Wichtige Marksteine
Reformierte im Spiegel der Zeit
Geschichte des Reformierten Bunds
Geschichte der Gemeinden
Geschichte der Regionen
Geschichte der Kirchen
Biografien A bis Z
(1492-1549)
Ludwig XII. versuchte mehrmals, Marguerite als Braut in Europa zu verhandeln, aber weder ihre Aussichten, noch ihr Vermögen waren ausreichend, um eine internationale Ehe einzugehen. Stattdessen heiratete sie 1509, gerade siebzehn Jahre alt, den Herzog von Alençon, von dem wenig bekannt ist. Die Forschung geht meistens davon aus, dass sie und ihr Gatte wenig Gemeinsames hatten, zumal der Herzog vor Allem ein Soldat war. Dafür hatte sie aber eine geliebte Schwiegermutter, Marguerite von Lorraine, die eine zutiefst fromme Frau war. Jahre später schrieb Marguerite über ihren Tod und ließ ihre Trauer darüber durchblicken.
Als Ludwig XII. befürchten musste, nicht selbst Söhne zeugen zu können – er hatte „nur“ zwei Töchter, Claude und Renée de France – holte er Franz d´Angoulême an seinem Hof und gab ihm seine Tochter Claude zur Ehe. 1515 verstarb er und Franz bestieg als Franz I. den Thron Frankreichs.
Für Marguerite änderte sich das Leben schlagartig. Sie kam zu ihrem Bruder an den Hof, und da die Königin Claude sehr zurückhaltend und scheu war, übernahm sie bald die repräsentativen Pflichten. Zusammen mit ihrer Mutter bildete sie mit Franz ein Trio, die sogenannte „Dreieinigkeit“. Franz konnte immer mit seiner Mutter und seiner Schwester rechnen, und sie unterstützten ihn nach Kräften.
Franz I. wurde der erste Renaissancekönig Frankreichs. Er war jung, viril und plötzlich auch reich. Er ließ bauen an der Loire, eroberte das Herzogtum Mailand, versuchte sich als Deutschrömischer Kaiser wählen zu lassen – das war eine extrem teure Angelegenheit – und verwickelte sich in Rivalitäten sowohl mit Heinrich VIII. von England als auch mit Kaiser Karl V.
Schon 1516 verhandelte er ein Konkordat mit dem Pabst in Bologna. Die französische Kirche hatte seit dem Mittelalter ihre gallikanische Freiheiten gegenüber dem Pabst verteidigt, und als Frankreich sich als Nationalstaat festigen konnte und mit Franz I. fast die Grenzen erreicht hatte, die noch heute gelten, gelang es auch Franz, eine römisch-katholische Nationalkirche zu vereinbaren. Vor allem durfte er wichtige Posten in der Kirche mit seinen Kandidaten besetzen, die dann vom Pabst anerkannt wurden. Damit war die französische Kirche ihrem König treu ergeben, nicht desto weniger war sie streng katholisch, besonders die Fakultät der Theologie der Universität von Paris (oft abgekürzt Sorbonne genannt) wachte über die reine katholische Lehre. In den Jahren 1515 bis 1534 war Franz theologisch eher liberal und pfiff die eifrigen Theologen zurück, nach 1534 machte er mit ihnen gemeinsame Sache.
In Frankreich bildeten sich Kreise von Reformkatholiken und Humanisten, die der etwas verkrusteten katholischen Theologie kritisch gegenüberstanden. Sie forderten die Bibel in der Muttersprache und in den Händen von Laien. Sie kritisierten Heiligenkult und Reliquienverehrung, und versuchten eine Erweckung der Gläubigen im Sinne vom reformatorischen „sola fide, sola scriptura“ (= durch den Glauben allein und durch die Heilige Schrift allein) herbeizuführen. Der leitende Humanist war der alte Lefèvre d´Etaples (Faber Stapulensis), der nach Jahren als Herausgeber klassischer antiker Schriften endlich bereit war, die Heilige Schrift zu übersetzen. Er wurde unterstützt von Guillaume Briçonnet, Bischof von Metz. Dieser führte Reformen in seiner Diözese durch, legte die Bibelübersetzung des Lefèvre in den Kirchen aus, verjagte die Franziskaner, die sonst fast Predigtmonopol besaßen, und ließ durch seine eigene Leute „reformatorisch“ predigen. Unter ihnen waren Gérard Roussel, der später Hofkaplan bei Marguerite wurde, Guillaume Farel, der später in Genf als Reformator zusammen mit Calvin wirkte, und Simon Robert, der die frühere Nonne Marie Dentière heiratete und auch in die Schweiz zog.
Als katholischer Bischof wollte Briçonnet nicht die katholische Kirche umstürzen oder dem Pabst die Treue kündigen, er wollte dagegen die Kirche von innen erneuern. Er gehörte dem Reformkatholizismus an, der in Frankreich oft als „évangelisme“ bezeichnet wird, mit dem deutschen Wortbrauch „evangelisch“ aber wenig zu tun hat. Die Humanisten wie Erasmus von Rotterdam oder Lefèvre d´Etaples wollten zu den Quellen zurück, sie wollten die Bibel allen zugänglich machen, sie hatten von Paulus gelernt, dass Rechtfertigung durch den Glauben geschieht, aber er sah das alles nicht als Grund, die Einheit der Kirche auf Spiel zu setzen. Diese Männer prägten Marguerite.
An Bischof Briçonnet wandte sich Marguerite mit der Bitte um geistigen Beistand. Ein Briefwechsel folgte, der sich (nachweislich) über die Jahre 1521 bis 1524 erstreckte. Der Bischof schrieb lange Homilien, und Marguerite bat ihn ständig um mehr „seelische Nahrung“. Sie verwendete vermutlich seine schriftlichen „Predigten“ als Grundlage für Andachten mit ihren Hofdamen. Abschriften ließ sie in ihrem Freundes- und Verwandtenkreis verteilen .
Briçonnet legte ihr die Bibellektüre ans Herz, mit besonderer Wertschätzung der Paulinischen Briefe. Nebenbei sei bemerkt, dass sowohl Luther als auch Calvin in jungen Jahren den Römerbrief auslegten, denn wer Erneuerung für die Kirche erhoffte, kam um Paulus nicht herum. Das Besondere bei Briçonnet war allerdings sein Hang zur Innerlichkeit, die Liebe zwischen Christus und der Seele, die Aufgabe des Selbst und das Hinschmelzen in Christus. Gute Werke, der Verdienst der Heiligen, Fasten und Pilgern kamen bei ihm dagegen nicht vor.
Für Marguerite bedeutete diese religiöse Erneuerung, dass sie anfing, geistliche Gedichte zu schreiben, ihre poetische Ader wurde freigelegt. Das erste Gedicht handelt von einer nächtlichen Vision. Ihre Nichte – die Tochter ihres Bruders – starb 1524 mit acht Jahren, und Marguerite fragt die reine Seele, was sie glauben soll. Der Antwort ist klar, sie soll Christus allein lieben und glauben. Briçonnet hätte es nicht besser ausdrucken können.
In diesen Jahren wurden Luthers Schriften in Frankreich verbreitet und wir wissen mit Sicherheit, dass Marguerite seine Schriften kannte. Die theologische Fakultät der Universität von Paris leistete Widerstand gegen die lutherische Ketzerei und das bekam Bischof Briçonnet zu spüren. In seinen Briefen an Marguerite bat er sie wiederholt um Unterstützung und besonders darum, dass sie ihren Bruder und ihre Mutter für seine Reformen gewinnen möge. Marguerite hatte zwar großen Einfluss auf ihren Bruder, aber trotzdem musste Briçonnet alle seine Reformvorhaben aufgeben. Die Gruppe um ihn flüchtete nach Straßburg, während er selbst widerrufen musste. Er starb kurze Zeit später.
1524 starb Königin Claude, und Marguerite wurde mit der Aufsicht der königlichen Kinder betraut. Aus ihrem Briefwechsel wissen wir, wie sehr diese Kinder ihr ans Herz wuchsen. Ihre Ehe blieb kinderlos – ihre Trauer darüber vernimmt man in den Briefen an Briçonnet – und jetzt konnte sie ihre mütterlichen Gefühle den Kindern ihres geliebten Bruders zu Gute kommen lassen.
1525 verlor Franz I. die Schlacht bei Pavia in Norditalien. Seit vielen Jahren, schon in der Regierungszeit Karl VIII. hatte Frankreich mit den italienischen Stadtstaaten Krieg geführt. Jetzt stießen in Italien die habsburgischen und die französischen Truppen zusammen. Die Blüte des französischen Adels wurde an einem Tag vernichtet, und Franz selbst wurde gefangengenommen. Der Herzog von Alençon flüchtete vom Schlachtfeld und starb wenige Monate später, von seiner Gattin liebevoll gepflegt.
Jetzt schlug die Stunde für Marguerite. Mit ihrer Mutter hatte sie in Lyon den Ausgang des Krieges abgewartet, und nach dem Tod ihres Gatten ließ sie ihre Mutter als Regentin Frankreichs zurück, sie selbst segelte und ritt zu ihrem Bruder, der schwer krank in Madrid im Gefängnis lag. Sie pflegte ihn wieder gesund und versuchte mit dem unerbittlichen Kaiser Karl V. zu verhandeln. Sowohl sie als auch Franz dachten, dass der ritterliche Ehrencodex seine Befreiung möglich machen würde, Karl war aber auf handfeste Vorteile aus. Am Ende versprach Franz alles, um freizukommen, fuhr nach Hause, gab seine Söhne quasi als Unterpfand dem Kaiser und musste eine Riesensumme als Lösegeld aufbringen.
Als Regentin hatte die streng katholische Louise von Savoyen die französische Kirche in ihrem Kampf gegen die „Ketzer“ unterstützt, deshalb war auch keine Hilfe für Briçonnet und seine Leute zu erwarten. Nach der Rückkehr Franzens war er noch abhängiger als zuvor von der Kirche, nur sie konnte ihm mit dem Geld, das er dem Kaiser schuldete, versorgen. Anders als die deutsche Fürsten, die sich sehr wohl handfeste Vorteile von der Reformation in ihren Ländern erhoffen konnten, hatte der französische König schon eine (katholische) Nationalkirche, die ihn kräftig unterstützte, natürlich in der Annahme, dass er keine „Ketzer“ dulden würde.
Marguerite war eine noch junge Witwe, und ihr zweiter Gatte war ein junger, strahlender Held: Henri d´Albret, König von Navarra. Er hatte sich in der Schlacht von Pavia tapfer geschlagen, war gefangen genommen worden, hatte sich aber in einer „Mantel und Degen Aktion“ buchstäblich erfolgreich abgeseilt. Er war zudem ein Frauenheld und 12 Jahre jünger als Marguerite. Sein Königreich war winzig: das Königreich Navarra war ursprünglich das, was wir heute das Baskenland nennen, ein Gebiet, das sich beidseitig über den Pyrenäen erstreckte, jedoch sein Schwerpunkt auf der Südseite der Bergkette mit Pamplona als Hauptstadt hatte. Die Albrets, als südfranzösische Großgrundbesitzer, waren durch Heirat an die Krone gekommen, nur um erleben zu müssen, dass Spanien 1512 der Gebiet um Pamplona eroberte. Damit schrumpfte das Königreich auf Basse-Navarre zusammen, der französische Teil des Baskenlandes. Da er auch Vicomte von Béarn war, eine unabhängige Grafschaft mit eigener Regierung und Generalständen, hatte er dennoch sein eigene Hausmacht. Er erwartete, sozusagen als Mitgift, dass Franz ihm helfen würde, ganz Navarra zurückzuerobern. Franz dagegen erwartete, dass er die Grenze gegen Spanien verteidigen würde und machte ihn zum Oberbefehlshaber in Guienne, eine Bezeichnung für Südwestfrankreich von den Pyrenäen bis Loire, vom Atlantik bis Auvergne.
Was Marguerite erwartete, wissen wir nicht. Ihre Ehe bedeutete für sie eine Zerreißprobe zwischen dem geliebten Bruder und dem Ehemann, und es war für sie nicht einfach, beiden gegenüber loyal zu sein.
Ihre Ehe bedeutete aber auch, dass sie endlich Mutter wurde. 1528 gebar sie ihre Tochter, Jeanne d´Albret, danach einen Sohn, der kurz nach dem Geburt starb, und dann – sie wurde ja nicht jünger – hatte sie eine Reihe von Fehlgeburten und Scheinschwangerschaften.
Als Königin mit eigenem Herrschaftsgebiet konnte sie jetzt Glaubensflüchtlingen Schutz bieten. Bei ihrem Bruder trat sie immer noch für Andersdenkende ein, sie konnte aber jetzt in Bourges luthersche Studenten und Dozenten an die Universität holen, sie brachte den alten Lefèvre d´Etaples bei ihrem Hof in Nérac unter, sie machte Gérard Roussel zum Bischof von Oloron, und sie stellte als Sekretäre bekannte humanistische Skribenten ein, unter ihnen Clément Marot, Dichter und Verfasser vom ersten gereimten französischen Psalter.
Anfänglich blieben sowohl sie wie ihr Gatte am Hofe. Sie verhandelte zusammen mit ihrer Mutter und Margaretha von Habsburg, Statthalterin der Niederlande, den sogenannten Damenfrieden von Cambrai aus. Sie empfing Botschafter, verhandelte mit dem Pabst, und hatte immer noch die Aufsicht über die königlichen Kinder. Sie reformierte Klöster überall in Frankreich, ihre Lektüre der Lutherschrift „Von den Mönchsgelübden“ hatte sie nicht dazu gebracht, die Klöster abzuschaffen, sondern eher Missstände abzubauen.
1531 veröffentlichte Marguerite ihr religiös-poetisches Werk „Ein Spiegel der sündigen Seele“. Die zweite Ausgabe 1533 wurde von der Sorbonne als ketzerisch verurteilt und verboten. Wütend verlangte Franz I. die Rücknahme der Verurteilung, und die Universität fügte sich schleunigst. Als dann, 1534, die Plakataffäre mit ihrem Angriff auf die Messe und das katholische Abendmahlverständnis die Gemüter erregte, ging sie nach Südfrankreich. Dort konnte sie unter Anderen einem Flüchtling, dem jungen Calvin, weiterhelfen. Sie hatte seit jungen Jahren freundschaftliche Beziehungen zu ihrer Cousine, Renée de France, Herzogin von Ferrara, gepflegt, und jetzt schickten die zwei gleichgesinnten Verwandten einander hilfsbedürftige Glaubensflüchtlinge zu.
In den nächsten Jahren war das Verhältnis zwischen Bruder und Schwester etwas abgekühlt. Franz I. unterstützte die römisch-katholische Kirche nach Kräften, und Marguerite war vorsichtig geworden. Als der Berater des Königs ihn aber fragte, ob Gefahr bestünde, Marguerite könne zum Protestantismus übertreten, erwiderte der König: „Dafür liebt sie mich zu sehr!“, und behielt Recht damit.
Die Ruhe und Abgeschiedenheit am Hofe bedeutete für Marguerite Zeit für eine rege schriftstellerische Tätigkeit. Die religiösen Gedichte waren wohl eher eine Art meditative Übung inmitten der oberflächlichen Geschäftigkeit des Hofes. Jetzt verfasste sie Schauspiele, die am Hof aufgeführt wurden. Angeregt durch die Beschäftigung mit den Schriften des Plato, die sie durch den italienischen Humanisten Pico della Mirandola und Marsilio Ficino kennengelernt hatte, dachte sie über das Wesen der Liebe nach, und ihre schriftstellerische Tätigkeit wurde von diesen Überlegungen geprägt. Sie ließ Platos Schriften ins Französisch übertragen, so wie sie auch die Novellen von Boccaccio, „Dekameron“, übersetzen ließ. Diese Novellen beeinflussten ihre berühmteste Werk, die Novellen, aus denen das „Heptameron“ besteht, und die von ihr über einen längeren Zeitraum zusammengefügt wurden. Sie gab nur ein Buch in Druck, „Les marguerites de la Marguerite des princesses“, die Perlen der Perle (Marguerite) der Prinzessinnen, mitsamt dem Folgeband: „Suyte des marguerites“ (1547). Alle andere Schriften von ihr waren zu ihren Lebzeiten nur als Manuskript vorhanden, aber das Heptameron wurde ungefähr zehn Jahren nach ihrem Tod als Buch herausgegeben, und zählt seitdem zu den Klassikern des 16. Jahrhunderts, obwohl es oft missverstanden worden ist – dazu mehr später (vgl. Nielsen, Theologie als Erzählung).
Eine andere wichtige Angelegenheit in den letzten Jahren, ihr Verhältnis zu ihrer Tochter Jeanne, wird im Artikel über diese behandelt. In den letzten Jahren hatte sie eine Auseinandersetzung mit Calvin über die Freigeister, die sich bei ihrem Hof aufhielten. Ihre Bedeutung für die Reformation wird später untersucht. Klar ist allerdings, dass sie als Katholikin starb. Als ältere Frau zog sie sich immer öfters in Klöstern zurück und auch, wenn sie nie besonders rechtgläubig war, trat sie nie aus der Kirche aus. Sie starb 1549 auf ihrem Schloss Odos.
Marguerite d`Angoulême war eine hoch begabte, zutiefst fromme Frau. Sie ging unbeirrt ihre eigenen Wege, und auch, wenn sie diskret war, ließ sie sich nicht einschüchtern. Ihre Verdienste für die Verbreitung der Reformation sind offenkundig, und in Genf wusste Calvin sehr wohl, wie dankbar er ihr sein musste. Dabei war die geistige Freiheit ihr ohne Zweifel eine Herzensangelegenheit, während ihre Tochter und Enkelin mit Nachdruck Partei ergriffen. Zu Marguerites Zeiten waren diese geistige Freiheit und die Hoffnung, die katholische Kirche von innen zu erneuern und zu „reformieren“, ohne die Glaubensspaltung vollziehen zu müssen, noch möglich. Diese Umstände gaben ihr etwas Spielraum, den spätere Generationen nicht länger hatten.
Literatur
In Deutschland ist die Literatur zu Marguerite d´Angoulême übersichtlich. Zu erwähnen sind:
Margarete von Navarra: Das Heptameron, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1960, mit einem ausgezeichneten Nachwort von Peter Amelung. Neudruck München 1979, 1999 (dtv 12710)
Eltz-Hoffmann, Lieselotte von: Kirchenfrauen der frühen Neuzeit, Stuttgart 1995
Kraus, Claudia: Der religiöse Lyrismus Margaretes von Navarra, München 1981
Schönberger, Axel: Die Darstellung von Lust und Liebe im Heptaméron der Königin Margarete von Navarra, Frankfurt a/M 1993
Sckommodau, Hans: Die religiösen Dichtungen Margaretes von Navarra, Köln 1955
Sckommodau, Hans: Galanterie und vollkommene Liebe im „Heptaméron“, Münchener Romanistische Arbeiten, Band 46, München 1977
Sckommodau, Hans: Die spätfeudale Novelle bei Margareta von Navarra, Sitzungsbericht der Wissenschaftlichen Gesellschaft an der Johann Wolfgang von Goethe-Universität Frankfurt, Bd. XIV, Nr. 4, Wiesbaden 1977
Zimmermann, Margarete: Der Salon der Autorinnen: französische „dames de lettres“ vom Mittelalter bis zum 17. Jahrhundert, Berlin 2005
Stedman, Gesa & Zimmermann, Margarete: Höfe – Salons – Akademien, Hildesheim 2007
Hinzu kommt eine Übersetzung:
Febvre, Lucien: Margarete von Navarra. Eine Königin der Renaissance zwischen Macht, Liebe und Religion, Frankfurt a/M 1998 (Originaltitel: Autour de l´Heptaméron: Amour sacré, amour profane, Paris 1996)
Allgemeine Kirchengeschichte:
Strasser-Bertrand, Otto Erich: Die evangelische Kirche in Frankreich, in: Die Kirche in ihrer Geschichte, Göttingen 1975
In Frankreich zählt sie zu den wichtigen Renaissancedichterinnen. Eine vollständige wissenschaftliche Ausgabe ihrer Werke von Nicole Cazauran ist in Arbeit:
Marguerite de Navarre: Oeuvres Complètes, Paris 2001. Bisher erschienen:
Heptaméron, Paris 2000 und die Bände 1,3,4,8 & 9
Die klassische Biografie ist:
Jourda, Pierre: Marguerite d´Angoulême, duchesse d´Alençon, reine de Navarre (1492-1549), Étude biographique et littéraire, Paris 1930, Genf 1978
Jourda, Pierre: Répertoire analytique et chronologique de la Correspondance de Marguerite d´Angoulême, Duchesse d´Alençon, reine de Navarre (1492-1549), Paris 1930
Christine Martineau, Michel Veissière & Henry Heller: Guillaume Briçonnet/Marguerite de Navarre: Correspondance, 2 Bd., Paris 1975-79
Herminjard, Aimé, hrsg.: Correspondance des réformateurs dans les pays de langue française, Genf 1886-79
In Heptaméron, ed. Nicole Cazauran, ist weiterführende Literatur erwähnt. Hier verweise ich nur auf drei Kolloquien aus dem Jahr 1992:
Marguerite de Navarre, 1492-1992, Actes du Colloque international de Pau (1992), Mont-de- Marsan 1995
Etudes sur l´Heptaméron de Marguerite de Navarre, Colloque de Nice, 15-16 Fèvrier 1992, Uni.de Nice, o. J.
Marguerite de Navarre, Actes du colloque international du 14 au 16 septembre 1992, Lódź 1997
Karlsson, Britt-Marie: Sagesse divine et folie humaine, Etude sur les structures antithétiques dans l´Heptaméron de Marguerite de Navarre (1492-1549), Göteborg 2001
Montaigne: Oeuvres complètes, Paris 1962
Ausgewählte Literatur in englischer Sprache:
- Patricia F. Cholakian & Rouben C. Cholakian: Marguerite de Navarre, Mother of the Renaissance, New York 2006
- Cholakian, Patricia F.: Rape and Writing in the Heptameron, Carbondale 1991
- Cottrell, Robert D.: The Grammar of Silence, A Reading of Marguerite de Navarre´s Poetry, Washington D.C. 1985
- Davis, Betty J.: The Storytellers in Marguerite de Navarre´s Heptaméron, Lexington 1978
- Davis, Natalie Zemon: Society and Culture in Early Modern France: eight Essays, Stanford 1975
- Farge, James K.: Orthodoxy and Reform in Early Reformation France, The Faculty of Theology of Paris, 1500-1543, Leiden 1985
- Ferguson, Gary: Mirroring belief: Marguerite de Navarre´s Devotional Poetry, Edinburgh 1992
- Gelernt, Jules: World of Many Loves, The Heptameron of Marguerite de Navarre, Chapel Hill 1966
- Greengrass, Mark: The French Reformation, London 1987
- Salmon, J.H.M.: Society in Crisis, France in the Sixteenth Century, London 1975
- Tetel, Marcel: Marguerite de Navarre´s “Heptaméron”: Themes, Language and Structure, Durham N.C. 1973
Kirche und Staat Israel
Kirchliche Verlautbarungen aus uniertem und reformiertem Kontext
Rheinischer Synodalbeschluss (Januar 1980) und 1996 ergänzter Grundartikel
Wir und die Juden – Israel und die Kirche.
Leitsätze in der Begegnung von Juden und Christen (1990)
Diskussionsimpuls zur Lage in Israel / Palästina (EKiR im September 2008)
Evangelische Kirche im Rheinland
Rheinischer Synodalbeschluss (Januar 1980)
2. Vier Gründe veranlassen die Kirche dazu:
(1) Die Erkenntnis christlicher Mitverantwortung und Schuld an dem Holocaust, der Verfemung, Verfolgung und Ermordung der Juden im Dritten Reich.
(2) Neue biblische Einsichten über die bleibende heilsgeschichtliche Bedeutung Israels (z. B. Röm 9-11), die im Zusammenhang mit dem Kirchenkampf gewonnen worden sind.
(3) Die Einsicht, daß die fortdauernde Existenz des jüdischen Volkes, seine Heimkehr in das Land der Verheißung und auch die Errichtung des Staates Israel Zeichen der Treue Gottes gegenüber seinem Volk sind (vgl. Studie ,Christen und Juden’ III.2. und 3).
(4) Die Bereitschaft von Juden zu Begegnung, gemeinsamem Lernen und Zusammenarbeit trotz des Holocaust.“
1996 ergänzter Grundartikel der rheinischen Kirchenordnung: „Die Evangelische Kirche im Rheinland bezeugt die Treue Gottes, der an der Erwählung seines Volkes Israel festhält. Mit Israel hofft sie auf einen neuen Himmel und eine neue Erde.“
Jüngere Texte zum Rheinischen Synodalbeschluss:
http://www.ekir.de/www/ueber-uns/materialien-und-links-13873.php
Evangelische Kirche der Union
Votum „Kirche als ‚Gemeinde von Brüdern’ (Barmen III)“ (Mai/Juni 1980)
des Theologischen Ausschusses der Evangelischen Kirche der Union
Der Staat Israel - Frage an die Kirche
Die „Entstehung des Staates und die damit verbundene Wiedergeburt des alten Israel in weithin sichtbarer Volksgestalt ist ein historisches Ereignis, daß sie beide - die Synagoge und die Kirche -, wenn sie in Wahrheit unter Gottes Wort stehen, in seiner heilsgeschichtlichen Komponente ernst zu nehmen haben“. (1) Wichtiger als die Zurückweisung eines solchen problematischen Satzes ist die Frage: Hat nicht auch die Kirche seit den Tagen von Nicäa (325 n. Chr.) ihre historische Entwicklung von der rechtlosen und oftmals verfolgten zur anerkannten, dann privilegierten und schließlich alleinigen Staatskirche heilsgeschichtlich interpretiert? Hat sie nicht diese Überhöhung historischer Ereignisse zu Zeichen göttlichen Offenbarens bis in unmittelbare Vergangenheit in vielen Formen fortgesetzt? Gerade die Barmer Synode hatte dem in ihrer ersten These widersprochen. So begegnen wir Christen in solchen Äußerungen frommer Israelis uns selbst, der Kirche durch die Jahrhunderte hindurch. Gerade die Kirchengeschichte zeigt, daß heilsgeschichtlicher Enthusiasmus auf politischem Feld von jeher den Blick für eine vernünftige, maßvolle Politik trübt. Wieder sind wir mit Juden auch an diesem Punkt in Blindheit und Schuld zusammengebunden.
Aber die gemeinsame Schuldverflochtenheit reicht noch weiter: Die den politischen Zionismus auslösende Broschüre Theodor Herzls ‚Der Judenstaat’ (1895) wurde unter dem Eindruck des Antisemitismus in Frankreich (Dreyfus-Prozeß 1894) verfaßt. Russische Juden wanderten nach den furchtbaren Pogromen von 1881-1884 und 1903-1905 nach Palästina aus, um dort eine sichere Heimstatt zu finden. Wenn der neue Staat Israel Züge eines Selbstbehauptungswillens trägt, der das eigene Recht groß und das Recht der Araber, die ihre Heimat verloren haben. klein schreibt, so sind dieses Überwiegen des Sicherheitsbedürfnisses und das Festhalten an der Besetzung fremder Gebiete eine bittere Frucht der Ausrottung des europäischen Judentums. Sie aber hat die evangelische Kirche in Deutschland, aufs Ganze gesehen, ohne Protest geschehen lassen. (2)
Der mit der Machtstellung der Kirche seit dem 4. Jahrhundert verstärkt auftretende Antijudaismus, der Antisemitismus des 19. und 20. Jahrhunderts und die Ausrottungspolitik des NS-Regimes sind natürlich zu unterscheiden. Aber jede Gestalt dieser Feindschaft erbte weithin Denkungsart, Verhalten und Methoden ihrer Vorgänger. Es scheint darum nicht haltbar, den heutigen Antizionismus von seinen Vorläufern völlig abzutrennen und zu behaupten, er habe mit ihnen nichts zu tun. In seiner radikalen Form verneint er die Existenz des Staates Israel und zielt damit auf die Austreibung von drei Millionen Menschen ins Elend. Die Behauptung, der Zionismus sei eine Form des Rassismus, ist von kirchlicher Seite mit Recht zurückgewiesen worden. Daß bei der Entstehung des Staates Israel Gewalt und Unrecht geschehen sind, unterscheidet diese Staatsgründung in nichts von der Gründung anderer Staaten und Reiche. Und daß auch die israelische Politik die Züge der gefallenen Menschenwelt trägt, ist kein Grund, ‚Israel’ zu verdammen. Viele Israelis sagen heute: ‚Wir wollen ein normales Volk sein - nichts weiter.’ Danach soll Israel ein moderner Staat wie alle anderen sein, und seine Politik soll sich nicht von den Methoden und Zielen der Politik anderer Staaten unterscheiden. Gleichwohl haben seine jüdischen Bürger an dem Geheimnis teil, das über der Geschichte der Juden liegt. Das bringt der Staat Israel dadurch zum Ausdruck, dass seine Gesetze vielfältige Bezüge zu religiösen Gesetzen haben. (3) Freilich schränken diese Bezüge die Rechte der Christen jüdischer Abstammung und der arabischen Bürger Israels ein. So steht dieser neue Staat im Licht und im Schatten: Einerseits ist er für Juden und Christen ein Zeichen der Treue Gottes, der aus dem Tod Leben schafft und sein Reich vollenden wird. Andererseits ist auch die Geschichte des Staates Israel nicht frei von menschlichem Irrtum und Zurückbleiben hinter der Berufung. Selbst jüdische Stimmen haben daran erinnert, daß Israel zum Segen für andere Völker gesetzt wurde (Gen 12,3), daß aber diese Zusage durch die ihm als Staat aufgezwungenen Auseinandersetzungen immer wieder verdunkelt wird. So können wir als evangelische Christen in Deutschland uns keinesfalls von dem weiteren Weg dieses Staates und seiner jüdischen Bürger distanzieren. Praktisch bedeutet das: Bejahung der Existenz des Staates Israel und engagiertes Suchen nach einer gerechten und umfassenden Friedensordnung im Nahen Osten. Vor allem aber gilt es, das jüdisch-christliche Gespräch bei uns fortzusetzen und zu vertiefen."
(1) Schalom Ben-Chorin. Im jüdisch-christlichen Gespräch, Berlin 1962, S. 99.
(2) Erst 1943 hat die Bekenntnissynode der Evangelischen Kirche der Altpreußischen Union in einem Wort zum Bußtag den Mord au den Juden verurteilt. Darin wird vor der Übertretung der 10 Gebote gewarnt. Jeder Hinweis auf ein Gebot beginnt mit dem Ruf: ‚Wehe uns!’ Zum 5. Gebot heißt es: ‚Wehe uns und unserem Volk, wenn das von Gott gegebene Leben für gering geachtet und der Mensch, nach dem Ebenbilde Gottes erschaffen, nur nach seinem Nutzen bewertet wird; wenn es für berechtigt gilt. Menschen zu töten, weil sie für lebensunwert gelten oder einer anderen Rasse angehören, wenn Haß und Unbarmherzigkeit sich breit machen. Denn Gott spricht: ‚Du sollst nicht töten’.’ Doch fand diese Kanzelabkündigung in den sich verschärfenden Luftangriffen auf Deutschland vermutlich wenig Beachtung.
(3) Gemeint sind Bezugnahmen auf den Talmud. der eine Sammlung von Bestimmungen enthält, die die alttestamentliche Weisung weiterführen und für das Leben des einzelnen Juden anwendungsfähig machen sollen.
Evangelische Kirche im Rheinland
Rheinische Erklärung (1983)
„1. Wir rufen erneut unsere Gemeinden und die Öffentlichkeit zur Umkehr auf. Wir dürfen nicht unwidersprochen hinnehmen, wenn der Libanon-Krieg und seine schrecklichen Folgen unseren jüdischen Mitbürgern zur Last gelegt werden. Sie hatten auf die Entstehung und den Verlauf dieses Krieges keinen Einfluß. Wir ermutigen die Glieder unserer Kirche, offen für unsere jüdischen Mitbürger einzustehen, wo immer diese auf alte oder neue Vorurteile stoßen. Ebenso bitten wir insbesondere evangelische Eltern und Lehrer, entschieden dazu beizutragen, daß die jüdischen Mitbürger ohne Bedrohung und Angst mit uns leben können.
2. Wir verurteilen, wie in manchen Medien über die jüngsten Ereignisse im Nahen Osten berichtet wurde. Wer Entscheidungen einer demokratisch legitimierten und demokratischer Opposition ausgesetzten Regierung - mag er sie für falsch und verhängnisvoll halten - mit Begriffen wie „Holocaust" und „Endlösung" bezeichnet, beleidigt die Opfer der nationalsozialistischen Judenvernichtung.
3. Wir wehren uns gegen einen neuen Antisemitismus, der sich als Anti-Zionismus oder Anti-Beginismus tarnt und mit kaum verhohlener Schadenfreude darauf hinweist, daß der Staat Israel durch seine militärischen Aktionen in Schuld verstrickt wurde.
Aus dem Synodalbeschluß von 1980 folgt nicht der Verzicht auf Kritik an bestimmten Entscheidungen der jetzigen Regierung Israels. Doch ist zu beachten, daß die Gefühle jüdischer Mitbürger verletzt werden können. Auch müssen sich Christen hüten, mit solcher Kritik dem alten und neuen Antisemitismus Vorschub zu leisten oder an Versuchen wahrheitswidriger Entlastung von historischer deutscher Verantwortung teilzuhaben.
4. Wir hoffen auf Frieden im Nahen Osten und eine für alle an dem Konflikt beteiligten Völker und Gruppen gerechte Lösung. Wir wünschen, daß von allen Menschen in dieser Region endlich die Angst weicht, daß das Leiden unschuldiger Menschen beendet wird und daß ein dauerhafter Frieden im Nahen Osten auch zu einer freieren Begegnung zwischen Juden und Christen führt.
5. Wir rufen alle Glieder unserer Kirche auf, sich mehr noch als bisher mit Glauben, Wesen und Geschichte des jüdischen Volkes zu beschäftigen und damit zur Verwirklichung des Synodalbeschlusses von 1980 beizutragen.“
Evangelisch-reformierte Kirche
Beschluss zum Verhältnis von Kirche und Israel
des Landeskirchentags der Evangelisch-reformierten Kirche in Nordwestdeutschland (Mai 1984)
Mit ihrer gemeinsamen Hoffnung auf die Verheißungen und die kommende messianische Welt Gottes sind Juden und Christen zum Aufbau einer durch Recht, Gerechtigkeit und Frieden bestimmten Weltgesellschaft berufen.
Deshalb bitten wir die Gemeinden und die Bezirkskirchenverbände, aber auch die anderen Kirchen, sich mit allen Formen des Antijudaismus in Theologie und Kirche, in Verkündigung und Unterricht kritisch auseinanderzusetzen, dem Wiederaufleben des Antisemitismus in unserer Gesellschaft zu widerstehen, sensibel zu werden für die Leidens- und Hoffnungsgeschichte des jüdischen Volkes und gegen einen pauschalisierenden Antizionismus aufzustehen, der Israel eine freie und unabhängige Existenz abspricht.
Belastet mit unserer Schuld am Holocaust, erscheint uns die Vorstellung ungeheuerlich, daß deutsche Waffen im Konfliktfall gegen die überlebenden Opfer des Holocaust, gegen ihre Kinder und die übrigen Teile des jüdischen Volkes in Israel eingesetzt würden. Wir beten und hoffen, daß Israel und seine Nachbarn zu einem Leben in Frieden und Gerechtigkeit finden werden.“
Reformierter Bund
Wir und die Juden – Israel und die Kirche.
Leitsätze in der Begegnung von Juden und Christen (1990)
Leitsatz VI
Israel: Volk, Land, Staat
„Dankbar preisen wir die Treue Gottes, der sein Volk erwählt hat. Wir erkennen, daß untrennbar mit der Erwählung die Landverheißung verbunden ist. Die Erinnerung an diese Verheißung ist von Israel sowohl im Land als auch in der Diaspora lebendig gehalten worden. Das zeigen unter anderem der Festkalender und die Liturgie. Diese Beziehung zum Land hat auch Eingang gefunden in den politischen Zionismus und zur Gründung und Entwicklung des Staates Israel beigetragen. In unserer Zeit sehen wir in der Rückkehr von Juden ins Land Israel eine Bestätigung der Treue Gottes.
In dem allen werden die irdisch-geschichtlichen Dimensionen der Verheißungen Gottes den Christen und allen Völkern nachhaltig vor Augen und ins Bewußtsein gerückt.
„Und ich will die übrigen meiner Herde sammeln aus allen Ländern, dahin ich sie verstoßen habe, und will sie wiederbringen zu ihren Hürden, daß sie sollen wachsen und viel werden.“ (Jer. 23, 3)
„Denn so spricht der Herr Zebaoth, der mich gesandt hat, über die Völker, die euch beraubt haben: Wer euch antastet, der tastet meinen Augapfel an.“ (Sach. 2, 12)
Weil wir als Christen in einem besonderen Zusammenhang mit dem jüdischen Volk stehen, treten wir öffentlich für das Leben dieses Volkes ein und begleiten voll Hoffnung und Sorge das Leben der Juden im Land Israel und den Weg des Staates Israel. Wir widersprechen allen Bestrebungen, die das Lebensrecht Israels problematisieren. Mit unseren Gebeten und in politischer Verantwortung sind wir dem Staat Israel, seiner Lebensgestalt und seiner Entwicklung, besonders in seinen Gefährdungen und Bedrohungen, zugewandt und verpflichtet.“
Aus: Wir und die Juden – Israel und die Kirche. Leitsätze in der Begegnung von Juden und Christen, hrsg. von Maik Fleck (Reformierte Akzente 3), 2. Aufl. Wuppertal 1997
Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE)
Leuenberger Kirchengemeinschaft
Kirche und Israel (2001)
Ein Beitrag der reformatorischen Kirchen Europas zum Verhältnis von Christen und Juden
Unter Teil I: Israel und die Kirche:
„Die Frage einer theologischen Deutung des Staates Israel wird von den Kirchen unterschiedlich beantwortet. In einigen Erklärungen wird die Gründung dieses Staates im Jahre 1948 ausdrücklich als ein geschichtliches Zeichen der Treue Gottes zu seinem Volk gewertet; in anderen Erklärungen fehlt eine theologische Aussage über den Staat Israel. Ein weitgehender Konsens besteht darin, daß sorgfältig unterschieden wird zwischen der biblischen Landverheißung an das Volk Israel und dem säkularen Staat Israel. In der erwähnten österreichischen Erklärung aus dem Jahre 1998 wird die Hoffnung ausgesprochen, daß ‚dieser Staat mit seinen Nachbarn – insbesondere mit dem palästinensischen Volk – in gegenseitiger Achtung des Heimatrechtes einen sicheren Frieden findet, so daß Juden, Christen und Muslime friedlich zusammenleben können’.“
"1.1.3 Die Kirche ist aus geschichtlichen und theologischen Gründen mit Israel in Solidarität verbunden. Dies gilt auch dann, wenn Kirchen zum arabisch-israelischen Konflikt und zu aktuellen politischen Entscheidungen der Regierung des Staates Israel kritisch Stellung nehmen. Die Kirchen treten allen Tendenzen entgegen, die zionistische Bewegung, die zur Gründung des Staates Israel führte, als rassistisch zu diffamieren. Die Kirchen unterstützen alle Bemühungen des Staates Israel und seiner Nachbarn, insbesondere des palästinensischen Volkes, in gegenseitiger Achtung einen sicheren, dauerhaften und gerechten Frieden zu finden und zu bewahren. Die Frage, ob die Gründung und Existenz des Staates Israel auch für Christen eine theologische Bedeutung hat, wird in den Kirchen unterschiedlich beantwortet und bleibt eine Herausforderung für die Kirchen. In diesem Zusammenhang ist jede direkte politische Inanspruchnahme der biblischen Landverheißungen zurückzuweisen. Ebenso sind alle Deutungen, die diese Verheißungen im Licht des christlichen Glaubens als überholt ansehen, abzulehnen. Die christliche Wahrnehmung der Erwählung Israels als Volk Gottes kann in keinem Fall dazu führen, daß die Unterdrückung von politischen, ethnischen und religiösen Minoritäten religiös legitimiert wird."
Unter Teil III: Die Kirche in Israels Gegenwart:
"Die Kirchen unterstützen alle Bemühungen des Staates Israel und seiner Nachbarn, insbesondere des palästinensischen Volkes, in gegenseitiger Achtung einen sicheren, dauerhaften und gerechten Frieden zu finden und zu bewahren. Die Frage, ob die Gründung und Existenz des Staates Israel auch für Christen eine theologische Bedeutung hat, wird in den Kirchen unterschiedlich beantwortet und bleibt eine Herausforderung für die Kirchen. In diesem Zusammenhang ist jede direkte politische Inanspruchnahme der biblischen Landverheißungen zurückzuweisen. Ebenso sind alle Deutungen, die diese Verheißungen im Licht des christlichen Glaubens als überholt ansehen, abzulehnen. Die christliche Wahrnehmung der Erwählung Israels als Volk Gottes kann in keinem Fall dazu führen, daß die Unterdrückung von politischen, ethnischen und religiösen Minoritäten religiös legitimiert wird."
Quelle: Kirche und Israel (2001), Leuenberger Texte Heft 6
Barbara Schenck
Am 28. Juni 2011 vor zehn Jahren markierte die GEKE-Studie „Kirche und Israel“ einen Meilenstein in den jüdisch-christlichen Beziehungen. Zu ihrem Jubiläum tagten rund 40 Experten aus Europa in Arnoldshain und riefen erneut zu ihrer Umsetzung auf.
"60 Jahre Staat Israel. Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist" - das Themanheft 2008 des Deutschen Koordinierungsrats e.V. mit theologischen, gesellschaftspolitischen und pädagogischen Beiträgen steht bereit zur Online Bestellung.
Das Verhältnis Israels zu seinem Land ist kaum bedacht in christlicher Dogmatik. Anders bei Friedrich-Wilhelm Marquardt, dem 2002 in Berlin verstorbenen Professor für Evangelische Theologie. In seiner Eschatologie lädt Marquardt ein, das jüdische Volk und seinen Staat als "neue Tatsache" wahrzunehmen. Er hält dabei fest: Bis zum jüngsten Gericht „können wir die Geschichte von den Juden und ihrem Land nur als Geburtswehen eines kommenden Neuen begreifen“.
"Jetzt können wirs in der Zeitung lesen: Gott hält seine Verheißung.“ - So Karl Barth unter dem Eindruck des militärischen Sieges Israels im Sechtstagekrieg.
In dem Anspruch des jüdischen Volkes auf das Land Israel sieht der Alttestamentler Frank Crüsemann die möglicherweise größte Herausforderung für christliche Theologie dieser Tage. Er benennt drei Problemfelder einer christlich-theologischen Beurteilung des Staates Israel und erinnert an drei Aspekte, die für weitere kirchliche Stellungnahmen zum jüdischen Staat zu bedenken sind.