Was trägt?

Predigt Konfirmation 2022


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Von Martin Braukmann

Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, liebe Eltern, liebe Gemeinde,

heute feiern wir einen Tag, der schon eine besondere Bedeutung hat. Ihr habt euch rausgesputzt. Familie und Gäste sind da. Wir feien einen Gottesdienst und später werdet ihr zuhause mit euren Familien und Freunden feiern. Aber morgen oder übermorgen ist die Welt für euch doch wieder die Gleiche wie letzte Woche auch. Dem äußeren Anschein nach, hat sich da nicht viel getan, außer, dass euer Kontostand wahrscheinlich deutlich gewachsen ist.

Das war vor 50/60 Jahren noch anders. Damals fielen Konfirmation, Schulende und Start ins Berufsleben zusammen. Da stand also wirklich eine große Veränderung an. Aus der Kinderwelt wurde ein deutlicher Schritt in Richtung Erwachsenenwelt gemacht.

Die Konfirmation ist heute noch immer etwa im Alter von 14 Jahren, aber wie beschrieben ändert sich äußerlich gar nicht so viel für euch. Aber vielleicht empfinden die Eltern das ein Stück weit anders. Sie spüren wohl am deutlichsten, wie aus ihren Kindern langsam Erwachsene werden. In diesem Nachdenken: wo steht ihr? wo soll es hingehen? was brauche ich? möchte ich euch die Frage stellen (euch Eltern und Konfirmanden): was trägt? Was hält und schafft doch Freiheit zum Leben?

Ich möchte euch vergleichen mit Schiffen, die noch im Hafen liegen, sich aber bereitmachen, um rauszufahren. Dazu sind Schiffe schließlich da. Sie sollen raus aus dem Hafen. Da ist nicht ihr Ort. Gut, wenn es einen Hafen gibt, in dem man festmachen kann. Aber der Ort der Schiffe ist das Meer. Nur, wie ist das, wenn man noch gar keine Erfahrung damit hat? Wenn es die erste Ausfahrt ist?

Da kommt wir ein Ausspruch von Goethe in den Sinn: "Zwei Dinge sollen Kinder von ihren Eltern bekommen: Wurzeln und Flügel“. Ich sehe da eine zeitliche Folge. Erst das eine, dann das andere. Mit welchen Wurzeln seid ihr aufgewachsen, liebe Konfis? An Euch Eltern gefragt: wo habt ihr den Kindern Raum geschaffen, dass Sie Wurzeln ausbilden konnten?

Ich bin davon überzeugt, dass nur der sich wirklich frei entfalten kann, Freiheiten entdecken kann, der zugleich auch fest verwurzelt ist. Das hört sich wie ein Widerspruch an, ist es aber nicht. Ich sehe es als prägend wichtig an, wenn man Wurzeln treiben konnte. Da ist zunächst die Verankerung in der Familie. Sie gibt mit ihren Beziehungen Halt und Geborgenheit. Wenn Kinder nicht lernen, in einem festen, verlässlichen und gewissen Urvertrauen ihren Grund zu finden, dann wird sie das ihr Leben lang begleiten. Das gilt für Beziehungen und auch Inhalte.

Und an eben dieser Stelle kommt für mich auch der Glaube ins Spiel. Als Eltern haben Sie ihr Kind zur Taufe gebracht. Und eben damit haben Sie ihr Kind in eine Beziehung zu Gott hineingestellt. Und auch der Konfirmationsunterricht wollte ein Raum sein, um Wurzeln treiben zu können. Sich festmachen zu können bei Gott.

Es ist mir ein großer Wunsch und eine Hoffnung, dass diese Wurzeln euch halten, versorgen und Stand geben. Ebenso, wie das bei einem Baum ist, hören auch wir Menschen nicht auf, Wurzeln auszubilden. So ist die Sache mit Gott, der Glaube, ja nicht fertig mit der Konfirmation, sondern danach geht es erst richtig weiter. Denn erst jetzt tun sich viele Lebensräume auf, in denen sich der Glaube in seiner Tragkraft erweisen muss. Hält er? Trägt er? Welche Bedeutung hat der Glaube, wenn es aus dem Hafen rausgeht aufs offene Meer.

"Zwei Dinge sollen Kinder von ihren Eltern bekommen: Wurzeln und Flügel“. Um in meinem Bild zu bleiben, möchte ich die Begriffe austauschen. Kinder brauchen einen Anker und Segel. Erstaunlicherweise kann der Glaube an Jesus Christus beides gleichzeitig sein.

Wenn man ihn braucht, wirft man ihn weg. Dieser rätselhafte, etwas paradoxe Satz über den Anker hat auch im übertragenen Sinne eine schöne Bedeutung. Denn der Anker ist ein ganz altes christliches Symbol. „Wir halten uns fest an der Hoffnung, die wir als einen sicheren und festen Anker unserer Seelen haben“, heißt es im Hebräerbrief in der Bibel.

Anker als Hoffnungssymbole findet man schon auf Wandzeichnungen in den römischen Katakomben, wo die ersten christlichen Gemeinden sich heimlich zum Gottesdienst trafen. Anker wurden damals, vor fast zweitausend Jahren, schon ganz ähnlich dargestellt wie sie heute noch aussehen: als Stockanker mit einem kreuzförmigen Stiel – so enthält ein Anker eben auch einen heimlichen und doch deutlichen Hinweis auf das Kreuz Christi.

Wenn man ihn braucht, wirft man ihn weg. Wie der Anker, so ist auch die Hoffnung nichts, was man ständig braucht; nichts, worüber man dauernd nachdenkt. Aber in Notzeiten, da bin ich ohne Hoffnung aufgeschmissen. Wenn mir die Gewissheiten wegbrechen, die immer gegolten haben; wenn ich einen Halt brauche, den ich mir selbst nicht geben kann – dann brauche ich die Hoffnung.

Hoffnung ist nicht so gut sichtbar wie der Anker eines Schiffes. Doch wie der Anker nicht selbst Halt gibt, sondern ein Schiff am Grund festmacht, ist es auch mit der Hoffnung. Nicht sie selbst gibt mir den Halt, den ich brauche. Sondern Hoffnung dient dazu, dass ich mich woanders festmachen kann. Ein Anker, der nur am Schiffsbug hängt, kann keinen Halt geben. Genauso kann ich mir nicht selbst den Halt geben, den ich brauche. Wie beim Anker scheint es mit der Hoffnung paradox: je mehr Halt ich benötige, umso mehr muss ich loslassen!

Für Christen ist Jesus Christus der Grund, an dem ihre Hoffnung sich als Anker festmacht. Hoffnung heißt dann, auf diesen Grund zu vertrauen. Nicht, sich festzuklammern, sondern den Anker auswerfen und sich halten lassen. So wie es Psalm 18 sagt: Der HERR ist mein Fels, meine Burg, mein Erretter; mein Gott, mein Hort, auf den ich traue. (Konfispruch einer Konfirmandin)

"Zwei Dinge sollen Kinder von ihren Eltern bekommen: Anker und Segel“.
=> Einspielung You raise me up

In seinem bekanntesten Lied singt Josh Groban: Wenn ich ganz unten bin und meine Seele so müde. Wenn Sorgen kommen und mein Herz schwer ist. Dann bin ich ganz ruhig und warte hier in der Stille, bis du kommst und eine Weile bei mir sitzt. Du richtest mich auf, als würde ich auf einem hohen Berg stehen. Du richtest mich auf, als ob ich auf stürmischen Meeren gehen könnte. Ich bin stark, wenn ich auf deinen Schultern bin. Du baust mich auf zu mehr als ich je sein kann. You raise me up!

Von wem Josh Groban hier singt bleibt offen. Singt er von einer Partnerin? Ich deute dieses Lied auf Gott hin. Für mich passt dieses Lied wunderbar zu einer Umschreibung österlicher Hoffnung. You raise me up to more than I can be. Du erweckst mich zu mehr, als ich jemals aus mir heraus sein könnte.

Mit diesen Worten wird auf wunderbare Weise beschrieben, wie der Glaube an Jesus Christus zu einem Segel werden kam, mit dem ich hinausfahre auf das weite Meer des Lebens. You raise me up to more than I can be. Du erweckst mich zu mehr, als ich jemals aus mir heraus sein könnte.

Mit dieser Verheißung wird für mich der Klang der Osterbotschaft angeschlagen, dass Jesus lebt und wir mit ihm. Er ist die Hoffnung in der Ohnmacht; die Zuversicht im Zweifel, die Antwort auf die Frage und das Leben im Tod. Dem, der an Jesus Christus glaubt, ist zugesagt, dass die Beziehung zu Gott nicht abreißt. Sie bleibt, sie trägt und hält. Heute, mitten im Leben und auch im Sterben. 

You raise me up to more than I can be. Du erweckst mich zu mehr, als ich jemals aus mir heraus sein könnte. Gott richtet auf. Er erhebt, beflügelt. Damit dies passieren kann, müssen wir uns der Kraft des Glaubens anvertrauen. Ohne den Glauben geht es nicht. Es geht nicht an unserem „Ja zu Gott“ vorbei. Mehr brauchen wir nicht zu tun, aber eben auch nicht weniger!

In diesem Sinne wünsche ich euch Konfirmandinnen und Konfirmanden, dass euer Bekenntnis zu Jesus heute und morgen nicht nur ein flüchtiges Lippenbekenntnis ist, sondern ein Bekenntnis des Herzens. Ich wünsche euch von Herzen, dass ihr offen seid und bleibt für diese göttliche Kraft, damit sie an euch wirken kann. Dass ihr euch nicht verschließt, sondern dem Glauben Raum lasst, dass er euch zur Lebenskraft wird – heute und morgen und alle Tage.

Was trägt, was hält? Mit dieser Frage sind wir gestartet und ich wünsche euch, dass der Glaube an Jesus Christus für Euch die Antwort ist. Mit einem Anker der Hoffnung an Bord und den Segeln voller Gottvertrauen und Glauben segelt raus in euer Leben! Gott segne Euch! Amen

(Anmerkung: Die Konfis bekommen ein Armband mit Ankerverschluss als Geschenk)


Martin Braukmann