Wichtige Marksteine
Reformierte im Spiegel der Zeit
Geschichte des Reformierten Bunds
Geschichte der Gemeinden
Geschichte der Regionen
Geschichte der Kirchen
Biografien A bis Z
(1697-1769)
Gerhard Tersteegen wird am 25. November 1697 als Sohn eines wohlhabenden Kaufmanns in Moers am Niederrhein geboren. Moers liegt im niederländisch-deutschen Grenzgebiet und hat in den letzten zweihundert Jahren unter verschiedenen Herrschaften gestanden. Dies bringt unterschiedliche kirchliche Einflüsse mit sich: auf der einen Seite den Protestantismus: ein Reformiertentum niederrheinischer und niederländischer Prägung sowie das Luthertum; auf der anderen Seite den spanischen und den deutschen Katholizismus. Die Menschen in Moers sind Grenzgänger; Tersteegen macht sich eine verbindende Irenik zu eigen.
Sein Vater ist vom reformierten Pietismus beeinflusst. Er stirbt, als Tersteegen sechs Jahre alt ist, und die Familie verarmt. Daher kann Tersteegen nach der Lateinschule nicht die Universität besuchen, sondern beginnt bei seinem Onkel in Mülheim an der Ruhr eine Ausbildung als Kaufmann.
Der Umzug nach Mülheim prägt sein Leben: In der ehemaligen Gemeinde Theodor Undereycks kommt Tersteegen mit dem mystisch-spiritualistischen Labadismus in Berührung, dort lernt er Hochmann von Hochenaus radikalen Pietismus kennen und befreundet sich mit dem von Hochmann bekehrten und von der Kirche abgewiesenen Theologiekandidaten Wilhelm Hoffmann.
1717 eröffnet Tersteegen sein eigenes Geschäft, doch das Kaufmannsleben sagt ihm nicht zu. Tersteegen sucht Ruhe und Kontemplation. Zwei Jahre später gibt er das Geschäft auf und arbeitet zunächst als Leinenweber, später als Seidenbandweber. Schon in dem Jahr seiner Geschäftseröffnung, 1717, übergibt Tersteegen sein Leben Christus; am Gründonnerstag 1724 verschreibt er sich an Christus. Er schreibt und unterzeichnet die Verschreibung, einen Brief an Jesus Christus, mit seinem eigenen Blut. Zuvor hat er nach langer Zeit der inneren Dunkelheit und einem Leben in völliger Askese Erfahrungen von Gottes Gegenwart und Liebe gemacht, die ihn von äußeren und inneren Zwängen befreien; er übergibt sich ganz der Führung Gottes.
Im folgenden Jahr gibt Tersteegen die gesundheitsschädliche strengste Askese auf und beginnt eine Lebensgemeinschaft mit seinem Freund Heinrich Sommer. Sein asketisch-klösterliches Leben wird vorbildlich für viele seiner Freunde. Die erste Wohngemeinschaft von Männern und Frauen, die ihr Leben in Gebet, Stille und Dienstfertigkeit verbringen wollen, wird 1727 in Otterbeck gegründet. Tersteegen ist der geistliche Führer der Gemeinschaft ("Pilgerhütte"), deren Hausregel er entwirft. Die Otterbeck trägt wesentlich zur Ausbreitung von Tersteegens Ideen bei.
Vermutlich ab 1725 hält Tersteegen bei Erweckungsversammlungen Ansprachen und Predigten. Die Predigttätigkeit wird später zu einem der wichtigsten Teile seiner Wirksamkeit. Er unternimmt zahlreiche Reisen zur persönlichen Seelsorge und zu Ansprachen in auswärtigen Versammlungen.
Zur reformierten Kirche hat er ein ambivalentes Verhältnis. Einerseits spottet er über eine gedankenlos übernommene "Erbreligion", nimmt auch nicht an Gottesdiensten oder gar den Sakramenten teil, andererseits ist er deutlich vom reformierten Protestantismus geprägt und bezieht sich in seinen Schriften gern auf die Reformatoren, insbesondere wenn er sich rechtfertigen oder verteidigen muss. Gleichzeitig steht er der katholischen Mystik nahe. Seine Anhänger will er jedoch nicht vom Kirchbesuch abhalten, sondern achtet darauf, dass seine Ansprachen nicht gleichzeitig mit Gottesdiensten stattfinden. Auch will er keine eigene kirchliche Gruppierung gründen. Eine verbindliche Organisation ist seiner Meinung nach unnötig, wenn jeder Mensch durch die liebende Gegenwart Gottes in inniger Gemeinschaft mit Gott und mit seinen Brüdern und Schwestern leben kann. Dennoch entstehen Freundeskreise, vor allem am Niederrhein und im Bergischen Land.
Trotz mehrerer schwerer Krankheiten und körperlicher Gebrechen wird Tersteegen einundsiebzig Jahre alt. Er stirbt am 3. April 1769 im Kreis seiner Freunde.
Gerhard Tersteegen ist in erster Linie Seelsorger. 1728 gibt er seinen Beruf auf, um ganz als Seelsorger leben zu können. Aus seelsorgerlichen Motiven predigt er, schreibt Briefe, veröffentlicht seine Gedichte, Lieder und Sprüche, aus seelsorgerlichem Antrieb beginnt er, Arzneimittel herzustellen und an seine Freunde zu verteilen. Auch pflegt er Kranke und organisiert ein Hilfswerk, das sich u.a. um psychosomatisch Erkrankte kümmert. Die medizinische Tätigkeit nimmt einen großen Raum in seinem Leben ein, auch wenn er sie nicht hoch schätzt, da letztlich Gott über Krankheit oder Gesundheit entscheide.
Tersteegens Dichtung ist größtenteils nicht zur Veröffentlichung bestimmt, sondern er wird von seinen Freunden überredet, die Sprüche und Gedichte zu veröffentlichen, um sie auch anderen nach Gott Suchenden zugänglich zu machen und so mehr Menschen auf den Weg zu Gott zu führen. 1729 erscheint die erste Fassung seines Gedichtbandes "Geistliches Blumengärtlein", drei Jahre später lässt er "Der Frommen Lotterie" drucken, einen weiteren Gedichtband. Die vorherrschenden Themen seiner Dichtung sind Gegenwart Gottes, Jesus-Lyrik, Heilsweg, Buße und Bekehrung sowie Brautmystik.
Neben eigenen Gedichten und Schriften veröffentlicht Tersteegen die Schriften quietistischer Mystiker, die ihm viel bedeuten und die er ins Deutsche übersetzt. Sein literarisches Lebenswerk aber sind die "Auserwählten Lebensbeschreibungen Heiliger Seelen", die zwischen 1733 und 1754 erscheinen und Biographien katholischer Gläubiger vorstellen. Sie sollen die innere Führung durch Gott zeigen und so ihre Leser zu einem geistlichen Leben anregen. Nach Tersteegens Tod veröffentlichen seine Freunde Ansprachen und Briefe des reformierten Mystikers.
Tersteegens Theologie basiert auf einem relativen Dualismus, bei dem das Innerliche vom Äußerlichen getrennt ist. Allerdings sind beide so miteinander verbunden, dass das Äußerliche und die äußerlichen Hilfsmittel (Heilige Schrift, Kirche, Sakramente) zum Inneren führen können. Im Inneren aber findet der Mensch Gott. Gott ist im Herzen des Menschen gegenwärtig. Doch nicht nur dort steht der Mensch in Kontakt mit Gott, denn Gott ist allgegenwärtig. Alles, was der Gläubige tut, geschieht in ihm, Essen, Trinken, Danken, Loben, Leben. Im Inneren aber kann der Mensch Gott erkennen und zu ihm beten. Das Gebet besteht nicht im Formulieren schöner Sätze, sondern in der Wendung nach Innen.
Sünde ist die Abwendung von Gott, Hinwendung zur Welt. In Jesus Christus aber hat Gott den Menschen ganz ohne ihre Mitwirkung das Heil gegeben. Die Rechtfertigung des Sünders geschieht vor Gott und im Herzen der Menschen, dann auch vor anderen Gerechtfertigten. Des Menschen Weg zum Heil besteht aus Buße und Bekehrung. Dabei muss jeder Mensch diesen Weg individuell gehen; es gibt kein vorgegebenes Schema. Vielleicht ist Tersteegen auch deshalb die Seelsorge so wichtig, er begleitet jeden Gläubigen auf seinem persönlichen Heilsweg. Leiden kann auf diesem Heilsweg läuternd wirken, und es verbindet den Menschen mit Christus, der Karfreitag am Kreuz aus Liebe zu den Menschen gelitten hat. So wirken Gnade Gottes, Gebet, Selbstverleugnung und Leiden zur Heiligung des Menschen, der zu einer neuen Kreatur in Christus wird, indem er die Stufen der Heiligung durchschreitet. In der innigsten Gemeinschaft mit Gott, der unio mystica, wird der Mensch in Gott aufgenommen.
Tersteegens Schriften werden in frommen Kreisen, bei den "Stillen im Lande", viel gelesen und prägen die Frömmigkeit einer ganzen Generation. Gegen Anfang des 18. Jahrhunderts jedoch ist der mystische Dichter fast vergessen. Erst mit der Errichtung seines Grabdenkmals 1838 beginnt eine Tersteegen-Renaissance, sein 200. Geburtstag wird groß gefeiert. Seine Lieder werden ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vermehrt in deutsche Gesangbücher aufgenommen. In den Niederlanden erfährt Tersteegen erst seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Aufmerksamkeit; ebenso in den meisten anderen europäischen Ländern. Dagegen reicht sein Einfluss auf Amerika und Russland weiter zurück. Auswanderer importieren seine Schriften nach Amerika, in Russland findet vor allem seine Dichtung Anklang.
Kirche und Staat Israel
Kirchliche Verlautbarungen aus uniertem und reformiertem Kontext
Rheinischer Synodalbeschluss (Januar 1980) und 1996 ergänzter Grundartikel
Wir und die Juden – Israel und die Kirche.
Leitsätze in der Begegnung von Juden und Christen (1990)
Diskussionsimpuls zur Lage in Israel / Palästina (EKiR im September 2008)
Evangelische Kirche im Rheinland
Rheinischer Synodalbeschluss (Januar 1980)
2. Vier Gründe veranlassen die Kirche dazu:
(1) Die Erkenntnis christlicher Mitverantwortung und Schuld an dem Holocaust, der Verfemung, Verfolgung und Ermordung der Juden im Dritten Reich.
(2) Neue biblische Einsichten über die bleibende heilsgeschichtliche Bedeutung Israels (z. B. Röm 9-11), die im Zusammenhang mit dem Kirchenkampf gewonnen worden sind.
(3) Die Einsicht, daß die fortdauernde Existenz des jüdischen Volkes, seine Heimkehr in das Land der Verheißung und auch die Errichtung des Staates Israel Zeichen der Treue Gottes gegenüber seinem Volk sind (vgl. Studie ,Christen und Juden’ III.2. und 3).
(4) Die Bereitschaft von Juden zu Begegnung, gemeinsamem Lernen und Zusammenarbeit trotz des Holocaust.“
1996 ergänzter Grundartikel der rheinischen Kirchenordnung: „Die Evangelische Kirche im Rheinland bezeugt die Treue Gottes, der an der Erwählung seines Volkes Israel festhält. Mit Israel hofft sie auf einen neuen Himmel und eine neue Erde.“
Jüngere Texte zum Rheinischen Synodalbeschluss:
http://www.ekir.de/www/ueber-uns/materialien-und-links-13873.php
Evangelische Kirche der Union
Votum „Kirche als ‚Gemeinde von Brüdern’ (Barmen III)“ (Mai/Juni 1980)
des Theologischen Ausschusses der Evangelischen Kirche der Union
Der Staat Israel - Frage an die Kirche
Die „Entstehung des Staates und die damit verbundene Wiedergeburt des alten Israel in weithin sichtbarer Volksgestalt ist ein historisches Ereignis, daß sie beide - die Synagoge und die Kirche -, wenn sie in Wahrheit unter Gottes Wort stehen, in seiner heilsgeschichtlichen Komponente ernst zu nehmen haben“. (1) Wichtiger als die Zurückweisung eines solchen problematischen Satzes ist die Frage: Hat nicht auch die Kirche seit den Tagen von Nicäa (325 n. Chr.) ihre historische Entwicklung von der rechtlosen und oftmals verfolgten zur anerkannten, dann privilegierten und schließlich alleinigen Staatskirche heilsgeschichtlich interpretiert? Hat sie nicht diese Überhöhung historischer Ereignisse zu Zeichen göttlichen Offenbarens bis in unmittelbare Vergangenheit in vielen Formen fortgesetzt? Gerade die Barmer Synode hatte dem in ihrer ersten These widersprochen. So begegnen wir Christen in solchen Äußerungen frommer Israelis uns selbst, der Kirche durch die Jahrhunderte hindurch. Gerade die Kirchengeschichte zeigt, daß heilsgeschichtlicher Enthusiasmus auf politischem Feld von jeher den Blick für eine vernünftige, maßvolle Politik trübt. Wieder sind wir mit Juden auch an diesem Punkt in Blindheit und Schuld zusammengebunden.
Aber die gemeinsame Schuldverflochtenheit reicht noch weiter: Die den politischen Zionismus auslösende Broschüre Theodor Herzls ‚Der Judenstaat’ (1895) wurde unter dem Eindruck des Antisemitismus in Frankreich (Dreyfus-Prozeß 1894) verfaßt. Russische Juden wanderten nach den furchtbaren Pogromen von 1881-1884 und 1903-1905 nach Palästina aus, um dort eine sichere Heimstatt zu finden. Wenn der neue Staat Israel Züge eines Selbstbehauptungswillens trägt, der das eigene Recht groß und das Recht der Araber, die ihre Heimat verloren haben. klein schreibt, so sind dieses Überwiegen des Sicherheitsbedürfnisses und das Festhalten an der Besetzung fremder Gebiete eine bittere Frucht der Ausrottung des europäischen Judentums. Sie aber hat die evangelische Kirche in Deutschland, aufs Ganze gesehen, ohne Protest geschehen lassen. (2)
Der mit der Machtstellung der Kirche seit dem 4. Jahrhundert verstärkt auftretende Antijudaismus, der Antisemitismus des 19. und 20. Jahrhunderts und die Ausrottungspolitik des NS-Regimes sind natürlich zu unterscheiden. Aber jede Gestalt dieser Feindschaft erbte weithin Denkungsart, Verhalten und Methoden ihrer Vorgänger. Es scheint darum nicht haltbar, den heutigen Antizionismus von seinen Vorläufern völlig abzutrennen und zu behaupten, er habe mit ihnen nichts zu tun. In seiner radikalen Form verneint er die Existenz des Staates Israel und zielt damit auf die Austreibung von drei Millionen Menschen ins Elend. Die Behauptung, der Zionismus sei eine Form des Rassismus, ist von kirchlicher Seite mit Recht zurückgewiesen worden. Daß bei der Entstehung des Staates Israel Gewalt und Unrecht geschehen sind, unterscheidet diese Staatsgründung in nichts von der Gründung anderer Staaten und Reiche. Und daß auch die israelische Politik die Züge der gefallenen Menschenwelt trägt, ist kein Grund, ‚Israel’ zu verdammen. Viele Israelis sagen heute: ‚Wir wollen ein normales Volk sein - nichts weiter.’ Danach soll Israel ein moderner Staat wie alle anderen sein, und seine Politik soll sich nicht von den Methoden und Zielen der Politik anderer Staaten unterscheiden. Gleichwohl haben seine jüdischen Bürger an dem Geheimnis teil, das über der Geschichte der Juden liegt. Das bringt der Staat Israel dadurch zum Ausdruck, dass seine Gesetze vielfältige Bezüge zu religiösen Gesetzen haben. (3) Freilich schränken diese Bezüge die Rechte der Christen jüdischer Abstammung und der arabischen Bürger Israels ein. So steht dieser neue Staat im Licht und im Schatten: Einerseits ist er für Juden und Christen ein Zeichen der Treue Gottes, der aus dem Tod Leben schafft und sein Reich vollenden wird. Andererseits ist auch die Geschichte des Staates Israel nicht frei von menschlichem Irrtum und Zurückbleiben hinter der Berufung. Selbst jüdische Stimmen haben daran erinnert, daß Israel zum Segen für andere Völker gesetzt wurde (Gen 12,3), daß aber diese Zusage durch die ihm als Staat aufgezwungenen Auseinandersetzungen immer wieder verdunkelt wird. So können wir als evangelische Christen in Deutschland uns keinesfalls von dem weiteren Weg dieses Staates und seiner jüdischen Bürger distanzieren. Praktisch bedeutet das: Bejahung der Existenz des Staates Israel und engagiertes Suchen nach einer gerechten und umfassenden Friedensordnung im Nahen Osten. Vor allem aber gilt es, das jüdisch-christliche Gespräch bei uns fortzusetzen und zu vertiefen."
(1) Schalom Ben-Chorin. Im jüdisch-christlichen Gespräch, Berlin 1962, S. 99.
(2) Erst 1943 hat die Bekenntnissynode der Evangelischen Kirche der Altpreußischen Union in einem Wort zum Bußtag den Mord au den Juden verurteilt. Darin wird vor der Übertretung der 10 Gebote gewarnt. Jeder Hinweis auf ein Gebot beginnt mit dem Ruf: ‚Wehe uns!’ Zum 5. Gebot heißt es: ‚Wehe uns und unserem Volk, wenn das von Gott gegebene Leben für gering geachtet und der Mensch, nach dem Ebenbilde Gottes erschaffen, nur nach seinem Nutzen bewertet wird; wenn es für berechtigt gilt. Menschen zu töten, weil sie für lebensunwert gelten oder einer anderen Rasse angehören, wenn Haß und Unbarmherzigkeit sich breit machen. Denn Gott spricht: ‚Du sollst nicht töten’.’ Doch fand diese Kanzelabkündigung in den sich verschärfenden Luftangriffen auf Deutschland vermutlich wenig Beachtung.
(3) Gemeint sind Bezugnahmen auf den Talmud. der eine Sammlung von Bestimmungen enthält, die die alttestamentliche Weisung weiterführen und für das Leben des einzelnen Juden anwendungsfähig machen sollen.
Evangelische Kirche im Rheinland
Rheinische Erklärung (1983)
„1. Wir rufen erneut unsere Gemeinden und die Öffentlichkeit zur Umkehr auf. Wir dürfen nicht unwidersprochen hinnehmen, wenn der Libanon-Krieg und seine schrecklichen Folgen unseren jüdischen Mitbürgern zur Last gelegt werden. Sie hatten auf die Entstehung und den Verlauf dieses Krieges keinen Einfluß. Wir ermutigen die Glieder unserer Kirche, offen für unsere jüdischen Mitbürger einzustehen, wo immer diese auf alte oder neue Vorurteile stoßen. Ebenso bitten wir insbesondere evangelische Eltern und Lehrer, entschieden dazu beizutragen, daß die jüdischen Mitbürger ohne Bedrohung und Angst mit uns leben können.
2. Wir verurteilen, wie in manchen Medien über die jüngsten Ereignisse im Nahen Osten berichtet wurde. Wer Entscheidungen einer demokratisch legitimierten und demokratischer Opposition ausgesetzten Regierung - mag er sie für falsch und verhängnisvoll halten - mit Begriffen wie „Holocaust" und „Endlösung" bezeichnet, beleidigt die Opfer der nationalsozialistischen Judenvernichtung.
3. Wir wehren uns gegen einen neuen Antisemitismus, der sich als Anti-Zionismus oder Anti-Beginismus tarnt und mit kaum verhohlener Schadenfreude darauf hinweist, daß der Staat Israel durch seine militärischen Aktionen in Schuld verstrickt wurde.
Aus dem Synodalbeschluß von 1980 folgt nicht der Verzicht auf Kritik an bestimmten Entscheidungen der jetzigen Regierung Israels. Doch ist zu beachten, daß die Gefühle jüdischer Mitbürger verletzt werden können. Auch müssen sich Christen hüten, mit solcher Kritik dem alten und neuen Antisemitismus Vorschub zu leisten oder an Versuchen wahrheitswidriger Entlastung von historischer deutscher Verantwortung teilzuhaben.
4. Wir hoffen auf Frieden im Nahen Osten und eine für alle an dem Konflikt beteiligten Völker und Gruppen gerechte Lösung. Wir wünschen, daß von allen Menschen in dieser Region endlich die Angst weicht, daß das Leiden unschuldiger Menschen beendet wird und daß ein dauerhafter Frieden im Nahen Osten auch zu einer freieren Begegnung zwischen Juden und Christen führt.
5. Wir rufen alle Glieder unserer Kirche auf, sich mehr noch als bisher mit Glauben, Wesen und Geschichte des jüdischen Volkes zu beschäftigen und damit zur Verwirklichung des Synodalbeschlusses von 1980 beizutragen.“
Evangelisch-reformierte Kirche
Beschluss zum Verhältnis von Kirche und Israel
des Landeskirchentags der Evangelisch-reformierten Kirche in Nordwestdeutschland (Mai 1984)
Mit ihrer gemeinsamen Hoffnung auf die Verheißungen und die kommende messianische Welt Gottes sind Juden und Christen zum Aufbau einer durch Recht, Gerechtigkeit und Frieden bestimmten Weltgesellschaft berufen.
Deshalb bitten wir die Gemeinden und die Bezirkskirchenverbände, aber auch die anderen Kirchen, sich mit allen Formen des Antijudaismus in Theologie und Kirche, in Verkündigung und Unterricht kritisch auseinanderzusetzen, dem Wiederaufleben des Antisemitismus in unserer Gesellschaft zu widerstehen, sensibel zu werden für die Leidens- und Hoffnungsgeschichte des jüdischen Volkes und gegen einen pauschalisierenden Antizionismus aufzustehen, der Israel eine freie und unabhängige Existenz abspricht.
Belastet mit unserer Schuld am Holocaust, erscheint uns die Vorstellung ungeheuerlich, daß deutsche Waffen im Konfliktfall gegen die überlebenden Opfer des Holocaust, gegen ihre Kinder und die übrigen Teile des jüdischen Volkes in Israel eingesetzt würden. Wir beten und hoffen, daß Israel und seine Nachbarn zu einem Leben in Frieden und Gerechtigkeit finden werden.“
Reformierter Bund
Wir und die Juden – Israel und die Kirche.
Leitsätze in der Begegnung von Juden und Christen (1990)
Leitsatz VI
Israel: Volk, Land, Staat
„Dankbar preisen wir die Treue Gottes, der sein Volk erwählt hat. Wir erkennen, daß untrennbar mit der Erwählung die Landverheißung verbunden ist. Die Erinnerung an diese Verheißung ist von Israel sowohl im Land als auch in der Diaspora lebendig gehalten worden. Das zeigen unter anderem der Festkalender und die Liturgie. Diese Beziehung zum Land hat auch Eingang gefunden in den politischen Zionismus und zur Gründung und Entwicklung des Staates Israel beigetragen. In unserer Zeit sehen wir in der Rückkehr von Juden ins Land Israel eine Bestätigung der Treue Gottes.
In dem allen werden die irdisch-geschichtlichen Dimensionen der Verheißungen Gottes den Christen und allen Völkern nachhaltig vor Augen und ins Bewußtsein gerückt.
„Und ich will die übrigen meiner Herde sammeln aus allen Ländern, dahin ich sie verstoßen habe, und will sie wiederbringen zu ihren Hürden, daß sie sollen wachsen und viel werden.“ (Jer. 23, 3)
„Denn so spricht der Herr Zebaoth, der mich gesandt hat, über die Völker, die euch beraubt haben: Wer euch antastet, der tastet meinen Augapfel an.“ (Sach. 2, 12)
Weil wir als Christen in einem besonderen Zusammenhang mit dem jüdischen Volk stehen, treten wir öffentlich für das Leben dieses Volkes ein und begleiten voll Hoffnung und Sorge das Leben der Juden im Land Israel und den Weg des Staates Israel. Wir widersprechen allen Bestrebungen, die das Lebensrecht Israels problematisieren. Mit unseren Gebeten und in politischer Verantwortung sind wir dem Staat Israel, seiner Lebensgestalt und seiner Entwicklung, besonders in seinen Gefährdungen und Bedrohungen, zugewandt und verpflichtet.“
Aus: Wir und die Juden – Israel und die Kirche. Leitsätze in der Begegnung von Juden und Christen, hrsg. von Maik Fleck (Reformierte Akzente 3), 2. Aufl. Wuppertal 1997
Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE)
Leuenberger Kirchengemeinschaft
Kirche und Israel (2001)
Ein Beitrag der reformatorischen Kirchen Europas zum Verhältnis von Christen und Juden
Unter Teil I: Israel und die Kirche:
„Die Frage einer theologischen Deutung des Staates Israel wird von den Kirchen unterschiedlich beantwortet. In einigen Erklärungen wird die Gründung dieses Staates im Jahre 1948 ausdrücklich als ein geschichtliches Zeichen der Treue Gottes zu seinem Volk gewertet; in anderen Erklärungen fehlt eine theologische Aussage über den Staat Israel. Ein weitgehender Konsens besteht darin, daß sorgfältig unterschieden wird zwischen der biblischen Landverheißung an das Volk Israel und dem säkularen Staat Israel. In der erwähnten österreichischen Erklärung aus dem Jahre 1998 wird die Hoffnung ausgesprochen, daß ‚dieser Staat mit seinen Nachbarn – insbesondere mit dem palästinensischen Volk – in gegenseitiger Achtung des Heimatrechtes einen sicheren Frieden findet, so daß Juden, Christen und Muslime friedlich zusammenleben können’.“
"1.1.3 Die Kirche ist aus geschichtlichen und theologischen Gründen mit Israel in Solidarität verbunden. Dies gilt auch dann, wenn Kirchen zum arabisch-israelischen Konflikt und zu aktuellen politischen Entscheidungen der Regierung des Staates Israel kritisch Stellung nehmen. Die Kirchen treten allen Tendenzen entgegen, die zionistische Bewegung, die zur Gründung des Staates Israel führte, als rassistisch zu diffamieren. Die Kirchen unterstützen alle Bemühungen des Staates Israel und seiner Nachbarn, insbesondere des palästinensischen Volkes, in gegenseitiger Achtung einen sicheren, dauerhaften und gerechten Frieden zu finden und zu bewahren. Die Frage, ob die Gründung und Existenz des Staates Israel auch für Christen eine theologische Bedeutung hat, wird in den Kirchen unterschiedlich beantwortet und bleibt eine Herausforderung für die Kirchen. In diesem Zusammenhang ist jede direkte politische Inanspruchnahme der biblischen Landverheißungen zurückzuweisen. Ebenso sind alle Deutungen, die diese Verheißungen im Licht des christlichen Glaubens als überholt ansehen, abzulehnen. Die christliche Wahrnehmung der Erwählung Israels als Volk Gottes kann in keinem Fall dazu führen, daß die Unterdrückung von politischen, ethnischen und religiösen Minoritäten religiös legitimiert wird."
Unter Teil III: Die Kirche in Israels Gegenwart:
"Die Kirchen unterstützen alle Bemühungen des Staates Israel und seiner Nachbarn, insbesondere des palästinensischen Volkes, in gegenseitiger Achtung einen sicheren, dauerhaften und gerechten Frieden zu finden und zu bewahren. Die Frage, ob die Gründung und Existenz des Staates Israel auch für Christen eine theologische Bedeutung hat, wird in den Kirchen unterschiedlich beantwortet und bleibt eine Herausforderung für die Kirchen. In diesem Zusammenhang ist jede direkte politische Inanspruchnahme der biblischen Landverheißungen zurückzuweisen. Ebenso sind alle Deutungen, die diese Verheißungen im Licht des christlichen Glaubens als überholt ansehen, abzulehnen. Die christliche Wahrnehmung der Erwählung Israels als Volk Gottes kann in keinem Fall dazu führen, daß die Unterdrückung von politischen, ethnischen und religiösen Minoritäten religiös legitimiert wird."
Quelle: Kirche und Israel (2001), Leuenberger Texte Heft 6
Barbara Schenck
Am 28. Juni 2011 vor zehn Jahren markierte die GEKE-Studie „Kirche und Israel“ einen Meilenstein in den jüdisch-christlichen Beziehungen. Zu ihrem Jubiläum tagten rund 40 Experten aus Europa in Arnoldshain und riefen erneut zu ihrer Umsetzung auf.
"60 Jahre Staat Israel. Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist" - das Themanheft 2008 des Deutschen Koordinierungsrats e.V. mit theologischen, gesellschaftspolitischen und pädagogischen Beiträgen steht bereit zur Online Bestellung.
Das Verhältnis Israels zu seinem Land ist kaum bedacht in christlicher Dogmatik. Anders bei Friedrich-Wilhelm Marquardt, dem 2002 in Berlin verstorbenen Professor für Evangelische Theologie. In seiner Eschatologie lädt Marquardt ein, das jüdische Volk und seinen Staat als "neue Tatsache" wahrzunehmen. Er hält dabei fest: Bis zum jüngsten Gericht „können wir die Geschichte von den Juden und ihrem Land nur als Geburtswehen eines kommenden Neuen begreifen“.
"Jetzt können wirs in der Zeitung lesen: Gott hält seine Verheißung.“ - So Karl Barth unter dem Eindruck des militärischen Sieges Israels im Sechtstagekrieg.
In dem Anspruch des jüdischen Volkes auf das Land Israel sieht der Alttestamentler Frank Crüsemann die möglicherweise größte Herausforderung für christliche Theologie dieser Tage. Er benennt drei Problemfelder einer christlich-theologischen Beurteilung des Staates Israel und erinnert an drei Aspekte, die für weitere kirchliche Stellungnahmen zum jüdischen Staat zu bedenken sind.