Wichtige Marksteine
Reformierte im Spiegel der Zeit
Geschichte des Reformierten Bunds
Geschichte der Gemeinden
Geschichte der Regionen
Geschichte der Kirchen
Biografien A bis Z
(1492-1549)
Ludwig XII. versuchte mehrmals, Marguerite als Braut in Europa zu verhandeln, aber weder ihre Aussichten, noch ihr Vermögen waren ausreichend, um eine internationale Ehe einzugehen. Stattdessen heiratete sie 1509, gerade siebzehn Jahre alt, den Herzog von Alençon, von dem wenig bekannt ist. Die Forschung geht meistens davon aus, dass sie und ihr Gatte wenig Gemeinsames hatten, zumal der Herzog vor Allem ein Soldat war. Dafür hatte sie aber eine geliebte Schwiegermutter, Marguerite von Lorraine, die eine zutiefst fromme Frau war. Jahre später schrieb Marguerite über ihren Tod und ließ ihre Trauer darüber durchblicken.
Als Ludwig XII. befürchten musste, nicht selbst Söhne zeugen zu können – er hatte „nur“ zwei Töchter, Claude und Renée de France – holte er Franz d´Angoulême an seinem Hof und gab ihm seine Tochter Claude zur Ehe. 1515 verstarb er und Franz bestieg als Franz I. den Thron Frankreichs.
Für Marguerite änderte sich das Leben schlagartig. Sie kam zu ihrem Bruder an den Hof, und da die Königin Claude sehr zurückhaltend und scheu war, übernahm sie bald die repräsentativen Pflichten. Zusammen mit ihrer Mutter bildete sie mit Franz ein Trio, die sogenannte „Dreieinigkeit“. Franz konnte immer mit seiner Mutter und seiner Schwester rechnen, und sie unterstützten ihn nach Kräften.
Franz I. wurde der erste Renaissancekönig Frankreichs. Er war jung, viril und plötzlich auch reich. Er ließ bauen an der Loire, eroberte das Herzogtum Mailand, versuchte sich als Deutschrömischer Kaiser wählen zu lassen – das war eine extrem teure Angelegenheit – und verwickelte sich in Rivalitäten sowohl mit Heinrich VIII. von England als auch mit Kaiser Karl V.
Schon 1516 verhandelte er ein Konkordat mit dem Pabst in Bologna. Die französische Kirche hatte seit dem Mittelalter ihre gallikanische Freiheiten gegenüber dem Pabst verteidigt, und als Frankreich sich als Nationalstaat festigen konnte und mit Franz I. fast die Grenzen erreicht hatte, die noch heute gelten, gelang es auch Franz, eine römisch-katholische Nationalkirche zu vereinbaren. Vor allem durfte er wichtige Posten in der Kirche mit seinen Kandidaten besetzen, die dann vom Pabst anerkannt wurden. Damit war die französische Kirche ihrem König treu ergeben, nicht desto weniger war sie streng katholisch, besonders die Fakultät der Theologie der Universität von Paris (oft abgekürzt Sorbonne genannt) wachte über die reine katholische Lehre. In den Jahren 1515 bis 1534 war Franz theologisch eher liberal und pfiff die eifrigen Theologen zurück, nach 1534 machte er mit ihnen gemeinsame Sache.
In Frankreich bildeten sich Kreise von Reformkatholiken und Humanisten, die der etwas verkrusteten katholischen Theologie kritisch gegenüberstanden. Sie forderten die Bibel in der Muttersprache und in den Händen von Laien. Sie kritisierten Heiligenkult und Reliquienverehrung, und versuchten eine Erweckung der Gläubigen im Sinne vom reformatorischen „sola fide, sola scriptura“ (= durch den Glauben allein und durch die Heilige Schrift allein) herbeizuführen. Der leitende Humanist war der alte Lefèvre d´Etaples (Faber Stapulensis), der nach Jahren als Herausgeber klassischer antiker Schriften endlich bereit war, die Heilige Schrift zu übersetzen. Er wurde unterstützt von Guillaume Briçonnet, Bischof von Metz. Dieser führte Reformen in seiner Diözese durch, legte die Bibelübersetzung des Lefèvre in den Kirchen aus, verjagte die Franziskaner, die sonst fast Predigtmonopol besaßen, und ließ durch seine eigene Leute „reformatorisch“ predigen. Unter ihnen waren Gérard Roussel, der später Hofkaplan bei Marguerite wurde, Guillaume Farel, der später in Genf als Reformator zusammen mit Calvin wirkte, und Simon Robert, der die frühere Nonne Marie Dentière heiratete und auch in die Schweiz zog.
Als katholischer Bischof wollte Briçonnet nicht die katholische Kirche umstürzen oder dem Pabst die Treue kündigen, er wollte dagegen die Kirche von innen erneuern. Er gehörte dem Reformkatholizismus an, der in Frankreich oft als „évangelisme“ bezeichnet wird, mit dem deutschen Wortbrauch „evangelisch“ aber wenig zu tun hat. Die Humanisten wie Erasmus von Rotterdam oder Lefèvre d´Etaples wollten zu den Quellen zurück, sie wollten die Bibel allen zugänglich machen, sie hatten von Paulus gelernt, dass Rechtfertigung durch den Glauben geschieht, aber er sah das alles nicht als Grund, die Einheit der Kirche auf Spiel zu setzen. Diese Männer prägten Marguerite.
An Bischof Briçonnet wandte sich Marguerite mit der Bitte um geistigen Beistand. Ein Briefwechsel folgte, der sich (nachweislich) über die Jahre 1521 bis 1524 erstreckte. Der Bischof schrieb lange Homilien, und Marguerite bat ihn ständig um mehr „seelische Nahrung“. Sie verwendete vermutlich seine schriftlichen „Predigten“ als Grundlage für Andachten mit ihren Hofdamen. Abschriften ließ sie in ihrem Freundes- und Verwandtenkreis verteilen .
Briçonnet legte ihr die Bibellektüre ans Herz, mit besonderer Wertschätzung der Paulinischen Briefe. Nebenbei sei bemerkt, dass sowohl Luther als auch Calvin in jungen Jahren den Römerbrief auslegten, denn wer Erneuerung für die Kirche erhoffte, kam um Paulus nicht herum. Das Besondere bei Briçonnet war allerdings sein Hang zur Innerlichkeit, die Liebe zwischen Christus und der Seele, die Aufgabe des Selbst und das Hinschmelzen in Christus. Gute Werke, der Verdienst der Heiligen, Fasten und Pilgern kamen bei ihm dagegen nicht vor.
Für Marguerite bedeutete diese religiöse Erneuerung, dass sie anfing, geistliche Gedichte zu schreiben, ihre poetische Ader wurde freigelegt. Das erste Gedicht handelt von einer nächtlichen Vision. Ihre Nichte – die Tochter ihres Bruders – starb 1524 mit acht Jahren, und Marguerite fragt die reine Seele, was sie glauben soll. Der Antwort ist klar, sie soll Christus allein lieben und glauben. Briçonnet hätte es nicht besser ausdrucken können.
In diesen Jahren wurden Luthers Schriften in Frankreich verbreitet und wir wissen mit Sicherheit, dass Marguerite seine Schriften kannte. Die theologische Fakultät der Universität von Paris leistete Widerstand gegen die lutherische Ketzerei und das bekam Bischof Briçonnet zu spüren. In seinen Briefen an Marguerite bat er sie wiederholt um Unterstützung und besonders darum, dass sie ihren Bruder und ihre Mutter für seine Reformen gewinnen möge. Marguerite hatte zwar großen Einfluss auf ihren Bruder, aber trotzdem musste Briçonnet alle seine Reformvorhaben aufgeben. Die Gruppe um ihn flüchtete nach Straßburg, während er selbst widerrufen musste. Er starb kurze Zeit später.
1524 starb Königin Claude, und Marguerite wurde mit der Aufsicht der königlichen Kinder betraut. Aus ihrem Briefwechsel wissen wir, wie sehr diese Kinder ihr ans Herz wuchsen. Ihre Ehe blieb kinderlos – ihre Trauer darüber vernimmt man in den Briefen an Briçonnet – und jetzt konnte sie ihre mütterlichen Gefühle den Kindern ihres geliebten Bruders zu Gute kommen lassen.
1525 verlor Franz I. die Schlacht bei Pavia in Norditalien. Seit vielen Jahren, schon in der Regierungszeit Karl VIII. hatte Frankreich mit den italienischen Stadtstaaten Krieg geführt. Jetzt stießen in Italien die habsburgischen und die französischen Truppen zusammen. Die Blüte des französischen Adels wurde an einem Tag vernichtet, und Franz selbst wurde gefangengenommen. Der Herzog von Alençon flüchtete vom Schlachtfeld und starb wenige Monate später, von seiner Gattin liebevoll gepflegt.
Jetzt schlug die Stunde für Marguerite. Mit ihrer Mutter hatte sie in Lyon den Ausgang des Krieges abgewartet, und nach dem Tod ihres Gatten ließ sie ihre Mutter als Regentin Frankreichs zurück, sie selbst segelte und ritt zu ihrem Bruder, der schwer krank in Madrid im Gefängnis lag. Sie pflegte ihn wieder gesund und versuchte mit dem unerbittlichen Kaiser Karl V. zu verhandeln. Sowohl sie als auch Franz dachten, dass der ritterliche Ehrencodex seine Befreiung möglich machen würde, Karl war aber auf handfeste Vorteile aus. Am Ende versprach Franz alles, um freizukommen, fuhr nach Hause, gab seine Söhne quasi als Unterpfand dem Kaiser und musste eine Riesensumme als Lösegeld aufbringen.
Als Regentin hatte die streng katholische Louise von Savoyen die französische Kirche in ihrem Kampf gegen die „Ketzer“ unterstützt, deshalb war auch keine Hilfe für Briçonnet und seine Leute zu erwarten. Nach der Rückkehr Franzens war er noch abhängiger als zuvor von der Kirche, nur sie konnte ihm mit dem Geld, das er dem Kaiser schuldete, versorgen. Anders als die deutsche Fürsten, die sich sehr wohl handfeste Vorteile von der Reformation in ihren Ländern erhoffen konnten, hatte der französische König schon eine (katholische) Nationalkirche, die ihn kräftig unterstützte, natürlich in der Annahme, dass er keine „Ketzer“ dulden würde.
Marguerite war eine noch junge Witwe, und ihr zweiter Gatte war ein junger, strahlender Held: Henri d´Albret, König von Navarra. Er hatte sich in der Schlacht von Pavia tapfer geschlagen, war gefangen genommen worden, hatte sich aber in einer „Mantel und Degen Aktion“ buchstäblich erfolgreich abgeseilt. Er war zudem ein Frauenheld und 12 Jahre jünger als Marguerite. Sein Königreich war winzig: das Königreich Navarra war ursprünglich das, was wir heute das Baskenland nennen, ein Gebiet, das sich beidseitig über den Pyrenäen erstreckte, jedoch sein Schwerpunkt auf der Südseite der Bergkette mit Pamplona als Hauptstadt hatte. Die Albrets, als südfranzösische Großgrundbesitzer, waren durch Heirat an die Krone gekommen, nur um erleben zu müssen, dass Spanien 1512 der Gebiet um Pamplona eroberte. Damit schrumpfte das Königreich auf Basse-Navarre zusammen, der französische Teil des Baskenlandes. Da er auch Vicomte von Béarn war, eine unabhängige Grafschaft mit eigener Regierung und Generalständen, hatte er dennoch sein eigene Hausmacht. Er erwartete, sozusagen als Mitgift, dass Franz ihm helfen würde, ganz Navarra zurückzuerobern. Franz dagegen erwartete, dass er die Grenze gegen Spanien verteidigen würde und machte ihn zum Oberbefehlshaber in Guienne, eine Bezeichnung für Südwestfrankreich von den Pyrenäen bis Loire, vom Atlantik bis Auvergne.
Was Marguerite erwartete, wissen wir nicht. Ihre Ehe bedeutete für sie eine Zerreißprobe zwischen dem geliebten Bruder und dem Ehemann, und es war für sie nicht einfach, beiden gegenüber loyal zu sein.
Ihre Ehe bedeutete aber auch, dass sie endlich Mutter wurde. 1528 gebar sie ihre Tochter, Jeanne d´Albret, danach einen Sohn, der kurz nach dem Geburt starb, und dann – sie wurde ja nicht jünger – hatte sie eine Reihe von Fehlgeburten und Scheinschwangerschaften.
Als Königin mit eigenem Herrschaftsgebiet konnte sie jetzt Glaubensflüchtlingen Schutz bieten. Bei ihrem Bruder trat sie immer noch für Andersdenkende ein, sie konnte aber jetzt in Bourges luthersche Studenten und Dozenten an die Universität holen, sie brachte den alten Lefèvre d´Etaples bei ihrem Hof in Nérac unter, sie machte Gérard Roussel zum Bischof von Oloron, und sie stellte als Sekretäre bekannte humanistische Skribenten ein, unter ihnen Clément Marot, Dichter und Verfasser vom ersten gereimten französischen Psalter.
Anfänglich blieben sowohl sie wie ihr Gatte am Hofe. Sie verhandelte zusammen mit ihrer Mutter und Margaretha von Habsburg, Statthalterin der Niederlande, den sogenannten Damenfrieden von Cambrai aus. Sie empfing Botschafter, verhandelte mit dem Pabst, und hatte immer noch die Aufsicht über die königlichen Kinder. Sie reformierte Klöster überall in Frankreich, ihre Lektüre der Lutherschrift „Von den Mönchsgelübden“ hatte sie nicht dazu gebracht, die Klöster abzuschaffen, sondern eher Missstände abzubauen.
1531 veröffentlichte Marguerite ihr religiös-poetisches Werk „Ein Spiegel der sündigen Seele“. Die zweite Ausgabe 1533 wurde von der Sorbonne als ketzerisch verurteilt und verboten. Wütend verlangte Franz I. die Rücknahme der Verurteilung, und die Universität fügte sich schleunigst. Als dann, 1534, die Plakataffäre mit ihrem Angriff auf die Messe und das katholische Abendmahlverständnis die Gemüter erregte, ging sie nach Südfrankreich. Dort konnte sie unter Anderen einem Flüchtling, dem jungen Calvin, weiterhelfen. Sie hatte seit jungen Jahren freundschaftliche Beziehungen zu ihrer Cousine, Renée de France, Herzogin von Ferrara, gepflegt, und jetzt schickten die zwei gleichgesinnten Verwandten einander hilfsbedürftige Glaubensflüchtlinge zu.
In den nächsten Jahren war das Verhältnis zwischen Bruder und Schwester etwas abgekühlt. Franz I. unterstützte die römisch-katholische Kirche nach Kräften, und Marguerite war vorsichtig geworden. Als der Berater des Königs ihn aber fragte, ob Gefahr bestünde, Marguerite könne zum Protestantismus übertreten, erwiderte der König: „Dafür liebt sie mich zu sehr!“, und behielt Recht damit.
Die Ruhe und Abgeschiedenheit am Hofe bedeutete für Marguerite Zeit für eine rege schriftstellerische Tätigkeit. Die religiösen Gedichte waren wohl eher eine Art meditative Übung inmitten der oberflächlichen Geschäftigkeit des Hofes. Jetzt verfasste sie Schauspiele, die am Hof aufgeführt wurden. Angeregt durch die Beschäftigung mit den Schriften des Plato, die sie durch den italienischen Humanisten Pico della Mirandola und Marsilio Ficino kennengelernt hatte, dachte sie über das Wesen der Liebe nach, und ihre schriftstellerische Tätigkeit wurde von diesen Überlegungen geprägt. Sie ließ Platos Schriften ins Französisch übertragen, so wie sie auch die Novellen von Boccaccio, „Dekameron“, übersetzen ließ. Diese Novellen beeinflussten ihre berühmteste Werk, die Novellen, aus denen das „Heptameron“ besteht, und die von ihr über einen längeren Zeitraum zusammengefügt wurden. Sie gab nur ein Buch in Druck, „Les marguerites de la Marguerite des princesses“, die Perlen der Perle (Marguerite) der Prinzessinnen, mitsamt dem Folgeband: „Suyte des marguerites“ (1547). Alle andere Schriften von ihr waren zu ihren Lebzeiten nur als Manuskript vorhanden, aber das Heptameron wurde ungefähr zehn Jahren nach ihrem Tod als Buch herausgegeben, und zählt seitdem zu den Klassikern des 16. Jahrhunderts, obwohl es oft missverstanden worden ist – dazu mehr später (vgl. Nielsen, Theologie als Erzählung).
Eine andere wichtige Angelegenheit in den letzten Jahren, ihr Verhältnis zu ihrer Tochter Jeanne, wird im Artikel über diese behandelt. In den letzten Jahren hatte sie eine Auseinandersetzung mit Calvin über die Freigeister, die sich bei ihrem Hof aufhielten. Ihre Bedeutung für die Reformation wird später untersucht. Klar ist allerdings, dass sie als Katholikin starb. Als ältere Frau zog sie sich immer öfters in Klöstern zurück und auch, wenn sie nie besonders rechtgläubig war, trat sie nie aus der Kirche aus. Sie starb 1549 auf ihrem Schloss Odos.
Marguerite d`Angoulême war eine hoch begabte, zutiefst fromme Frau. Sie ging unbeirrt ihre eigenen Wege, und auch, wenn sie diskret war, ließ sie sich nicht einschüchtern. Ihre Verdienste für die Verbreitung der Reformation sind offenkundig, und in Genf wusste Calvin sehr wohl, wie dankbar er ihr sein musste. Dabei war die geistige Freiheit ihr ohne Zweifel eine Herzensangelegenheit, während ihre Tochter und Enkelin mit Nachdruck Partei ergriffen. Zu Marguerites Zeiten waren diese geistige Freiheit und die Hoffnung, die katholische Kirche von innen zu erneuern und zu „reformieren“, ohne die Glaubensspaltung vollziehen zu müssen, noch möglich. Diese Umstände gaben ihr etwas Spielraum, den spätere Generationen nicht länger hatten.
Literatur
In Deutschland ist die Literatur zu Marguerite d´Angoulême übersichtlich. Zu erwähnen sind:
Margarete von Navarra: Das Heptameron, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1960, mit einem ausgezeichneten Nachwort von Peter Amelung. Neudruck München 1979, 1999 (dtv 12710)
Eltz-Hoffmann, Lieselotte von: Kirchenfrauen der frühen Neuzeit, Stuttgart 1995
Kraus, Claudia: Der religiöse Lyrismus Margaretes von Navarra, München 1981
Schönberger, Axel: Die Darstellung von Lust und Liebe im Heptaméron der Königin Margarete von Navarra, Frankfurt a/M 1993
Sckommodau, Hans: Die religiösen Dichtungen Margaretes von Navarra, Köln 1955
Sckommodau, Hans: Galanterie und vollkommene Liebe im „Heptaméron“, Münchener Romanistische Arbeiten, Band 46, München 1977
Sckommodau, Hans: Die spätfeudale Novelle bei Margareta von Navarra, Sitzungsbericht der Wissenschaftlichen Gesellschaft an der Johann Wolfgang von Goethe-Universität Frankfurt, Bd. XIV, Nr. 4, Wiesbaden 1977
Zimmermann, Margarete: Der Salon der Autorinnen: französische „dames de lettres“ vom Mittelalter bis zum 17. Jahrhundert, Berlin 2005
Stedman, Gesa & Zimmermann, Margarete: Höfe – Salons – Akademien, Hildesheim 2007
Hinzu kommt eine Übersetzung:
Febvre, Lucien: Margarete von Navarra. Eine Königin der Renaissance zwischen Macht, Liebe und Religion, Frankfurt a/M 1998 (Originaltitel: Autour de l´Heptaméron: Amour sacré, amour profane, Paris 1996)
Allgemeine Kirchengeschichte:
Strasser-Bertrand, Otto Erich: Die evangelische Kirche in Frankreich, in: Die Kirche in ihrer Geschichte, Göttingen 1975
In Frankreich zählt sie zu den wichtigen Renaissancedichterinnen. Eine vollständige wissenschaftliche Ausgabe ihrer Werke von Nicole Cazauran ist in Arbeit:
Marguerite de Navarre: Oeuvres Complètes, Paris 2001. Bisher erschienen:
Heptaméron, Paris 2000 und die Bände 1,3,4,8 & 9
Die klassische Biografie ist:
Jourda, Pierre: Marguerite d´Angoulême, duchesse d´Alençon, reine de Navarre (1492-1549), Étude biographique et littéraire, Paris 1930, Genf 1978
Jourda, Pierre: Répertoire analytique et chronologique de la Correspondance de Marguerite d´Angoulême, Duchesse d´Alençon, reine de Navarre (1492-1549), Paris 1930
Christine Martineau, Michel Veissière & Henry Heller: Guillaume Briçonnet/Marguerite de Navarre: Correspondance, 2 Bd., Paris 1975-79
Herminjard, Aimé, hrsg.: Correspondance des réformateurs dans les pays de langue française, Genf 1886-79
In Heptaméron, ed. Nicole Cazauran, ist weiterführende Literatur erwähnt. Hier verweise ich nur auf drei Kolloquien aus dem Jahr 1992:
Marguerite de Navarre, 1492-1992, Actes du Colloque international de Pau (1992), Mont-de- Marsan 1995
Etudes sur l´Heptaméron de Marguerite de Navarre, Colloque de Nice, 15-16 Fèvrier 1992, Uni.de Nice, o. J.
Marguerite de Navarre, Actes du colloque international du 14 au 16 septembre 1992, Lódź 1997
Karlsson, Britt-Marie: Sagesse divine et folie humaine, Etude sur les structures antithétiques dans l´Heptaméron de Marguerite de Navarre (1492-1549), Göteborg 2001
Montaigne: Oeuvres complètes, Paris 1962
Ausgewählte Literatur in englischer Sprache:
- Patricia F. Cholakian & Rouben C. Cholakian: Marguerite de Navarre, Mother of the Renaissance, New York 2006
- Cholakian, Patricia F.: Rape and Writing in the Heptameron, Carbondale 1991
- Cottrell, Robert D.: The Grammar of Silence, A Reading of Marguerite de Navarre´s Poetry, Washington D.C. 1985
- Davis, Betty J.: The Storytellers in Marguerite de Navarre´s Heptaméron, Lexington 1978
- Davis, Natalie Zemon: Society and Culture in Early Modern France: eight Essays, Stanford 1975
- Farge, James K.: Orthodoxy and Reform in Early Reformation France, The Faculty of Theology of Paris, 1500-1543, Leiden 1985
- Ferguson, Gary: Mirroring belief: Marguerite de Navarre´s Devotional Poetry, Edinburgh 1992
- Gelernt, Jules: World of Many Loves, The Heptameron of Marguerite de Navarre, Chapel Hill 1966
- Greengrass, Mark: The French Reformation, London 1987
- Salmon, J.H.M.: Society in Crisis, France in the Sixteenth Century, London 1975
- Tetel, Marcel: Marguerite de Navarre´s “Heptaméron”: Themes, Language and Structure, Durham N.C. 1973
Die Zweite Freie Reformierte Synode in Siegen (1935)
Kampf gegen Neuheidentum und Gründung einer Hochschule für reformatorische Theologie
Am 26. März 1935 predigte Karl Barth abends in der überfüllten Siegener Nikolaikirche über das zweite Gebot: Du sollst dir kein Bildnis und Gleichnis machen ... Er bekannte sich zur Nüchtern- und Schlichtheit von gottesdienstlichen Räumen und Gottesdiensten, um sich dann gegen den schwer wiegenden „neuen Bilderdienst“ des „immer“ schon „besonders tiefsinnigen“ deutschen Volkes zu wenden. Die äußeren Bilder entstehen in den Herzen. Gemeint war der Götzendienst der Zeit. Vom Kreuz Jesu her stemmte sich Barth gegen den Geist der Zeit. Das war der Auftakt in der Nikolai- und Martinikirche! Die beiden Kirchen waren durch eine Konferenzschaltung verbunden.
Das Dritte Reich liegt uns ferne, rückt uns von Jahr zu Jahr ferner. Der totale Anspruch der nationalsozialistischen Ideologie auf das Leben der Menschen und auch auf die innere und äußere Gestaltung der Kirchen ist uns Heutigen fast unbegreiflich. Die Judenverfolgungen, die im Holocaust gipfelten, sind in unser kollektives Gedächtnis eingegangen, aber die Erinnerung daran stört viele. Der sogenannte „Kirchenkampf“ aber ist vergessen. In diese bittere Zeit zwischen 1933 und 1945 versetzt uns die Erinnerung an die Zweite Freie Reformierte Synode Siegen.
Der Reformierte Bund für Deutschland hatte mit Besorgnis die Eroberung der evangelischen Landeskirchen durch das nationalsozialistische Gedankengut erlebt. Handstreichartig und auch widerrechtlich hatten die Deutschen Christen, das waren Hitlers Gefolgsleute in der Kirche, in fast allen Landeskirchen die Macht übernommen und versuchten den Kirchen das Führersystem zu oktroyieren.
Der Reformierte Bund in Deutschland hatte seine ihm angehörenden Gemeinden schon am 3. und 4. Januar 1934 zu einer Freien reformierten Synode nach Barmen eingeladen und diese hatte sich die von Karl Barth verfasste „Erklärung über das rechte Verständnis der reformatorischen Bekenntnisse in der Deutschen Evangelischen Kirche der Gegenwart“ zu eigen gemacht. Diese Erklärung war ein sachlicher Vorläufer der ebenfalls in Barmen von der ersten (von vier) deutschen Bekenntnissynode abgegebenen Barmer Theologischen Erklärung am 31. Mai 1934.
Die Erinnerung an diese stand 2009 etwas im Schatten des Calvin-Jahres. Die beiden (einzigen) Freien Reformierten Synoden waren Stationen in der Kette der vielen freien Synoden im Dritten Reich, deren letzte die 12. Preußensynode in Breslau war, die in der Auslegung des fünften (bzw. sechsten) Gebotes – 1943! - äußerte: „Wehe uns und unserem Volk, wenn das von Gott gegebene Leben für gering geachtet wird, und der Mensch, nach dem Ebenbild Gottes geschaffen, nur nach seinem Nutzen bewertet wird; wenn es für berechtigt gilt, Menschen zu töten, weil sie für lebensunwert gelten oder einer anderen Rasse angehören, wenn Haß und Unbarmherzigkeit sich breit machen. Denn Gott spricht: Du sollst nicht töten ...“.
Der Oberfischbacher Pastor Hermann Barth hatte als Siegerländer Vertreter dem Moderamen des Reformierten Bundes den Vorschlag gemacht, zu einer erneuten Freien reformierten Synode im März 1935 einzuladen. Siegen schien als Tagungsort deswegen so gut geeignet, als das gut reformierte kirchliche Umfeld der Synode eine erhebliche Öffentlichkeit versprach, worin man sich nicht getäuscht hatte.
Wie eingangs gesagt, Karl Barth predigte in der Nikolaikirche und konnte damals letztmals in Deutschland während der Nazizeit in der Öffentlichkeit vor seiner im Juni erfolgten Zwangspensionierung sprechen. Drei Themen standen auf der synodalen Tagesordnung:
- die Sammlung der reformierten Gemeinden in Deutschland,
- die neuheidnische Religion im Gefolge der Nazifizierung des öffentlichen und privaten Lebens und
- Die Errichtung einer Hochschule für reformatorische Theologie.
In Kürze:
1. Moderator Hermann Albert Hesse legte hier „zehn Jahr vor dem Stuttgarter Schuldbekenntnis sein Schuldbekenntnis“ (so Manfred Zabel 1985) der Verstrickung in das widergöttliche und unmenschliche Denken und Tun der NS-Ideologie in der Kirche ab.
2. Hermann Barth aus Oberfischbach übernahm es kurzfristig (für Helmut Thielicke), über „Aufgaben der Kirche gegenüber dem Einbruch des Neuheidentums in die Gemeinden“ zu sprechen. Er wandte sich gegen den totalen Anspruch der nationalsozialistischen Weltanschauung, alle Bereich des öffentlichen und privaten Lebens zu besetzen. Er widmete sich kritisch Rosenbergs „Mythos des XX. Jahrhunderts“ und wandte sich gegen die „weltanschauliche Schulung“ in Rundfunk und Zeitungen, vor allem aber in Schulen und Hitler-Jugend. In ihrer Erklärung nannte die Synode die neuheidnische Religiösität eine „Verführung des Volkes“. Sie forderte ihrerseits die Freiheit der Evangeliumsverkündigung.
3. Wilhelm Niesel legte angesichts der Zerstörung der deutschen theologischen Fakultäten einen Plan zur Schaffung einer „Kirchlichen Hochschule für reformatorische (nicht reformierte!) Theologie“ vor. Bei der einzigen Gegenrede und Gegenstimme des im Siegerland damals sehr bekannten und beliebten Paul Humburg stimmte dem die Synode zu. Zwar hatte man gehofft, innerhalb von vier Wochen dieses Projekt zu verwirklichen und auch die finanziellen Mittel dafür aus Spenden und Kollekten bereit zu stellen und auf diese Weise Karl Barth in Deutschland zu halten. Doch die Bedenkenträger innerhalb und außerhalb der eigenen Reihen waren erst einmal ein kaum zu überwindendes Hemmnis.
Immerhin, am ersten November 1935 – sieben Monate danach – sollte diese Hochschule mit den Zweigen Berlin und Wuppertal starten. Das nötige Geld war durch die Gemeinden aufgebracht! Staatlicherseits wurde diese kirchliche Hochschule sofort verboten, was z.B. nicht hinderte, in Wuppertal den heimlichen Anfang mit Dozenten, Studenten und Vertretern der Presbyterien im Dunkel einer Friedhofskapelle zu machen.
„Mystisch“ nannte einer der Studenten den Gottesdienst. Die verbotene Hochschule wurde der bestehenden Theologischen Schule in Elberfeld integriert. Das Glück des unbeschwerten Studierens dauerte nicht lange. Am 14. Dezember 1936 tauchte die Gestapo im Griechisch-Unterricht des Leiters der Theologischen Schule, Heinrich Graffmann, später Pfarrer in Niederschelden, auf und beendigte den gesamten Lehrbetrieb. Entschlossen wie man damals war, wurde nun in verschiedenen Kirchen ein „Wuppertaler kirchlicher Lehrgang“ durchgezogen, der gelegentlich auch in Bethel Unterschlupf fand.
Ein Himmler-Erlass vom 29. August 1937 beendete auch dieses Provisorium. Dennoch gab man nicht auf, sondern der Lehrbetrieb wurde aufrecht erhaltend durch Kurse in wechselnden Gemeinde- und Pfarrhäusern, wo auch die illegalen Prüfungen abgehalten wurden. Gestapo - Verhöre im Nachherein ließen nicht auf sich warten. 1941/42 verlieren sich die Spuren dieses Lehrbetriebs im Untergrund. Die theologische Ausbildung war damals spannender als ein Kriminalroman. 1945 setzten Berlin und Wuppertal sehr schnell wieder mit dem Lehrbetrieb ein. Und heute? Die Berliner Hochschule wurde in die Theologische Fakultät der Humboldt-Universität nach der Wiedervereinigung integriert. Und die Wuppertaler unter finanziellem Druck mit der Bodelschwinghs 1905 gegründeten Betheler Hochschule vereinigt.
Die Siegener Synode hatte im Bereich der Lehre eine Langzeitwirkung von über zwei Generationen. Das Pfund, mit dem sie wuchern konnte, waren opferbereite Gemeinden, die sich verantwortlich wussten für das Bekenntnis und die entsprechende Ausbildung ihrer künftigen Pastoren und Pastorinnen. Der Akzent muss auf „Gemeinden“ liegen. Vivant sequentes! Die es der damaligen Generation nachtun, mögen leben!
Pfr. Ulrich Weiß