaubens«.
Unermüdlich erklärte er die Notwendigkeit des Zusammenlebens der verschiedenen Kirchen, vor allem wenn es um die Öffnung zum Nächsten hin ging. So interpretierte er auch den Begriff »ökumenisch« als Ergebnis und Ziel eines missionarisch eingestellten Glaubenslebens: »Die christliche Ökumene hat nur dann das Recht sich so zu nennen, wenn sie daran denkt, daß sie dazu da ist, das Salz der Erde zu sein« (Kirche für die eine Menschheit, 1970, S. 46).
Für Willem Adolf Visser 't Hooft war es immer wichtig, die Theologie in ihrer eigenen Aufgabenstellung zu sehen. Das bedeutet die ständige, kritische Reflexion angesichts jeder neuen kulturellen Situation. Damit wurde seitens Willem Adolf Visser 't Hoofts die Notwendigkeit des Dialogs hervorgehoben: »Die Kirche darf nicht zur Bühne eines Monologs der Hierarchie, auch nicht der Theologen werden. Die Kirche ist ihrem Wesen nach dialogisch«. (Lehrer und Lehramt der Kirche, 1986, S. 135).
Der große, ökumenische Theologe erhielt zahlreiche Auszeichnungen: 1958 wurde ihm das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland verliehen. 1959 wurde er Ritter der französischen Ehrenlegion. 1966 erhielt er den Friedenspreis des deutschen Buchhandels. 1968 wurde er Ehrenpräsident der ökumenischen Vollversammlung. Schließlich erhielt er neben verschiedenen Ehrendoktorwürden 1977 den Hansischen Goethepreis. Er verstarb am 4.7.1985 in Genf, der Stadt, deren Ehrenbürger er war.
Literatur in Auswahl:
- Thomas Herwig, Karl Barth und die Ökumenische Bewegung. Das Gespräch zwischen Karl Barth und Wilhelm Adolf Visser't Hooft auf der Grundlage ihres Briefwechsels 1930-1968, Neukirchen 1997
- Karl Barth-Willem Adolf Visser 't Hooft, Briefwechsel 1930-1968, einschließlich des Briefwechsels von Henriette Visser 't Hooft mit Karl Barth und Charlotte von Kirschbaum, herausgegeben von Thomas Herwig (Karl Barth Gesamtausgabe Band 43), Zürich 2006, XXXI, 433 S.
- Lukas Vischer, Raum für Gottes Heilsplan. Zum Briefwechsel zwischen Karl Barth u. Willem A. Visser't Hooft (1930-1968), in: ÖR 56.2007, S. 372-385
- Lukas Vischer, Raum für Gottes Heilsplan. Zum Briefwechsel zwischen Karl Barth u. Willem A. Visser't Hooft (1930-1965), in: EvTh 67.2007, S. 470-480
- Die Ökumene u.d. Widerstand gegen Diktaturen. Nationalsozialismus u. Kommunismus als Herausforderung an d. Kirchen. Hrsg.: Joachim Garstecki. Stuttgart 2007.
Wie kommt Gott zu seinem Recht?
Rechtfertigung, Heiligung und Berufung bei Karl Barth – Nachklang zu einem Vortrag von Prof. Dr. Michael Beintker, Münster
Nicht nur im Rahmen der reformatorischen Rechtfertigungslehre bewegen
Wir bedürften „einer größeren Freiheit […] als die, die uns erlaubt wäre, wenn wir uns […] nur im Rahmen der reformatorischen Rechtfertigungslehre bewegen dürften“, war bereits Barth überzeugt (KD IV,1,588). Klassisch lutherisch-reformatorisch ist die Rechtfertigung allein aus Glauben Antwort auf die Frage: Wie kriege ich einen gnädigen Gott? Wer nun behaupte, das sei nicht mehr die Frage des modernen Menschen, denn der frage viel radikaler, ob es Gott überhaupt gäbe, muss sich von Barth sagen lassen, dies sei ein Scheinproblem. Denn: Die Frage nach der Existenz Gottes lässe sich nicht von der Weise seiner Zuwendung zum Menschen trennen, so Beintker. „Wer nach Gott fragt, muss wissen, dass er es sogleich mit seiner ganzen Wirklichkeit zu tun bekommt“.
Das Problem Gottes mit dem Menschen
Es geht in der Rechtfertigungslehre nach Barth also weniger um das Problem des Menschen mit Gott als vielmehr um das Problem Gottes mit dem Menschen. Die Frage ist: Wie kommt Gott zu seinem Recht? Und daran anschließend: Wie kommt der Mensch als permanenter Täter des Unrechts zu seinem Recht? Barth antwortet: „Das dem menschlichen Unrecht zum Trotz im Tode Jesu Christi aufgerichtete und in seiner Auferstehung proklamierte Recht Gottes ist als solches der Grund eines neuen, ihm entsprechenden Rechtes auch des Menschen.“ (KD IV/1,573)
Verzeihung schafft einen neuen Rechtszustand
Barths Rechtfertigungslehre ist forensisch ausgerichtet, betonte Beintker: Gottes rechtfertigendes Urteil über den Menschen geschieht im Gericht. Vergebung der Sünden werde dort zu der „in unseren Lebenslagen Gestalt gewinnenden Form der Rechtfertigung“. Barth selbst habe von „Verzeihung“ gesprochen. Diese geschehe nicht bloß verbal, sondern schaffe einen neuen Rechtszustand, so Beintker. Ein „schöpferisches Werk Gottes“ nannte Barth die Verzeihung, „in dessen Kraft der Mensch als derselbe alte Mensch, der er war und noch ist, nicht mehr derselbe, sondern schon ein anderer ist: der, der er sein wird, der neue Mensch (KD IV/1,667).
Heiligung ist Ziel der Rechtfertigung
Das Ziel der Rechtfertigung ist die Heiligung. Zu dieser Erkenntnis half Johannes Calvin Barth, während Luther stets betonte, die Rechtfertigung sei Voraussetzung der Heiligung, bzw. die Heiligung eine Folge der Rechtfertigung.
Für Barth solle der Mensch als „Gottes getreuer Bundespartner“ sichtbar werden, erläuterte Beintker, aber eine Mitwirkung des Menschen beim Rechtfertigungsgeschehen bleibe auszuschließen.
Entsprechung statt Kooperation
Was ist dann des Menschen Part? Den Gedanken einer „Kooperation“ zwischen Gott und Mensch habe Barth vermieden, so Beintker. Er brachte „die Beteiligung des Menschen an dem, was Gott tut“ mit der Kategorie der „Entsprechung“ zum Ausdruck und verglich den Dienst des Christen als Zeugen der Heilsgeschichte mit dem Dienst eines Ministranten im Gottesdienst.
Über sich selbst hinausweisen
Bei Barth gipfelte die Heiligung und ethische Bewährung des gerechtfertigten Menschen in der Berufung zum Zeugendienst. Als Zeuge Jesu Christi zu agieren, löst „von der Fixierung“ auf das eigene Christsein. Beintker: „Der Christ, der sich selbst recht versteht, wird immer über sich hinausweisen“. Dabei der „Freudenbewegung des Evangeliums“ zu entsprechen und kein „finsteres, saures, trauriges Evangelium“ zu bezeugen, forderte Barth.
An diese Mahnung erinnerte Beintker mit spürbarem Vergnügen und bat seinerseits um „wache Aufmerksamkeit“, was Barths Interpretation der Rechtfertigung für die aktuelle Diskussion zu sagen habe.
Der Vortrag von Michael Beintker: „Rechtfertigung – Heiligung – Berufung“ wird gedruckt erscheinen im Sammelband zum Symposion „Karl Barth als Lehrer der Versöhnung (1950-1968): Vertiefung - Öffnung – Hoffnung“ beim Theologischen Verlag Zürich (TVZ).
Barbara Schenck, Mai 2014
Eindrückliches vom dritten Internationalen Karl Barth Symposion in Emden. Von Barbara Schenck