Heidelberger Katechismus Frage ...
Den Heidelberger (anders) hören
Dieser Text regt zum eigenen (Weiter-)Denken an!
Ein Veranstaltungsvorschlag

Den Heidelberger Katechismus vortragen lassen und einmal (anders) hören – in Auszügen oder ganz. In Abwechslung vielleicht mit solistischen Musikstücken.
Dialogisch. Szenisch. Kommunikativ. Ohne viele Erklärungen. Denn dieser Text regt zum eigenen Denken an, berührt existentielle Fragen, weckt Widerspruch oder Zustimmung, fordert heraus!

Programmvorschläge, weitere Infos und Kontakte zu Schauspieler/inne/n über Aleida Siller, E-Mail: info@reformierter-bund.de



Die konfessionelle Entwicklung der Kurpfalz im 16. Jahrhundert

Ein Überblick über die verschiedenen Konfessionswechsel in der Kurpfalz

von Frank Engehausen, Heidelberg

Die Kurpfalz, in deren Residenz 1563 der Heidelberger Katechismus entstand, nahm mit ihrer konfessionellen Entwicklung im 16. Jahrhundert unter den Territorien des Reiches eine markante Sonderstellung ein. Die Reformation erfolgte in der Kurpfalz spät – erst nach der Jahrhundertmitte –, sie war das einzige größere Territorium, in dem das Reformiertentum eingeführt wurde, und bis zu dessen dauerhafter Etablierung ereigneten sich mehrere Konfessionswechsel.

Reformatorische Einflüsse breiteten sich in der Kurpfalz bereits unter Ludwig V. (1508-1544) aus, allerdings leitete erst sein Sohn Friedrich II. (1544-1556) 1546 die Reformation nach lutherischem Vorbild ein. Die Neuordnung der kirchlichen Verhältnisse konnte er jedoch nicht zum Abschluss bringen, da die Kurpfalz in den Schmalkaldischen Krieg (1546/47) verwickelt wurde; vielmehr wurden nach dem Sieg der kaiserlichen Partei die reformatorischen Neuerungen zurückgenommen.
Der entscheidende reformatorische Impuls ging von Ottheinrich (1556-1559) aus, der bereits 1542 in seinem Kleinfürstentum Pfalz-Neuburg Kirchenorganisation und Bekenntnis nach kurbrandenburgischem und württembergischem Muster reformiert hatte und dies bei Übernahme der Kurfürstenwürde sogleich auch in der Pfalz tat. Anders als im Falle seines Vorgängers Friedrich II. konnte er dies ungestört von äußeren Einflüssen tun, da inzwischen der Augsburger Religionsfriede (1555) einen verlässlichen reichsrechtlichen Boden für einen Konfessionswechsel bot: Nach dem Prinzip des „cuis regio, eius religio“ konnten die Fürsten, die sich zur Confessio Augustana (1530) bekannten, die Reformation in ihrem Herrschaftsbereich durchführen.

Ottheinrichs Regierungszeit erwies sich als zu kurz, um das Luthertum in der Kurpfalz langfristig zu verankern. Sein Nachfolger Friedrich III. (1559-1576) leitete unter dem Eindruck der sich in diesen Jahren zuspitzenden innerevangelischen Diskussionen über Bekenntnis- und kirchliche Organisationsfragen 1563 den Übergang der Kurpfalz zum Reformiertentum ein: Die Einführung des Heidelberger Katechismus wurde von einer Kirchenordnung und einer Kirchenratsordnung begleitet, die das religiöse Leben in der Kurpfalz auf eine neue Grundlage stellten. Dabei begegnete Friedrich III. neben inneren Widerständen, die von den Kurpfälzer Lutheranern ausgingen, auch erheblichem äußeren Druck, da unklar war, ob dieser Konfessionswechsel von dem Augsburger Religionsfrieden gedeckt war. Die katholische Partei im Reich drängte auf die Rücknahme der reformatorischen Neuerungen Friedrichs III., der diese jedoch auf dem Reichstag von 1566 verteidigte. Dass eine Intervention ausblieb, verdankte Friedrich III. auch der Zurückhaltung der lutherischen Reichsstände, die trotz ihres Unmuts über den Übergang der Kurpfalz zum Reformiertentum dem Kaiser kein Richteramt in Konfessionsfragen zugestehen wollten.

Eine dauerhafte Sicherung der neuen konfessionellen Verhältnisse gelang Friedrich III. nicht, da sein Sohn und Thronfolger Ludwig VI. (1576-1583), der Anhänger Luthers geblieben war und als Statthalter der Oberpfalz die religionspolitischen Neuerungen der 1560er Jahre unterlaufen hatte, sich den testamentarischen Ermahnungen seines Vater nicht beugte und stattdessen als Kurfürst die Re-Lutheranisierung der Kurpfalz betrieb. Er setzte die Kirchenordnung Ottheinrichs wieder in Kraft und tauschte die reformierten Pfarrer gegen Lutheraner aus. Anders als Friedrich III., unter dem die Kurpfalz reichspolitisch in eine isolierte Stellung geraten war, suchte Ludwig VI. den engen Anschluss an die lutherischen Reichsstände und unterzeichnete auch die Konkordienformel (1576), die als neue Bekenntnisschrift die innerlutherischen Kontroversen beenden sollte und gleichzeitig die Abgrenzung von den Reformierten verstärkte.

Wie bei der Reformation Friedrichs III. scheiterte auch der Konfessionswechsel Ludwigs VI. daran, dass es ihm nicht gelang, den kirchenpolitischen status quo über die eigene Regierungszeit hinaus zu sichern. Sein Sohn und prospektiver Nachfolger war bei seinem frühen Tod noch minderjährig und geriet unter die Vormundschaft von Ludwigs Bruder Johann Casimir, der von 1583 bis 1592 als Kuradministrator amtierte. Anders als Ludwig VI. war Johann Casimir der Konfession seines Vaters treu geblieben und hatte der Re-Lutheranisierung Widerstand geleistet, indem er in seinem Kleinfürstentum Pfalz-Lautern den vertriebenen Reformierten einen Rückzugsort geboten hatte. Johann Casimir agierte, da er als Kuradministrator anfänglich nur eingeschränkte Autorität besaß, zunächst vorsichtig und propagierte als neuen religionspolitischen Weg eine lutherische und reformierte Bikonfessionalität für die Kurpfalz. Bereits 1585 setzte er jedoch die Kirchenordnung seines Vaters wieder in Kraft und führte damit das Reformiertentum erneut ein, was wiederum zu einem Personaltausch größeren Ausmaßes in der kurpfälzischen Kirche führte. In der Reichspolitik verursachte diese erneute konfessionelle Sonderentwicklung der Kurpfalz keine gravierenden Kontroversen, da die katholische Partei eine Intervention nicht für zweckdienlich hielt. Auch das Verhältnis der Kurpfalz zu den evangelischen Ständen entwickelte sich unter Johann Casimir konfliktarm; 1591 wurde mit der Torgauer Unionsakte sogar ein – allerdings nur kurzzeitig wirksames – Bündnis geschlossen. Zentrale Bedeutung für die diesmal dauerhafte Sicherung des Konfessionsstandes hatte die Erziehung des Thronfolgers, der reformierten Lehrern anvertraut wurde und als Friedrich IV. (1593-1610) auf weitere religionspolitische Neuerungen verzichtete.

Frank Engehausen

Literatur:
Hepp, Frieder: Religion und Herrschaft in der Kurpfalz um 1600. Aus der Sicht des Heidelberger Kirchenrats Dr. Marcus zum Lamm (1544-1606), Heidelberg 1993
Lossen, Richard: Die Glaubensspaltung in Kurpfalz, 2. Aufl. Heidelberg 1930
Wolgast, Eike: Reformierte Konfession und Politik im 16. Jahrhundert. Studien zur Geschichte der Kurpfalz im Reformationszeitalter, Heidelberg 1998 (=Schriften der Philosophisch-historischen Klasse der Heidelberger Akademie der Wissenschaften Bd. 10)

* Dr. Frank Engehausen ist Professor am Historischen Seminar der Universität Heidelberg

12.5. 2011