Vom Grundgesetz bis zur Moscheesteuer

Interreligiöse Fachtagung in Frankfurt am Main


Interreligiöse Fachtagung an der Uni Frankfurt mit (v.l.) Hendrik Munsonius, Volker Jung, Zekeriya Altug © EKHN/Rahn

Wie geht es mit den Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften in Zukunft weiter? Darum ging es bei einem interreligiösen Fachtag des Zentrum Oekumene und der Uni Frankfurt unter anderem mit Kirchenpräsident Volker Jung und Aiman Mazyek vom Zentralrat der Muslime.

Der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung hat die Rolle der Religionen für den Zusammenhalt der Gesellschaft hervorgehoben. Sie sollten ihre „Gestaltungskraft“ für eine friedliche Gesellschaft nutzen, sagte er am Montag (3. Dezember) in Frankfurt am Main bei einer Tagung des Zentrums Oekumene und der Universität Frankfurt. Religionen hätten einen Beitrag dazu zu leisten, dass Menschen gut zusammenleben könnten, so der leitende Theologe der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Nach Ansicht Jungs muss zudem der christlich-islamische Dialog weiter gestärkt werden. Eine Herausforderung für alle Religionen bleibe es, wie mit der Vielfalt der Glaubensformen und mit der zunehmenden Verweltlichung der Gesellschaft künftig umzugehen sei.

Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland, sprach sich bei der Fachtagung dafür aus, die Herausbildung eines „Islams deutscher Prägung“ zu fördern, der zugleich die Verbindungen zu der Herkunftstradition nicht kappt. Er kritisierte, dass der Islam in der Öffentlichkeit zunehmend „ethnisiert“ werde. Dies stehe der Integration entgegen. Als Ziel der muslimischen Gruppierungen in Deutschland bezeichnete er es, „Dienstleister in der Gesellschaft zu sein“. Mazyek: „Wir sind Teil der Gesellschaft und möchten ihr etwas zurückgeben.“ Mazyek ging auch auf die Frage nach der Rolle von Imamen ein, die vom Ausland finanziert werden. Er regte an, dass die politisch Verantwortlichen auch über öffentlich finanzierte Modelle nachdenken müssten wie etwa eine Moscheesteuer. „Das Beste was uns passieren kann, ist ein Imam, der in Deutschland aufgewachsen ist“, sagte er. Mazyek forderte zugleich, dass die Kirchen in diesen Debatten nicht „Zaungäste“ bleiben sollten, sondern sich mehr einbringen müssten.

Der Abteilungsleiter für Außenbeziehungen des türkischen Moscheeverbands „Ditib“, Zekeriya Altuğ, verwehrte sich gegen den Vorwurf, seine in der Öffentlichkeit vermehrt in die Kritik geratene Organisation sei aktuell nicht handlungsfähig. Er sprach von einer geradezu „vergifteten Atmosphäre“ in der Öffentlichkeit. So sei etwa die Förderung deutschsprachiger Imame vorangetrieben worden oder habe der Verband Frauenquoten in Vorständen eingeführt. Es sei wichtig, wieder Ruhe in die Debatte um die Zukunft des Verbandes zu gestalten. Ziel müsse sein, dass Muslime als Bürger Deutschlands ihren Weg gehen könnten.

Harry Harun Behr, Pädagogik-Professor an der Goethe-Universität Frankfurt mit dem Schwerpunkt Islam, bezeichnete es als problematisch, dass Moscheegemeinden in Deutschland zunehmend in den Kontext der Migration gestellt würden. Dies verhindere, sie als Partner der Zivilgesellschaft auf Augenhöhe wahrzunehmen. Zudem werde den Moscheegemeinden durch die Tendenz zu einer „Islamisierung“ die Kompetenz abgesprochen, Gesprächspartner in gesellschaftlichen und sozialen Fragen zu sein.

Auf die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen für die Organisation von Religionsgemeinschaften in Deutschland ging Hendrik Munsonius vom Kirchenrechtlichen Institut der EKD ein. Die bereits vor 100 Jahren entstandenen Regelungen erhalte vorhandenen Religionsgesellschaften ihren Rechtsstatus und eröffne für andere den Zugang zu gleichen Rechten. Während des 20. Jahrhunderts sei die Interpretation dieser Bestimmungen oft durch „das faktische Übergewicht der christlichen Kirchen beeinflusst“ worden. Erst angesichts der zunehmenden Pluralität werde deutlich, dass „die alten Regelungen auch Chancen für ungewohnte Konstellationen bieten.“

Der Islambeauftragte des Bistums Limburg, Frank van der Velden sprach sich für eine Vielfalt von Organisationsformen bei den Religionsgemeinschaften aus. Die Erfahrung der katholischen Kirche in Deutschland bei der Kooperation mit eigenen internationalen Verbänden wie etwa Pax Christi sei positiv. Von der Internationalität ginge ein großes Innovationspotential aus.

Engin Karahan von der Alhambra Gesellschaft, die ihren Blick auf den Islam in Europa richtet, stellte die Vielfalt und aktuelle Situation verschiedener islamischer Gruppierungen in Deutschland dar. Als problematisch bezeichnete er unter anderem die mangelnden Ressourcen, entsprechende Organisationen auszubauen um etwa an Universitäten mit Lehrstühlen präsent zu sein. Dies sei wichtig, um die verschiedenen Richtungen des Islam zu repräsentiern.

Das Zentrum Oekumene der evangelischen Kirchen in Hessen mit dem Referenten für interreligösen Dialog, Andreas Herrmann und das Institut für Studien der Kultur und Religion des Islam der Universität Frankfurt am Main dem Politikwissenschaftler Ertuğrul Şahin hatten am Montag zu einer interreligiösen Fachtagung auf den Campus Westend eingeladen. Im Zentrum stand das Thema „Zukunftsaussichten für Religionsgemeinschaften und ihre Organisationsformen“. Ziel der Tagung war es, politische, juristische, soziokulturelle und theologische Herausforderungen sowie Risiken und Chancen zu markieren, die künftig auf Religionsgemeinschaften zukommen. Sie sollten entschlüsselt und alternative Handlungsoptionen für die organisierte Religion, ihre Struktur und ihre Formen ausgelotet werden.


Quelle: EKHN