Wichtige Marksteine
Reformierte im Spiegel der Zeit
Geschichte des Reformierten Bunds
Geschichte der Gemeinden
Geschichte der Regionen
Geschichte der Kirchen
Biografien A bis Z
(1492-1549)
Ludwig XII. versuchte mehrmals, Marguerite als Braut in Europa zu verhandeln, aber weder ihre Aussichten, noch ihr Vermögen waren ausreichend, um eine internationale Ehe einzugehen. Stattdessen heiratete sie 1509, gerade siebzehn Jahre alt, den Herzog von Alençon, von dem wenig bekannt ist. Die Forschung geht meistens davon aus, dass sie und ihr Gatte wenig Gemeinsames hatten, zumal der Herzog vor Allem ein Soldat war. Dafür hatte sie aber eine geliebte Schwiegermutter, Marguerite von Lorraine, die eine zutiefst fromme Frau war. Jahre später schrieb Marguerite über ihren Tod und ließ ihre Trauer darüber durchblicken.
Als Ludwig XII. befürchten musste, nicht selbst Söhne zeugen zu können – er hatte „nur“ zwei Töchter, Claude und Renée de France – holte er Franz d´Angoulême an seinem Hof und gab ihm seine Tochter Claude zur Ehe. 1515 verstarb er und Franz bestieg als Franz I. den Thron Frankreichs.
Für Marguerite änderte sich das Leben schlagartig. Sie kam zu ihrem Bruder an den Hof, und da die Königin Claude sehr zurückhaltend und scheu war, übernahm sie bald die repräsentativen Pflichten. Zusammen mit ihrer Mutter bildete sie mit Franz ein Trio, die sogenannte „Dreieinigkeit“. Franz konnte immer mit seiner Mutter und seiner Schwester rechnen, und sie unterstützten ihn nach Kräften.
Franz I. wurde der erste Renaissancekönig Frankreichs. Er war jung, viril und plötzlich auch reich. Er ließ bauen an der Loire, eroberte das Herzogtum Mailand, versuchte sich als Deutschrömischer Kaiser wählen zu lassen – das war eine extrem teure Angelegenheit – und verwickelte sich in Rivalitäten sowohl mit Heinrich VIII. von England als auch mit Kaiser Karl V.
Schon 1516 verhandelte er ein Konkordat mit dem Pabst in Bologna. Die französische Kirche hatte seit dem Mittelalter ihre gallikanische Freiheiten gegenüber dem Pabst verteidigt, und als Frankreich sich als Nationalstaat festigen konnte und mit Franz I. fast die Grenzen erreicht hatte, die noch heute gelten, gelang es auch Franz, eine römisch-katholische Nationalkirche zu vereinbaren. Vor allem durfte er wichtige Posten in der Kirche mit seinen Kandidaten besetzen, die dann vom Pabst anerkannt wurden. Damit war die französische Kirche ihrem König treu ergeben, nicht desto weniger war sie streng katholisch, besonders die Fakultät der Theologie der Universität von Paris (oft abgekürzt Sorbonne genannt) wachte über die reine katholische Lehre. In den Jahren 1515 bis 1534 war Franz theologisch eher liberal und pfiff die eifrigen Theologen zurück, nach 1534 machte er mit ihnen gemeinsame Sache.
In Frankreich bildeten sich Kreise von Reformkatholiken und Humanisten, die der etwas verkrusteten katholischen Theologie kritisch gegenüberstanden. Sie forderten die Bibel in der Muttersprache und in den Händen von Laien. Sie kritisierten Heiligenkult und Reliquienverehrung, und versuchten eine Erweckung der Gläubigen im Sinne vom reformatorischen „sola fide, sola scriptura“ (= durch den Glauben allein und durch die Heilige Schrift allein) herbeizuführen. Der leitende Humanist war der alte Lefèvre d´Etaples (Faber Stapulensis), der nach Jahren als Herausgeber klassischer antiker Schriften endlich bereit war, die Heilige Schrift zu übersetzen. Er wurde unterstützt von Guillaume Briçonnet, Bischof von Metz. Dieser führte Reformen in seiner Diözese durch, legte die Bibelübersetzung des Lefèvre in den Kirchen aus, verjagte die Franziskaner, die sonst fast Predigtmonopol besaßen, und ließ durch seine eigene Leute „reformatorisch“ predigen. Unter ihnen waren Gérard Roussel, der später Hofkaplan bei Marguerite wurde, Guillaume Farel, der später in Genf als Reformator zusammen mit Calvin wirkte, und Simon Robert, der die frühere Nonne Marie Dentière heiratete und auch in die Schweiz zog.
Als katholischer Bischof wollte Briçonnet nicht die katholische Kirche umstürzen oder dem Pabst die Treue kündigen, er wollte dagegen die Kirche von innen erneuern. Er gehörte dem Reformkatholizismus an, der in Frankreich oft als „évangelisme“ bezeichnet wird, mit dem deutschen Wortbrauch „evangelisch“ aber wenig zu tun hat. Die Humanisten wie Erasmus von Rotterdam oder Lefèvre d´Etaples wollten zu den Quellen zurück, sie wollten die Bibel allen zugänglich machen, sie hatten von Paulus gelernt, dass Rechtfertigung durch den Glauben geschieht, aber er sah das alles nicht als Grund, die Einheit der Kirche auf Spiel zu setzen. Diese Männer prägten Marguerite.
An Bischof Briçonnet wandte sich Marguerite mit der Bitte um geistigen Beistand. Ein Briefwechsel folgte, der sich (nachweislich) über die Jahre 1521 bis 1524 erstreckte. Der Bischof schrieb lange Homilien, und Marguerite bat ihn ständig um mehr „seelische Nahrung“. Sie verwendete vermutlich seine schriftlichen „Predigten“ als Grundlage für Andachten mit ihren Hofdamen. Abschriften ließ sie in ihrem Freundes- und Verwandtenkreis verteilen .
Briçonnet legte ihr die Bibellektüre ans Herz, mit besonderer Wertschätzung der Paulinischen Briefe. Nebenbei sei bemerkt, dass sowohl Luther als auch Calvin in jungen Jahren den Römerbrief auslegten, denn wer Erneuerung für die Kirche erhoffte, kam um Paulus nicht herum. Das Besondere bei Briçonnet war allerdings sein Hang zur Innerlichkeit, die Liebe zwischen Christus und der Seele, die Aufgabe des Selbst und das Hinschmelzen in Christus. Gute Werke, der Verdienst der Heiligen, Fasten und Pilgern kamen bei ihm dagegen nicht vor.
Für Marguerite bedeutete diese religiöse Erneuerung, dass sie anfing, geistliche Gedichte zu schreiben, ihre poetische Ader wurde freigelegt. Das erste Gedicht handelt von einer nächtlichen Vision. Ihre Nichte – die Tochter ihres Bruders – starb 1524 mit acht Jahren, und Marguerite fragt die reine Seele, was sie glauben soll. Der Antwort ist klar, sie soll Christus allein lieben und glauben. Briçonnet hätte es nicht besser ausdrucken können.
In diesen Jahren wurden Luthers Schriften in Frankreich verbreitet und wir wissen mit Sicherheit, dass Marguerite seine Schriften kannte. Die theologische Fakultät der Universität von Paris leistete Widerstand gegen die lutherische Ketzerei und das bekam Bischof Briçonnet zu spüren. In seinen Briefen an Marguerite bat er sie wiederholt um Unterstützung und besonders darum, dass sie ihren Bruder und ihre Mutter für seine Reformen gewinnen möge. Marguerite hatte zwar großen Einfluss auf ihren Bruder, aber trotzdem musste Briçonnet alle seine Reformvorhaben aufgeben. Die Gruppe um ihn flüchtete nach Straßburg, während er selbst widerrufen musste. Er starb kurze Zeit später.
1524 starb Königin Claude, und Marguerite wurde mit der Aufsicht der königlichen Kinder betraut. Aus ihrem Briefwechsel wissen wir, wie sehr diese Kinder ihr ans Herz wuchsen. Ihre Ehe blieb kinderlos – ihre Trauer darüber vernimmt man in den Briefen an Briçonnet – und jetzt konnte sie ihre mütterlichen Gefühle den Kindern ihres geliebten Bruders zu Gute kommen lassen.
1525 verlor Franz I. die Schlacht bei Pavia in Norditalien. Seit vielen Jahren, schon in der Regierungszeit Karl VIII. hatte Frankreich mit den italienischen Stadtstaaten Krieg geführt. Jetzt stießen in Italien die habsburgischen und die französischen Truppen zusammen. Die Blüte des französischen Adels wurde an einem Tag vernichtet, und Franz selbst wurde gefangengenommen. Der Herzog von Alençon flüchtete vom Schlachtfeld und starb wenige Monate später, von seiner Gattin liebevoll gepflegt.
Jetzt schlug die Stunde für Marguerite. Mit ihrer Mutter hatte sie in Lyon den Ausgang des Krieges abgewartet, und nach dem Tod ihres Gatten ließ sie ihre Mutter als Regentin Frankreichs zurück, sie selbst segelte und ritt zu ihrem Bruder, der schwer krank in Madrid im Gefängnis lag. Sie pflegte ihn wieder gesund und versuchte mit dem unerbittlichen Kaiser Karl V. zu verhandeln. Sowohl sie als auch Franz dachten, dass der ritterliche Ehrencodex seine Befreiung möglich machen würde, Karl war aber auf handfeste Vorteile aus. Am Ende versprach Franz alles, um freizukommen, fuhr nach Hause, gab seine Söhne quasi als Unterpfand dem Kaiser und musste eine Riesensumme als Lösegeld aufbringen.
Als Regentin hatte die streng katholische Louise von Savoyen die französische Kirche in ihrem Kampf gegen die „Ketzer“ unterstützt, deshalb war auch keine Hilfe für Briçonnet und seine Leute zu erwarten. Nach der Rückkehr Franzens war er noch abhängiger als zuvor von der Kirche, nur sie konnte ihm mit dem Geld, das er dem Kaiser schuldete, versorgen. Anders als die deutsche Fürsten, die sich sehr wohl handfeste Vorteile von der Reformation in ihren Ländern erhoffen konnten, hatte der französische König schon eine (katholische) Nationalkirche, die ihn kräftig unterstützte, natürlich in der Annahme, dass er keine „Ketzer“ dulden würde.
Marguerite war eine noch junge Witwe, und ihr zweiter Gatte war ein junger, strahlender Held: Henri d´Albret, König von Navarra. Er hatte sich in der Schlacht von Pavia tapfer geschlagen, war gefangen genommen worden, hatte sich aber in einer „Mantel und Degen Aktion“ buchstäblich erfolgreich abgeseilt. Er war zudem ein Frauenheld und 12 Jahre jünger als Marguerite. Sein Königreich war winzig: das Königreich Navarra war ursprünglich das, was wir heute das Baskenland nennen, ein Gebiet, das sich beidseitig über den Pyrenäen erstreckte, jedoch sein Schwerpunkt auf der Südseite der Bergkette mit Pamplona als Hauptstadt hatte. Die Albrets, als südfranzösische Großgrundbesitzer, waren durch Heirat an die Krone gekommen, nur um erleben zu müssen, dass Spanien 1512 der Gebiet um Pamplona eroberte. Damit schrumpfte das Königreich auf Basse-Navarre zusammen, der französische Teil des Baskenlandes. Da er auch Vicomte von Béarn war, eine unabhängige Grafschaft mit eigener Regierung und Generalständen, hatte er dennoch sein eigene Hausmacht. Er erwartete, sozusagen als Mitgift, dass Franz ihm helfen würde, ganz Navarra zurückzuerobern. Franz dagegen erwartete, dass er die Grenze gegen Spanien verteidigen würde und machte ihn zum Oberbefehlshaber in Guienne, eine Bezeichnung für Südwestfrankreich von den Pyrenäen bis Loire, vom Atlantik bis Auvergne.
Was Marguerite erwartete, wissen wir nicht. Ihre Ehe bedeutete für sie eine Zerreißprobe zwischen dem geliebten Bruder und dem Ehemann, und es war für sie nicht einfach, beiden gegenüber loyal zu sein.
Ihre Ehe bedeutete aber auch, dass sie endlich Mutter wurde. 1528 gebar sie ihre Tochter, Jeanne d´Albret, danach einen Sohn, der kurz nach dem Geburt starb, und dann – sie wurde ja nicht jünger – hatte sie eine Reihe von Fehlgeburten und Scheinschwangerschaften.
Als Königin mit eigenem Herrschaftsgebiet konnte sie jetzt Glaubensflüchtlingen Schutz bieten. Bei ihrem Bruder trat sie immer noch für Andersdenkende ein, sie konnte aber jetzt in Bourges luthersche Studenten und Dozenten an die Universität holen, sie brachte den alten Lefèvre d´Etaples bei ihrem Hof in Nérac unter, sie machte Gérard Roussel zum Bischof von Oloron, und sie stellte als Sekretäre bekannte humanistische Skribenten ein, unter ihnen Clément Marot, Dichter und Verfasser vom ersten gereimten französischen Psalter.
Anfänglich blieben sowohl sie wie ihr Gatte am Hofe. Sie verhandelte zusammen mit ihrer Mutter und Margaretha von Habsburg, Statthalterin der Niederlande, den sogenannten Damenfrieden von Cambrai aus. Sie empfing Botschafter, verhandelte mit dem Pabst, und hatte immer noch die Aufsicht über die königlichen Kinder. Sie reformierte Klöster überall in Frankreich, ihre Lektüre der Lutherschrift „Von den Mönchsgelübden“ hatte sie nicht dazu gebracht, die Klöster abzuschaffen, sondern eher Missstände abzubauen.
1531 veröffentlichte Marguerite ihr religiös-poetisches Werk „Ein Spiegel der sündigen Seele“. Die zweite Ausgabe 1533 wurde von der Sorbonne als ketzerisch verurteilt und verboten. Wütend verlangte Franz I. die Rücknahme der Verurteilung, und die Universität fügte sich schleunigst. Als dann, 1534, die Plakataffäre mit ihrem Angriff auf die Messe und das katholische Abendmahlverständnis die Gemüter erregte, ging sie nach Südfrankreich. Dort konnte sie unter Anderen einem Flüchtling, dem jungen Calvin, weiterhelfen. Sie hatte seit jungen Jahren freundschaftliche Beziehungen zu ihrer Cousine, Renée de France, Herzogin von Ferrara, gepflegt, und jetzt schickten die zwei gleichgesinnten Verwandten einander hilfsbedürftige Glaubensflüchtlinge zu.
In den nächsten Jahren war das Verhältnis zwischen Bruder und Schwester etwas abgekühlt. Franz I. unterstützte die römisch-katholische Kirche nach Kräften, und Marguerite war vorsichtig geworden. Als der Berater des Königs ihn aber fragte, ob Gefahr bestünde, Marguerite könne zum Protestantismus übertreten, erwiderte der König: „Dafür liebt sie mich zu sehr!“, und behielt Recht damit.
Die Ruhe und Abgeschiedenheit am Hofe bedeutete für Marguerite Zeit für eine rege schriftstellerische Tätigkeit. Die religiösen Gedichte waren wohl eher eine Art meditative Übung inmitten der oberflächlichen Geschäftigkeit des Hofes. Jetzt verfasste sie Schauspiele, die am Hof aufgeführt wurden. Angeregt durch die Beschäftigung mit den Schriften des Plato, die sie durch den italienischen Humanisten Pico della Mirandola und Marsilio Ficino kennengelernt hatte, dachte sie über das Wesen der Liebe nach, und ihre schriftstellerische Tätigkeit wurde von diesen Überlegungen geprägt. Sie ließ Platos Schriften ins Französisch übertragen, so wie sie auch die Novellen von Boccaccio, „Dekameron“, übersetzen ließ. Diese Novellen beeinflussten ihre berühmteste Werk, die Novellen, aus denen das „Heptameron“ besteht, und die von ihr über einen längeren Zeitraum zusammengefügt wurden. Sie gab nur ein Buch in Druck, „Les marguerites de la Marguerite des princesses“, die Perlen der Perle (Marguerite) der Prinzessinnen, mitsamt dem Folgeband: „Suyte des marguerites“ (1547). Alle andere Schriften von ihr waren zu ihren Lebzeiten nur als Manuskript vorhanden, aber das Heptameron wurde ungefähr zehn Jahren nach ihrem Tod als Buch herausgegeben, und zählt seitdem zu den Klassikern des 16. Jahrhunderts, obwohl es oft missverstanden worden ist – dazu mehr später (vgl. Nielsen, Theologie als Erzählung).
Eine andere wichtige Angelegenheit in den letzten Jahren, ihr Verhältnis zu ihrer Tochter Jeanne, wird im Artikel über diese behandelt. In den letzten Jahren hatte sie eine Auseinandersetzung mit Calvin über die Freigeister, die sich bei ihrem Hof aufhielten. Ihre Bedeutung für die Reformation wird später untersucht. Klar ist allerdings, dass sie als Katholikin starb. Als ältere Frau zog sie sich immer öfters in Klöstern zurück und auch, wenn sie nie besonders rechtgläubig war, trat sie nie aus der Kirche aus. Sie starb 1549 auf ihrem Schloss Odos.
Marguerite d`Angoulême war eine hoch begabte, zutiefst fromme Frau. Sie ging unbeirrt ihre eigenen Wege, und auch, wenn sie diskret war, ließ sie sich nicht einschüchtern. Ihre Verdienste für die Verbreitung der Reformation sind offenkundig, und in Genf wusste Calvin sehr wohl, wie dankbar er ihr sein musste. Dabei war die geistige Freiheit ihr ohne Zweifel eine Herzensangelegenheit, während ihre Tochter und Enkelin mit Nachdruck Partei ergriffen. Zu Marguerites Zeiten waren diese geistige Freiheit und die Hoffnung, die katholische Kirche von innen zu erneuern und zu „reformieren“, ohne die Glaubensspaltung vollziehen zu müssen, noch möglich. Diese Umstände gaben ihr etwas Spielraum, den spätere Generationen nicht länger hatten.
Literatur
In Deutschland ist die Literatur zu Marguerite d´Angoulême übersichtlich. Zu erwähnen sind:
Margarete von Navarra: Das Heptameron, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1960, mit einem ausgezeichneten Nachwort von Peter Amelung. Neudruck München 1979, 1999 (dtv 12710)
Eltz-Hoffmann, Lieselotte von: Kirchenfrauen der frühen Neuzeit, Stuttgart 1995
Kraus, Claudia: Der religiöse Lyrismus Margaretes von Navarra, München 1981
Schönberger, Axel: Die Darstellung von Lust und Liebe im Heptaméron der Königin Margarete von Navarra, Frankfurt a/M 1993
Sckommodau, Hans: Die religiösen Dichtungen Margaretes von Navarra, Köln 1955
Sckommodau, Hans: Galanterie und vollkommene Liebe im „Heptaméron“, Münchener Romanistische Arbeiten, Band 46, München 1977
Sckommodau, Hans: Die spätfeudale Novelle bei Margareta von Navarra, Sitzungsbericht der Wissenschaftlichen Gesellschaft an der Johann Wolfgang von Goethe-Universität Frankfurt, Bd. XIV, Nr. 4, Wiesbaden 1977
Zimmermann, Margarete: Der Salon der Autorinnen: französische „dames de lettres“ vom Mittelalter bis zum 17. Jahrhundert, Berlin 2005
Stedman, Gesa & Zimmermann, Margarete: Höfe – Salons – Akademien, Hildesheim 2007
Hinzu kommt eine Übersetzung:
Febvre, Lucien: Margarete von Navarra. Eine Königin der Renaissance zwischen Macht, Liebe und Religion, Frankfurt a/M 1998 (Originaltitel: Autour de l´Heptaméron: Amour sacré, amour profane, Paris 1996)
Allgemeine Kirchengeschichte:
Strasser-Bertrand, Otto Erich: Die evangelische Kirche in Frankreich, in: Die Kirche in ihrer Geschichte, Göttingen 1975
In Frankreich zählt sie zu den wichtigen Renaissancedichterinnen. Eine vollständige wissenschaftliche Ausgabe ihrer Werke von Nicole Cazauran ist in Arbeit:
Marguerite de Navarre: Oeuvres Complètes, Paris 2001. Bisher erschienen:
Heptaméron, Paris 2000 und die Bände 1,3,4,8 & 9
Die klassische Biografie ist:
Jourda, Pierre: Marguerite d´Angoulême, duchesse d´Alençon, reine de Navarre (1492-1549), Étude biographique et littéraire, Paris 1930, Genf 1978
Jourda, Pierre: Répertoire analytique et chronologique de la Correspondance de Marguerite d´Angoulême, Duchesse d´Alençon, reine de Navarre (1492-1549), Paris 1930
Christine Martineau, Michel Veissière & Henry Heller: Guillaume Briçonnet/Marguerite de Navarre: Correspondance, 2 Bd., Paris 1975-79
Herminjard, Aimé, hrsg.: Correspondance des réformateurs dans les pays de langue française, Genf 1886-79
In Heptaméron, ed. Nicole Cazauran, ist weiterführende Literatur erwähnt. Hier verweise ich nur auf drei Kolloquien aus dem Jahr 1992:
Marguerite de Navarre, 1492-1992, Actes du Colloque international de Pau (1992), Mont-de- Marsan 1995
Etudes sur l´Heptaméron de Marguerite de Navarre, Colloque de Nice, 15-16 Fèvrier 1992, Uni.de Nice, o. J.
Marguerite de Navarre, Actes du colloque international du 14 au 16 septembre 1992, Lódź 1997
Karlsson, Britt-Marie: Sagesse divine et folie humaine, Etude sur les structures antithétiques dans l´Heptaméron de Marguerite de Navarre (1492-1549), Göteborg 2001
Montaigne: Oeuvres complètes, Paris 1962
Ausgewählte Literatur in englischer Sprache:
- Patricia F. Cholakian & Rouben C. Cholakian: Marguerite de Navarre, Mother of the Renaissance, New York 2006
- Cholakian, Patricia F.: Rape and Writing in the Heptameron, Carbondale 1991
- Cottrell, Robert D.: The Grammar of Silence, A Reading of Marguerite de Navarre´s Poetry, Washington D.C. 1985
- Davis, Betty J.: The Storytellers in Marguerite de Navarre´s Heptaméron, Lexington 1978
- Davis, Natalie Zemon: Society and Culture in Early Modern France: eight Essays, Stanford 1975
- Farge, James K.: Orthodoxy and Reform in Early Reformation France, The Faculty of Theology of Paris, 1500-1543, Leiden 1985
- Ferguson, Gary: Mirroring belief: Marguerite de Navarre´s Devotional Poetry, Edinburgh 1992
- Gelernt, Jules: World of Many Loves, The Heptameron of Marguerite de Navarre, Chapel Hill 1966
- Greengrass, Mark: The French Reformation, London 1987
- Salmon, J.H.M.: Society in Crisis, France in the Sixteenth Century, London 1975
- Tetel, Marcel: Marguerite de Navarre´s “Heptaméron”: Themes, Language and Structure, Durham N.C. 1973
Christlich-jüdischer Dialog und deutsch-israelische Beziehungen
Von Tobias Kriener
Den Vortrag „Christlich-jüdischer Dialog und deutsch-israelische Beziehungen“ hielt Tobias Kriener als Impulsreferat beim Jour Fixe ‚Erinnerung und Interkulturalität - Zur gegenwärtigen Bedeutung des Nationalsozialismus’ der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste e.V. am 18.1.2001 in der ‚Werkstatt der Kulturen’, Berlin.
1.
Bis 1945 war in den meisten christlichen Konfessionen (1) - und völlig unbestritten im deutschen Protestantismus - die Auffassung vorherrschend: Mit der Zerstörung Jerusalems und des Tempels ist die Verwerfung der Juden dafür, daß sie die Botschaft von Jesus als ihrem Messias ausgeschlagen haben, auch historisch-politisch besiegelt und geradezu bewiesen. Ansätze zu einer Interpretation der Ereignisse von 66-70 in diesem Sinne finden sich bereits im Neuen Testament (Mk 12, 1-12 par; Mt 23, 37-39 par; Mk 13, 1 f par; Mt 22, 7; Lk 19, 41-44; 21, 20-24). Zum festen Bestandteil christlicher Geschichtstheologie wurden sie in den ersten Jahrhunderten der Kirchengeschichte mit der Rezeption der Darstellung des jüdischen Aufstands im Werk des jüdischen Historikers Josephus ‚De bello judaico’ (2). Seine Interpretation der Ereignisse als Strafgericht Gottes für Israels Sünden (3) - die im Übrigen auch die Rabbinen teilten (4) - wurde von christlichen Theologen mit neutestamentlichen Aussagen so in Verbindung gebracht, daß eben in der mit der Zerstörung Jerusalems und des Tempels bestraften Sünde keine andere als die Kreuzigung Jesu gesehen wurde (5). Was bedeutete angesichts dieser heilsgeschichtlichen Interpretation des Untergangs Jerusalems und damit des Endes der halbautonomen politischen Existenz des jüdischen Volkes der Neubeginn mit der Gründung des Staates Israel 1948?
2.
Die evangelische Kirche und Theologie in Deutschland haben die Gründung eines Staates, der sich den Namen Israel gab, jahrelang mit Schweigen übergangen. So erwähnt etwa das richtungweisende ,Wort zur Judenfrage’ der Synode der EKD von Berlin-Weißensee 1950, das die Überzeugung von der bleibenden Erwählung des Volkes Israel ausspricht, die Mitschuld an der Ermordung der Juden bekennt und dazu aufruft, „sich von jeglichem Antisemitismus loszusagen", den Staat Israel nicht (6). Dieses Faktum hat uns Evangelische zunächst offensichtlich sprachlos gelassen, denn dafür gab es keine theologischen Kategorien.
Es war der Schweizer Theologieprofessor Karl Barth, der als erster evangelischer Theologe in seinem theologischen Hauptwerk, der ‚Kirchlichen Dogmatik’, das Faktum Israel nur zwei Jahre nach seiner Gründung erwähnt und gewürdigt hat. In der Lehre von der göttlichen Vorsehung bezeichnet er „die Geschichte der Juden“ (7) neben der „Geschichte der Schrift" (8), der „Geschichte der Kirche" (9) und der „Begrenzung des menschlichen Lebens" (10) als „Zeichen und Zeugen dafür, daß [...] das allgemeine Weltgeschehen [von Gott] regiert wird“ (11). Und in dem Abschnitt über die Geschichte der Juden kommt er ausdrücklich darauf zu sprechen, „daß die Juden (oder doch viele Juden) nun auch wieder in Palästina leben [...] mit dem Anspruch und mit der faktischen Aufrichtung und Behauptung eines neuen ‚Staates Israel’ (12).. Und dann kommt er - nach etlichen sehr lobenden Worten über den jungen Staat und seine Bewohner - auf die Konfrontation dieses neuen Faktums mit der alten christlichen Lehre zu sprechen und entscheidet sie in folgender Weise:
„Da sind sie wieder, da sind sie noch: [...] Es sollte nicht so sein, es war offenbar im Jahre 70, in jenem dem Tode Jesu so unheimlich entsprechenden Untergang des alten Israel so nicht gemeint, daß die Juden als Juden nicht mehr da sein oder doch nicht mehr sichtbar sein sollten. Sie waren es immer. Sie sind es noch heute und nun also heute, unmittelbar nach der scheinbar furchtbarsten, scheinbar dem äußeren Umfang nach alles Frühere in Schatten stellenden Katastrophe ihrer Geschichte erst recht" (13).
Man sieht: Auch für Barth existierte noch der Zusammenhang zwischen Kreuzigung Jesu und den Ereignissen des Jahres 70, wenn er ihn auch nicht als kausalen verstand, sondern als eine Entsprechung, die Barth dann aber durch die Fortexistenz des jüdischen Volkes und - erst recht - durch die Gründung des Staates Israel im Regiment Gottes - im doppelten Sinne - aufgehoben sieht.
Diese Formulierungen Barths wie auch andere seiner Einsichten, die er im auffallendem Kontrast zu der gesamten theologischen Tradition vor ihm und - wie sich immer wieder an Formulierungen feststellen läßt, die uns heute ganz antisemitisch anmuten - im Kontrast zu seiner persönlichen Prägung in der Auseinandersetzung mit der Bibel und den zeitgeschichtlichen Ereignissen gewonnen hat, haben in den folgenden Jahrzehnten die Richtung, in der in evangelischer Theologie und Kirche in Deutschland über das Judentum und Israel nachgedacht wurde, tief geprägt, wie ich noch zeigen werde.
3.
Schon Jahre vor der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Israel haben christliche, namentlich evangelische Einzelpersonen, Gruppen und Institutionen Beziehungen nach Israel gesucht. Der 21-jährige Theologiestudent Michael Krupp durchquerte am 28.10.1959 das Mandelbaumtor und war damit „der erste Deutsche für fast alle, denen ich begegnete, der erste Deutsche, den sie in Israel trafen, der erste Deutsche nach dem Krieg" (14), wie er berichtet.
Im März 1960 ging der Berliner Studentenpfarrer Friedrich-Wilhelm Marquardt als erster einer Reisegruppe der ESG an der TU Berlin, die er zusammen mit seinem Kollegen Pfarrer Rudolf Weckerling leitete, denselben Weg über die jordanisch-israelische Grenze (15). Im selben Jahr wurde die christliche Siedlung Nes Amim nördlich von Haifa unter niederländischer und deutscher Beteiligung gegründet (16). Einer ihrer geistlichen Mentoren war der Duisburger Theologieprofessor Heinz Kremers. 1961 nahm die auf Initiative des Richters und Mitglieds der Bekennenden Kirchen Lothar Kreyssig gegründete Aktion Sühnezeichen ihre Arbeit in Israel auf (17). Und schließlich ist aus der Zeit lange nach Aufnahme der diplomatischen Beziehungen das Programm ‚Studium in Israel’ zu erwähnen, das auf Initiative des schon erwähnten Michael Krupp, Martin Stöhrs, Rolf Rendtorffs, des Berliner Theologieprofessors Peter von der Osten-Sacken und anderer evangelischer Theologen seit 1978 jährlich eine Gruppe von Theologiestudenten aus Deutschland, der Schweiz, Österreich und der Tschechischen Republik zum Studium der jüdischen Traditionsliteratur an die Hebräische Universität nach Jerusalem schickt (18).
Alle diese Initiativen trugen dazu bei, daß der Staat Israel zunächst überhaupt von der evangelischen Christenheit in Deutschland wahrgenommen wurde, daß man für seine Anerkennung, sein Existenzrecht in sicheren Grenzen und die Aufnahme diplomatischer Beziehungen eintrat, und daß seine Wirklichkeit zunehmend differenzierter betrachtet wurde (19).
Diese immer differenziertere Wahrnehmung brachte auch kritische Reflexionen mit sich, etwa im Blick auf die israelische Politik in den 1967 eroberten Gebieten, was dazu führte, daß manche Israelis, die von Christen aus Deutschland eine unbedingte Unterstützung erwartet hatten, gelegentlich am Sinn solch intensiven Kennenlernens der israelischen Realität zweifelten.
4.
Mit dem Juni-Krieg von 1967 wurde Israel zum innerchristlichen Streitobjekt. In einer Erklärung des Arbeitsausschusses der christlichen Friedenskonferenz zum Nahostkonflikt vom Juli 1967 wurde Israel „rassistische, religiöse und nationalistische Überheblichkeit" vorgeworfen und sein Krieg mit den arabischen Staaten „in enge[n] Zusammenhang mit dem Vernichtungskrieg, der von den USA in Vietnam geführt wird" (20), gerückt. Dies war fortan der Ton, der in denjenigen Kreisen der evangelischen Kirchen angeschlagen wurde, die sich bei der Studentenbewegung und ihren Ausläufern und damit auf dem äußersten linken Rand des kirchlichen Spektrums einordneten, namentlich in den Evangelischen Studentengemeinden (21). Israel galt als ‚Vorposten des Imperialismus im Nahen Osten’, als ‚Flugzeugträger der USA’, als ,rassistisch’, ,faschistisch’ und als ‚Apartheidstaat’ - um nur einige der Bannwörter zu benennen, mit denen Israel in den siebziger und frühen achtziger Jahren belegt wurde.
Die Erklärung des Arbeitsausschusses der christlichen Friedenskonferenz blieb jedoch nicht unbeantwortet. Einen Monat später reagierte eine Gruppe von Mitgliedern dieser Friedenskonferenz, an ihrer Spitze Helmut Gollwitzer, der spätere Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland Karl Immer, der westfälische Präses Ernst Wilm und der Göttinger Theologieprofessor Ernst Wolff. Die Gegenerklärung gipfelte in der Selbstverpflichtung:
„Wir Deutsche, die wir in schrecklicher Weise an Israel schuldig geworden sind, haben eine Mitverantwortung für den Staat Israel als die letzte Heimat vieler Menschen, die aus unserem Land stammen und dem von uns Deutschen ins Werk gesetzten Völkermord an den europäischen Juden entronnen sind“ (22).
Es waren auch in den Folgejahren immer wieder evangelische Theologen wie Hellmut Gollwitzer, Rolf Rendtorff, Martin Stöhr und Friedrich-Wilhelm Marquardt, - die sich ihrerseits durch ein ausgesprochen linkes gesellschaftspolitisches Profil auszeichneten und im übrigen entgegen einem in palästinafreundlichen Kreisen weitverbreiteten Klischee keineswegs unkritische Israel-Solidarität betrieben (23) -, die den Parolen und Klischees über Israel aus linksevangelischen Kreisen der ,Palästinasolidarität’ ein differenziertes Bild von Israel und vom Konflikt mit den Palästinensern entgegenstellten.
5.
Die Bemühungen um eine theologische Würdigung des politischen Faktums des Staates Israel wurden vor allem im Umkreis der und von den Barth-Schülern Helmut Gollwitzer und Friedrich-Wilhelm Marquardt intensiv weiter getrieben. Dabei kamen sie immer wieder auch auf den Staat Israel in seinem Konflikt mit den Palästinensern und den arabischen Nachbarstaaten zu sprechen. Genannt seien hier nur der Vortrag Gollwitzers von 1963 ‚Der Staat Israel und die Araber’ (24) oder Marquardts Buch ,Die Juden und ihr Land’ (25).
Von der anderen Seite herkommend, nämlich vom politischen Engagement für Israel, aus deim sich dann das theologische Interesse für das christlich jüdische Verhältnis und die Frage nach der theologischen Relevanz des Staates Israel ergab, betrieb Rolf Rendtorff diese Bemühungen. Ich weise hier nur hin auf seine Schrift ‚Israel und sein Land’ (26). Beiden Denkbewegungen gemeinsam war, daß die Reflexion über die politischen Fragen im Zusammenhang mit Israel und dem Nahostkonflikt nie abstrakt, sondern immer im Kontext des Nachdenkens über die deutsche Vergangenheit und der Erneuerung des christlich jüdischen Verhältnisses stand. Ein zentrales Forum dafür war und ist bis heute geblieben die Arbeitsgemeinschaft Juden und Christen beim Deutschen Evangelischen Kirchentag, in der diese Fragen mit den jüdischen und israelischen Teilnehmern der Arbeitsgruppe zum Teil äußerst kontrovers diskutiert wurden und werden.
Das Verdienst dieser Arbeiten war es vor allem, die zentrale Bedeutung des Landes Israel für jüdisches Selbstverständnis herausgearbeitet und damit erst den angemessenen Verstehensrahmen für die Motive der zionistischen Bewegung und die Interessen israelischer Politik geschaffen zu haben.
6.
Diese Bemühungen trugen ihre kirchenpolitischen Früchte in den siebziger Jahren. Rolf Rendtorff verantwortete als Vorsitzender der Studienkommission Kirche und Judentum der EKD die Verabschiedung der Studie ‚Christen und Juden’ 1975. Im Arbeitsbuch zur Studie ist dem ‚Staat Israel’ ein eigenes Kapitel gewidmet (27) mit einem Unterabschnitt ‚Die Bedeutung des Staates Israel für die Christen’ (28). Das Arbeitsbuch beschränkte sich darauf, die Geschichte Israels und des Konflikts und die verschiedenen Stellungnahmen von Christen zu beschreiben und aufzulisten, ohne selber Stellung zu beziehen. Erst 1991 konnte in der Studie ,Christen und Juden II’ als Minimalkonsens konstatiert werden: „Konsens besteht in der Evangelischen Kirche in Deutschland [...] darin, dafür einzutreten, daß der Staat Israel mit seinen Nachbarn in gerechten Grenzen einen sicheren Frieden findet“ (29). Ausdrücklich wird festgehalten, daß in Bezug auf „theologische Gesichtspunkte" Unterschiede bestehen.
Einen Schritt weit darüber hinaus ging die Evangelische Kirche im Rheinland in ihrem ‚Synodalbeschluß zur Erneuerung des Verhältnisses von Christen und Juden’ von 1980, deren Präses der schon erwähnte Karl Immer war. Dort wird als einer von vier Gründen, sich „der geschichtlichen Notwendigkeit, ein neues Verhältnis der Kirche zum jüdischen Volk zu gewinnen", zu stellen, benannt: „Die Einsicht, daß die fortdauernde Existenz des jüdischen Volkes, seine Heimkehr in das Land der Verheißung und auch die Errichtung des Staates Israel Zeichen der Treue Gottes gegenüber seinem Volk sind“ (30). Damit wurde die barthsche theologische Kategorie des Zeichens, die er zum geschichtlich-politischen Phänomen der Gründung des Staates Israel in Beziehung setzte, aufgegriffen und weitergedach (31).
7.
In einem Punkt schlug sich die theologische Arbeit auch in einer direkt politischen Initiative nieder. Bereits im Vorfeld der Zionismus-Resolution der UNO vom 10.11.1975 beschloß die Synode der EKD am 6.11.1975:
„Die Synode bittet den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland, alles ihm Mögliche zu tun, daß eine sachgerechte Darstellung und Beurteilung des Zionismus [...] vor allem in den internationalen Gremien gegeben wird. Auf dem Umweg ‚Antizionismus’ dürfen nicht alte und neue Judenfeindschaft geweckt oder geduldet werden.
Der Rat der EKD wird gebeten, die Bundesregierung und ihre internationalen Vertretungen zu ermutigen, ihre ablehnende Stellungnahme gegenüber Definitionen aufrechtzuerhalten, die den Konflikt in Nahost, das Wesen und die Vielfalt des Zionismus sowie die Wirklichkeit des Rassismus falsch interpretieren.
Unsere Kirche trägt - wie unser Staat - eine besondere Verantwortung für das Existenzrecht des jüdischen Staates“ (32).
8.
Ob und in welchem Maße die theologisch-kirchliche Beschäftigung mit Israel Rückwirkungen auf die Politik gehabt hat, ist nicht genau abzuschätzen. Es wäre sicher einmal den Versuch wert, etwa die Mitglieder der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe vergangener und des gegenwärtigen Bundestages zu befragen, inwieweit sie die theologischen und kirchlichen Prozesse zur Kenntnis genommen haben oder sich etwa gar dadurch geprägt finden. Immerhin habe ich Indizien dafür, daß dies sehr wohl der Fall gewesen ist.
Aus meinem persönlichen Umfeld weiß ich aus der langjährigen Zusammenarbeit im Vorstand des Deutsch-Israelischen Arbeitskreises für Frieden im Nahen Osten e.V. mit dem einzigen Bundestagsabgeordneten, den ich persönlich kenne, Christian Sterzing, MdB der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, derzeit der Koordinator des Arbeitskreises Außenpolitik, Abrüstung, Menschenrechte der Fraktion und Mitglied im Auswärtigen Ausschuß, zu berichten, daß Sterzing sich, obwohl selber kein Mitglied einer christlichen Kirche, im Arbeitskreis ‚Kirche und Judentum’ der Evangelischen Kirche der Pfalz an der Erarbeitung einer ‚Arbeitshilfe für Gemeinden, Presbyterien und Bezirkssynoden’ (33) beteiligt hat. In der Vorstandsarbeit zusammen mit Rolf Rendtorff und anderen Theologen ist Sterzing immer über die einschlägigen Ereignisse auf theologischem und kirchlichem Gebiet unterrichtet gewesen und hat diese jeweils mit großem Interesse verfolgt.
9.
Noch aussagekräftiger ist ein Blick auf drei der bisherigen Bundespräsidenten, und das zumal, wenn man sie mit den bisherigen Bundeskanzlern der Bundesrepublik konfrontiert, die allesamt ein bestenfalls rein instrumentelles Verhältnis Israel gegenüber an den Tag gelegt haben.
Gustav Heinemann (34), führendes Mitglied der Bekennenden Kirche und ein Freund Karl Barths (35), war Präses der Synode der EKD in Berlin-Weißensee 1950. Er hat das ‚Wort zur Judenfrage’ aus tiefer Überzeugung mitgetragen und in einem bewegenden Schlußwort folgendes bemerkt:
„Es lag eine Qual um diese Frage nach den Juden und nach dem Volk Israel über uns und in uns. Es ist davon gesprochen worden, wieviel Anläufe die Bekennende Kirche genommen hatte, um zur Judenfrage ein lösendes und befreiendes Wort zu sprechen. Es wurde uns damals nicht geschenkt, und dieses Versäumnis, ja diese Schuld ging als diese Qual mit uns. Heute morgen war es wohl vielleicht die letzte Chance, die uns noch gegeben wurde, hierzu das zu sagen, was uns oblag. Gott schob uns diese Frage einfach in den Weg“ (36).
Heinemann hat in der Folge immer wieder engagiert gegen Antisemitismus Stellung bezogen. Er war als erster Bundespräsident in Israel, wenn auch nicht in offizieller Mission auf Staatsbesuch - was in der damaligen Situation so kurz nach der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen 1965 wohl noch nicht möglich gewesen wäre -, sondern nach seiner Wahl und vor seiner Amtseinführung als Gast der israelischen Ministerpräsidentin Golda Meir (37). Nach seinem Tod hat denn auch Nachuni Goldmann, der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, betont, „mit ihm freundschaftlich verbunden gewesen zu sein", und in Israel erinnerte Hanni Ullmann an „seine Freundschaft mit Israel“ (38).
10.
Der erste Bundespräsident auf Staatsbesuch in Israel war 1985 Richard von Weizsäcker. Von Weizsäcker war von 1964-1970 Präsident des Deutschen Evangelischen Kirchentags und von 1977-1983 Mitglied des Präsidiums des DEKT (39). In seinen ‚Erinnerungen’ hebt er ausdrücklich hervor:
„Einen starken Eindruck hinterließ mir auf den Kirchentagen die Arbeitsgemeinschaft ‚Juden und Christen’. Hier kam es zu den ersten ernsthaften Gesprächen nach dem Holocaust. Es waren Teilnehmer aus Israel und der Bundesrepublik [...] Unvergeßlich ist mir, wie der aus Deutschland nach Israel ausgewanderte Ernst Simon jüdische Bibelauslegungen vortrug, von denen jeder evangelische Professor der evangelischen Theologie etwas lernen konnte. Mit unerbittlicher, aber nicht unversöhnlicher Wahrheitsliebe redete uns [...] Robert Raphael Geis ins Gewissen, indem er das geschichtliche Verhalten von Christen an den Grundsätzen ihres Glaubens maß. Aber auch den Teilnehmern aus Israel wurde keine Frage nach ihrer Verantwortung für die Palästinenser im Nahen Osten erspart“ (40).
Es wird nicht zuletzt diese Tuchfühlung zu den Versuchen evangelischer Theologie und Kirche, zum Judentum ein neues Verhältnis zu finden, gewesen sein, die seine Einstellung zur deutschen Geschichte prägte, wie sie dann in der berühmten Rede zum 8. Mai 1985 auf den Punkt kam - als Kontrastprogramm gewissermaßen zu Bundeskanzler Kohls Gerede von der „Gnade der späten Geburt“ bei seinem Israel-Besuch 1984.
Der Staatsbesuch in Israel war nicht Weizsäckers erster Israelbesuch. So vertrat er 1973 zusammen mit Hans-Jochen Vogel und Carlo Schmid die Bundesrepublik bei der Beerdigung von David Ben Gurion und war 1981 als Regierender Bürgermeister von Berlin bei Teddy Kollek in Jerusalem zu Gast.
Seine Rede zum 8. Mai 1985 hatte auch in Israel Furore gemacht und den Staatsbesuch Weizsäckers gefördert, der aufgrund des angekündigten Exports deutscher Waffen nach Saudi Arabien und des kurz zuvor erfolgten israelischen Bombardements des PLO-Hauptquartiers in Tunis unter denkbar schlechten Rahmenbedingungen stattfand. Israels Staatspräsident Chaim Herzog pries „Weizsäcker als Freund Israels, dessen 8.-Mai-Rede die ‚Schranken zwischen den neuen Generationen in unseren beiden Ländern’ gehoben habe und ‚eines der eindrucksvollsten Dokumente unserer Zeit’ sei“ (41). Vor allem mit dieser Rede, wie aber auch mit seinem Verhalten während des Besuchs in Israel konnte von Weizsäcker vieles von dem Schaden, den der Kohl-Besuch ein Jahr zuvor angerichtet hatte, wett machen und das Ansehen der Deutschen und Deutschlands in Israel gewaltig verbessern.
Und schließlich (42) ist Johannes Rau ein anerkannter ‚Freund Israels’. Auch Rau hat lange Jahre als Landessynodaler der EKiR in einem wichtigen kirchlichen Gremium mitgewirkt. Er war 1980 Mitglied der rheinischen Synode, die den vielbeachteten Beschluß ‚Zur Erneuerung des Verhältnisses von Christen und Juden’ faßte, und hat dem Erläuterungsband ,Umkehr und Erneuerung’ ein Geleitwort vorangestellt, in dem er ausführlich auf Gustav Heinemann, seinen politischen Ziehvater, und auf die Verpflichtung der Deutschen und Christen, zur Existenzsicherung Israels beizutragen, einging (43).
Sein Staatsbesuch in Israel im Jahr 2000 soll seine sage und schreibe 31. Reise nach Israel gewesen sein. Ihm wurde die besondere Ehre zuteil, als erster Deutscher eingeladen zu werden, eine Rede in der Knesset zu halten.
Diese drei Repräsentanten Deutschlands, alle drei aktive Mitglieder der evangelischen Kirche und intensiv an den Bemühungen um eine neues Verhältnis zwischen Christen und Juden beteiligt, haben in Wort und Tat deutlich dokumentiert, daß ihnen die deutsch-israelischen Beziehungen ein persönliches Anliegen weit jenseits außenpolitschen Kalküls waren bzw. sind. Sie haben gerade so das Ansehen Deutschlands gefördert. Und sie sind beredte Belege dafür, daß die theologischen und kirchlichen Bemühungen um eine Erneuerung der christlich jüdischen Beziehungen in den politischen Raum hinein Wirkung gezeigt haben.
12.
In den Evangelischen Kirchen in Deutschland hat nach 1945 ein radikales Umdenken eingesetzt. Gut fünfzig Jahre später läßt sich feststellen, daß die eingangs skizzierte, geschichtstheologische Auffassung, die noch 1945 Allgemeingut war, überwunden ist. Weder in der theologischen Lehre, noch in kirchlichen Äußerungen spielt sie noch irgendeine Rolle, und das läßt hoffen, daß sie auch in den Köpfen der Christlnnen überwunden ist.
Dazu hat einerseits die immer stärker werdende Einsicht in die Mitschuld christlicher Theologie und kirchlicher Lehre an der Ausgrenzung und Verächtlichmachung der Juden, die dann den Massenmord möglich gemacht haben, geführt. Noch viel stärker aber hat dazu beigetragen, daß ChristInnen JüdInnen in Deutschland und vor allem in Israel begegnet sind und an ihnen und von ihnen gelernt haben, wie lebendig dieses Volk und wie vital seine Verbindung zum Land Israel ist.
Die evangelischen Kirchen in Deutschland vertreten daher heute einmütig das Recht Israels auf sichere Existenz in anerkannten Grenzen, ohne darüber die Rechte der Palästinenser zu ignorieren. Darüberhinaus fördern sie den intensiven Austausch mit Israel. Eine Einigkeit über eine theologische Bewertung des Staates Israel konnte bisher nicht gefunden werden, was aber vielleicht gar kein Schade ist. Denn wenn der Staat Israel sachgerecht theologisch gewürdigt werden kann, ohne daß wiederum plumpe geschichtstheologische Festlegungen dabei herauskommen, dann sicher nur in der hochdifferenzierten Form, in der der rheinische Synodalbeschluß das versucht hat. Daß diese doch recht anspruchsvolle Art des Denkens und Formulierens sich nicht überall durchgesetzt hat, ist nicht verwunderlich.
Als Wermutstropfen bleibt zu notieren, daß dieser Umkehrprozeß, der vielen in den Kirchen zum Herzensanliegen geworden ist, sich an den Stätten theologischer Lehre nur punktuell durchgesetzt hat. Akademische Theologie sperrt sich bis heute in einem erschreckend hohen Maße gegen die Notwendigkeit der eigenen Umkehr und Erneuerung.
Das Bild in der Politik ist zwiespältig. Zumeist ist das Verhältnis zu Israel und den Juden nach wie vor ein instrumentelles. Indiz dafür ist für mich immer wieder, wenn Politiker über die Wirkung antisemitischer Vergehen auf das Ansehen Deutschlands im Ausland reflektieren.
Die rühmliche - und aufgrund ihres Amtes glücklicherweise hochrepräsentative - Ausnahme in der politischen Sphäre sind die drei durch den Umkehrprozeß in der Evangelischen Kirche mitgeprägten Bundespräsidenten Heinemann, von Weizsäcker und Rau. Sie setzen Maßstäbe, von denen ich mir wünsche, daß viele andere sie sich angelegen sein lassen. Enger Kontakt zur Arbeit der evangelischen Kirchen kann in dieser Sache, so hoffe ich gezeigt zu haben, nicht schaden.
(2) Flavius Josephus, De bello judaico - Der jüdische Krieg. Zweisprachige Ausgabe der sieben Bücher, hg. v. Otto Michel u. Otto Bauernfeind. Darmstadt 1959/1963.
(3) Z.B. in der Rede des Eleazar auf Massada: ebd. VII, S. 327-329.
(4) byom 9b [Babylonischer Talmud, Traktat Yoma]: „Aber warum wurde der zweite Tempel zerstört, obwohl man sich mit der Tora und den Geboten befaßte und Almosen gab? Weil es in ihm sinnlosen Haß gab".
(5) Zur Rezeption des ‚Bellum Judaicum’ in diesem Sinne vgl. Heinz Schrekenberg, Josephus und die christliche Wirkungsgeschichte seines ‚Bellum Judaicum’. In: ANRW 2., 2U1 (1984), S. 1106-1217.
(6) Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland: Wort zur Judenfrage vorn April 1950. In: Die Kirchen und das Judentum. Dokumente von 1945-1985, hg. v. Rolf Rendtorff und Hans Hermann Henrix. 2. Aufl. München 1989, S. 548 f.
(7) Karl Barth, Kirchliche Dogmatik. Bd. 111/3 Zürich 1950, S. 238.
(8) Ebd. S. 227.
(9) Ebd. S. 231.
(10) Ebd. S. 256.
(11) Ebd.S. 225.
(12) Ebd. S. 240.(13) Ebd. Alle Hervorhebungen im Original. Mit der Formulierung „es war offenbar [...] nicht so gemeint" dementiert Barth implizit eigene frühere Aussagen, z.B. aus dem 1940 erschienenen Band: Kirchliche Dogmatik II/1, S. 542: „Es gibt, nachdem der Messias Israels erschienen [...] ist, [...] kein heiliges Land mehr, [das] man auf der Landkarte als solche[s] bezeichnen könnte".
(14) Michael Krupp, Dreißig Jahre diplomatische Beziehungen zu Israel. Fast ein Stück Selbstbiografie. In: Normal ist das Besondere. Streiflichter aus 30 Jahren deutsch-israelischer Beziehungen, hg. von Andrea Kaiser u. Tobias Kriener. Schwalbach/Tns. 1996 (Schriftenreihe des Deutsch-Israelischen Arbeitskreises für Frieden im Nahen Osten e.V. Bd. 26), S. 13.
(15) Vgl. Friedrich-Wilhelm Marquardt, Begegnungen mit Juden. In: Ders., Verwegenheiten. Theologische Stücke aus Berlin. München, 1981, S. 145.
(16) Vgl. Martin Stöhr, Kirche und Israel. Ein Lernprozeß hat gerade erst begonnen. In: Deutschland und Israel: Solidarität in der Bewährung. Bilanz und Perspektive der deutsch-israelischen Beziehungen, hg. v. Ralf Giordano. 2. Aufl. Gerungen, 1993, S.221.
(17) Ebd. S. 223.
(18) Ebd. S. 224.
(19) Vgl. Freundschaft mit Israel. Erfahrungen-Einsichten-Konsequenzen. Rolf Rendtorff im Gespräch. Frankfurt a.M. 1990 (israel & palästina - Zeitschrift für Dialog, Sonderheft 23), S. 5-25.
20 Arbeitsausschuß der christlichen Friedenskonferenz zum Nahostkonflikt, Erklärung vom 4. Juli 1967. In: Die Kirchen und das Judentum (wie Anm. 6), S. 347.
(21) Vgl. Martin Kloke, Israel und die deutsche Linke. Zur Geschichte eines schwierigen Verhältnisses. 2. Aufl. Frankfurt 1994 (Schriftenreihe des Deutsch-Israelischen Arbeitskreises für Frieden im Nahen Osten, Bd. 20), S. 147-150. Eine gründliche Aufarbeitung dieses düsteren Kapitels von Anpassung eines sich als emanzipatorisch verstehenden Segments der evangelischen Kirche an den damals an den Universitäten herrschenden Zeitgeist ist ein dringendes Desiderat der kirchlichen Zeitgeschichtsforschung.
(22) Mitglieder der christlichen Friedenskonferenz, Gegenerklärung vom 9. August 1967, in: Die Kirchen und das Judentum (wie Anm. 6), S. 349.
(23) Erinnert sei nur an den Eklat, den Helmut Gollwitzer 1978 anläßlich eines Vortrags in Beer Scheva auslöste, als er eine Bemerkung Bubers zitierte, in der dieser davor warnte, daß die Juden in eine „Herrenvolk-Position" hineingeraten (vgl. dazu Rolf Rendtorff, Hat sich unser Israel-Engagement gewandelt? In: Richte unsere Füße auf den Weg des Friedens. Helmut Gollwitzer zum 70. Geburtstag, hg. von Andreas Baudis. München, 1979, S. 155-166), oder daran, daß Rolf Rendtorff als Gründungsmitglied und langjähriger Vorsitzender des Deutsch-Israelischen Arbeitskreises für Frieden im Nahen Osten einen klaren Trennungsstrich zu der in der DIG [Deutsch-israelische Gesellschaft] zeitweise geforderten unkritischen Israelsolidarität zog, vgl. dazu ders., Freundschaft mit Israel (wie Anm. 19).
(24) In: Helmut Gollwitzer, Vietnam, Israel und die Christenheit. München 1967, 55-95. 25 2. Auf. Gütersloh 1978(GTB 189).
(26) Israel und sein Land. Theologische Uberlegungen zu einem politischen Problem. München 1975 (TEH, NF 188); weitere Veröffentlichungen Rendtorffs zu diesem Thema in: Freundschaft mit Israel (wie Anm. 19), S. 26. Der Name Martin Stöhr darf in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben; vgl. ders., Kirche und Israel (wie Anm. 16).
(27) Arbeitsbuch Christen und Juden. Zur Studie des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, im Auftr. d. Studienkommission hg. v. Rolf Rendtorff. Gütersloh 1979, S. 197-218.
(28) Ebd. S. 216-218.
(29) Christen und Juden II. Eine Studie der Evangelischen Kirche in Deutschland, im Auftr. des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland hg. v. Kirchenamt der EKD. Gütersloh 1991, S. 19 - Zu den Erklärungen vieler Landeskirchen in den achtziger Jahren vgl. Johannes Ehmann, Solidarität mit dem Staat Israel? Der Staat Israel in evangelischen und ökumenischen Dokumenten und Verlautbarungen. In: Kul 7 (1992), 2, S. 149-160.
(30) Synodalbeschluß zur Erneuerung des Verhältnisses von Christen und Juden. In: Umkehr und Erneuerung. Erläuterungen zum Synodalbeschluß der Rheinischen Landessynode 1980 „Zur Erneuerung des Verhältnisses von Christen und Juden", hg. v. Bertold Klappert u. Helmut Starck. Neukirchen-Vluyn 1980, S. 264.
(31) Zu den sehr differenzierten theologischen Denkprozessen, die sich mit der Formel vom ‚Zeichen der Treue Gottes’ verbinden, ist zu vgl. Bertold Klappert, Zeichen der Treue Gottes. In: ebd. S. 73-100. Klappert wehrt den Vorwurf, der dem Synodalbeschluß vielfach gemacht wurde, er betreibe eine „Eschatologisierung des Staates Israel" ab (ebd. S. 81 f) und interpretiert die Formel als „araaloge[iiJ Begriff, der das Geheimnis der [...] Staatlichkeit Israels in das Licht der prophetischen Verheißungen Gottes stellt und sie von daher als Zeichen der Treue Gottes versteht und bekennt" (ebd. S. 86).
(32) Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland. Beschlüsse anläßlich der Zionismus-Resolution der Vereinten Nationen vom 6. November 1975. In: Die Kirchen und das Judentum (wie Anm. 6), S. 579. Die entsprechende Erklärung des Generalsekretärs des Ökumenischen Rates der Kirchen Philip Potter, ebd. S. 383 f.
(33) Vgl. Rezension in: DtPfrBl 12 (1989), S. 512 f.
(34) Für diesen Abschnitt bin ich Dieter Koch/Bremen für seine freundliche Hilfe und die Verfügbarmachung von Material zu besonderem Dank verpflichtet.
(35) Vgl. Joachim Braun, Der unbequeme Präsident. Karlsruhe 1972, S. 29; die Vertrautheit mit dem Denken Karl Barths ist in vielen Äußerungen Heinemanns offensichtlich, vgl. nur: Der Antisemitismus und seine Folgen. In: Gustav W. Heinemann, Einspruch. Ermutigung für entschiedene Demokraten, hg. v. Diether Koch i. Verb. m.d. Gustav-Heinemann-Initiative. Bonn 1999, S. 72-74 mit Kirchlicher Dogmatik, Bd. 111/3. Zürich 1950, S. 238-256.
(36) Berlin-Weißensee. Bericht über die 2. Tagung der 1. Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 23.-27.4.1950, hg. im Auftrag des Rats v.d. Kirchenkanzlei der EkiD. Hannover o.J., S. 397.
(37) Vgl. das Foto in: Einspruch (wie Anm. 35), S. 93.
(38) Stimmen zum Tode von Gustav W. Heinemann, hg. v. Diether Koch u. Martin Lotz. 2. Aufl. Bremen 1976 (JK, Beiheft zu H. 10), S. 33.
(39) Des weiteren war er von 1967-1984 Mitglied der Synode und des Rates der EKD und von 1968-1975 Mitglied des Zentralausschusses des ORK, vgl. Richard von Weizsäcker mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten dargestellt von Harald Steffahn. Hamburg, 1991 (rin 479), S. 140 f.
(40) Richard von Weizsäcker, Vier Zeiten. Erinnerungen. Berlin, 1997, S. 161.
(41) Friedbert Pflüger, Richard von Weizsäcker. Ein Porträt aus der Nähe. 2. Aufl. Stuttgart 1990, S. 131.
(42) Von Roman Herzog, auch wenn zeitweise Mitglied der EKD-Kammer für öffentliche Verantwortung, ist in dieser Hinsicht nichts bekannt. In einem ausführlichen biographischen Interview findet sich kein Wort dazu, daß er von den Bemühungen der evangelischen Kirchen zur Erneuerung des Verhältnisses mit dem Judentum irgendwie Kenntnis genommen hätte. In der ihm eigenen Wurstigkeit findet er überhaupt eigentlich nur abfällige Worte für die Arbeit der EKD. Vgl. Der unbequeme Präsident. Roman Herzog im Gespräch mit Manfred Bissinger und Hans-Ulrich Jörges. Hamburg 1994, S. 93-97.
(43) Geleitwort des Ministerpräsidenten. In: Umkehr und Erneuerung (wie Anm. 30), S. XV-XVII.
Abgedruckt in: „Die Gemeinde als Ort von Theologie“. Festschrift für Jürgen Seim zum 70. Geburtstag, hrsg. von Katja Kriener (Schriftenreihe des Vereins für Rheinische Kirchengeschichte 158), Bonn 2002, 91-104
©Dr. Tobias Kriener
Kriener, Christlich-jüdischer Dialog und deutsch-israelische Beziehungen.pdf
"60 Jahre Staat Israel. Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist" - das Themanheft 2008 des Deutschen Koordinierungsrats e.V. mit theologischen, gesellschaftspolitischen und pädagogischen Beiträgen steht bereit zur Online Bestellung.
In dem Anspruch des jüdischen Volkes auf das Land Israel sieht der Alttestamentler Frank Crüsemann die möglicherweise größte Herausforderung für christliche Theologie dieser Tage. Er benennt drei Problemfelder einer christlich-theologischen Beurteilung des Staates Israel und erinnert an drei Aspekte, die für weitere kirchliche Stellungnahmen zum jüdischen Staat zu bedenken sind.
Das Verhältnis Israels zu seinem Land ist kaum bedacht in christlicher Dogmatik. Anders bei Friedrich-Wilhelm Marquardt, dem 2002 in Berlin verstorbenen Professor für Evangelische Theologie. In seiner Eschatologie lädt Marquardt ein, das jüdische Volk und seinen Staat als "neue Tatsache" wahrzunehmen. Er hält dabei fest: Bis zum jüngsten Gericht „können wir die Geschichte von den Juden und ihrem Land nur als Geburtswehen eines kommenden Neuen begreifen“.
Das politische Ereignis der Existenz Israels bewirkte eine Umkehr im theologischen Denken über das Verhältnis von Kirche und Israel. Karl Barth würdigte die Existenz des Staates Israel bereits zwei Jahre nach seiner Gründung in der „Kirchlichen Dogmatik“. Und umgekehrt? Beeinflussten kirchliche Stellungnahmen deutsche Politiker? Den drei in der evangelischen Kirche engagierten Bundespräsidenten Heinemann, von Weizsäcker und Rau zumindest waren die deutsch-israelischen Beziehungen ein persönliches Anliegen „jenseits außenpolitschen Kalküls“.
"Jetzt können wirs in der Zeitung lesen: Gott hält seine Verheißung.“ - So Karl Barth unter dem Eindruck des militärischen Sieges Israels im Sechtstagekrieg.
Eine Dokumentation von Auszügen aus kirchlichen Beschlüssen und theologischen Stellungnahmen der Jahre 1980-2001 der Evangelischen Kirche im Rheinland, der Evangelisch-reformierten Kirche, der Union Evangelischer Kirchen, der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa und des Reformierten Bundes zum Staat Israel