16 | 31 | 46 | 61 | 73 | 85 | 100 | 115 | |
17 | 32 | 47 | 62 | 74 | 86 | 101 | 116 | |
18 | 33 | 48 | 63 | 75 | 87 | 102 | 117 | |
19 | 34 | 49 | 64 | 76 | 88 | 103 | 118 | |
20 | 35 | 50 | 65 | 77 | 89 | 104 | 119 | |
21 | 36 | 51 | 66 | 78 | 90 | 105 | 120 | |
22 | 37 | 52 | 91 | 106 | 121 | |||
23 | 38 | 53 | 92 | 107 | 122 | |||
24 | 39 | 54 | 93 | 108 | 123 | |||
25 | 40 | 55 | 67 | 79 | 94 | 109 | 124 | |
26 | 41 | 56 | 68 | 80 | 95 | 110 | 125 | |
27 | 42 | 57 | 69 | 81 | 96 | 111 | 126 | |
28 | 43 | 58 | 70 | 82 | 97 | 112 | 127 | |
29 | 44 | 59 | 71 | 83 | 98 | 113 | 128 | |
30 | 45 | 60 | 72 | 84 | 99 | 114 | 129 |
Dieser Text regt zum eigenen (Weiter-)Denken an!
Ein Veranstaltungsvorschlag
Den Heidelberger Katechismus vortragen lassen und einmal (anders) hören – in Auszügen oder ganz. In Abwechslung vielleicht mit solistischen Musikstücken.
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Der Heidelberger Katechismus im 16. Jahrhundert
Entstehung, Zielsetzung, Rezeption
Der Heidelberger Katechismus im 16. Jahrhundert – Entstehung, Zielsetzung, Rezeption*
„Das aber E(uer) L(iebden) in dero schreiben vermelden, wie das das gemein geschrey je lenger je grosser sich mit bestendigem grund befinde, das die zwinglische und calvinische lehr vom nachtmal Christi in unser schull cathedram und in der kirchen predigstul eingenommen, zwinglische bucher vertirt, geschriben und getruckt, desgleichen die forma und ceremoniae in der dispensatione des hailigen abentmals in die zwinglische und calvinische weis geendert, auch uber das alles wir neulicher zeyt einen catechismum, darinnnen die verdambte caninische und zwinglische opinion neben anderen bedenklichen artickeln unverborgenlich einverleipt sein soll, ferners inhalt uberschickter verzaichnis, -hierauf geben wir E.L. freundlich zu vernemmen, das wir uns nie hart bekümmert, was Zwinglius oder Calvinus geschriben, wie wir dann auch ihre bucher nicht gelesen, haben auch weder in den kirchen schulen noch sonsten vernommen, das unsere kirchendiener ihre predigten und lectionen auf Zwinglium oder Calvinum, sonder auf das unwidersprechliche und ungezweifelte fundament gottliches wort, phrophetische und apostolische schriften gegrundet, mit demselbigen bestettiget und bewiesen. Und wissen uns disfalls wol zu erinnnern, was der apostel Paulus in seinen Corinthern straffet, die sich Paulinisch, Appollisch, Cephisch zu nennen und also spaltungen under ihnen anzurichten understunden.
Und erkennen Gott lob, das wir christen sein, in Christi und nicht Zwingli, Calvini, Lutheri und anderer, wie sie heissen mogen, namen getauft sein. Diese menner und andere halten wir fur mentschen und werkzeug Gottes, dadurch er, wie wir uns versehen, vil guts in der welt ausgerichtet und vil mentschen zu erkanntnuß seines seligmachenden worts gebracht hat, halten darfur, das sie vil guts geschrieben und daneben irren mögen, darumben wir dann dieser und anderer menschen scripta so fern annehmen, als sie mit dem wort Gottes ubereinstimmen, das übrig lassen wir fahren, wie sie dann selbst von ihnen also gehalten haben wollen.“[1]
Wer so spricht, ist entweder theologisch völlig naiv und politisch blauäugig, oder aber in kirchenpolitischen Fragen gleichermaßen hellsichtig wie wagemutig. Die Forschung hat über den Verfasser dieser Zeilen, den Pfälzer Kurfürsten Friedrich III., ein eher zwiespältiges Urteil gefällt. Zwar wird sein politisches Vermächtnis bis heute gewürdigt, doch fanden die theologischen Kompetenzen und Einsichten jenes bedeutenden Reichsfürsten, der bereits unter seinen Standesgenossen als der - leicht beschränkte - „fromme Fritz“ galt, bislang nur wenige Fürsprecher.[2] Dabei lohnt es sich, ausgehend von diesen im September 1563 an die lutherischen Stände Württemberg, Veldenz und Baden gerichteten apologetischen Zeilen, sich näher mit den kirchenpolitischen Ansichten des Kurfürsten Friedrich III, und damit der Entstehung, der Zielsetzung und der Rezeption des Heidelberger Katechismus, zu befassen.
ENTSTEHUNG
Die Kurpfalz, an Rhein und Neckar gelegen und mit der Oberpfalz politisch verbunden, besaß unter den weltlichen Ständen des Reiches die höchste politische Würde. Die Reformation wurde in diesem Territorium erst sehr spät, 1545/46 unter Kurfürst Friedrich II, eingeführt, dann aber nach dem Augsburger Reichstag – dem „Geharnischten“ von 1548 - wieder unterdrückt. Unmittelbar nach dem Religionsfrieden von 1555, exakt 1556, wurde unter Kurfürst Ottheinrich die württembergische Kirchenordung in der Kurpfalz eingeführt – und damit das Pfälzer Territorium offiziell dem lutherischen Lager zugeführt. In der Umstrukturierung des Bildungs- wie des Kirchenwesens erkannte Ottheinrich eine seiner wesentlichen Aufgaben, zu deren Umsetzung er auch geeignete Personen benötigte; Personen, die allerdings mangels personeller Alternativen von außerhalb berufen werden mussten. So etablierte sich in Heidelberg mit den Theologen Johannes Marbach und Tileman Heshusen eine lutherisch geprägte kirchenpolitische Führungsgruppe, deren primäres Ziel in einer raschen konfessionellen Lutheranisierung der Kurpfalz bestand. Dieser Eindruck wird nicht zuletzt dadurch bestätigt, dass es in der Kurpfalz unter Kurfürst Ottheinrich zu heftigen Bedrängungen reformierter Prädikanten kam.[3]
Doch dieses allzu glatte und nach außen hin einheitliche kirchenpolitische Bild täuscht. Ottheinrich unterhielt - auf vertraulichen Wegen - engen Kontakt mit dem Zürcher Nachfolger Zwinglis, Heinrich Bullinger, dessen theologischen Rat der heimlich mit der Zürcher Reformation sympathisierende Kurfürst mehrfach einholte.[4] Doch vor dem Hintergrund der politischen Realitäten des Religionsfriedens, der bekanntlich für Altgläubige und Augsburger Konfessionsverwandte galt, hielt es Ottheinrich politisch für geboten, die Kontakte nach Zürich nicht allzu öffentlich zu machen. Dennoch öffnete sich die Kurpfalz, für die Öffentlichkeit beinahe unmerklich, reformierten Einflüssen.[5] Dieser allmählich wachsende Einfluss zeigte sich in der Besetzung einflussreicher Positionen im Umfeld der Heidelberger Regierung mit Bullinger freundlich gesonnenen Personen.[6] Hierzu zählte der Jurist Christoph v. Ehem[7], der Mediziner Thomas Erast[8], die Theologen Wilhelm Klebitz[9] und Petrus Boquinus[10], nicht zuletzt auch der Kanzleisekretär Stefan Zirler[11] und die Grafen v. Erbach[12].
1559 starb Ottheinrich überraschend. Die konfessionell nicht ausdifferenzierte Haltung des Kurfürsten trug nach seinem frühen Tod zur weiteren Entwicklung in der Kurpfalz maßgeblich bei. Ottheinrich hatte kirchenpolitische Grundentscheidungen getroffen, die den Gang der kommenden Ereignisse maßgeblich beeinflussten. Zudem zeigte sich, dass die „Unfertigkeit des gesamten pfälzischen Kirchenwesens“[13] die Hinwendung der Kurpfalz zum reformierten Bekenntnis erheblich erleichterte. Denn das reformierte Beziehungsnetz in Heidelberg hielt auch nach dem Tod Ottheinrichs. So erwies sich – wie sich rasch zeigen sollte - der Regierungsantritt des neuen Kurfürsten Friedrich III. im Jahr 1559 für die Zürcher als ein unverhoffter Glücksfall.
Friedrich III., 1515 in Simmern geboren und in einem streng katholischen Elternhaus erzogen, erhielt seine Ausbildung in Nancy, Lüttich und am kaiserlichen Hof in Brüssel. 1537 heiratete er die Markgrafentochter Maria von Brandenburg-Kulmbach, eine Lutheranerin, die ihn zu einer intensiven Beschäftigung mit der Heiligen Schrift anregte. Friedrichs vielfach bezeugte tiefe Christusfrömmigkeit entstand wohl aus seiner Auseinandersetzung mit der Bibel in jenen Jahren.
1557 führte Friedrich, nach dem Tod seines Vaters, in Pfalz-Simmern die Reformation ein (also jener Anlass, der uns heute zusammengeführt hat)[14] und profilierte sich rasch als ein begabter Politiker, der entschlossen die reichsrechtlichen Rahmenbedingungen für die Umsetzung seiner konfessionellen Ziele zu nutzen verstand. Zwei Jahre später trat Friedrich als dem lutherischen Lager zugewandter Regent in Heidelberg Ende 1559 sein neues kurfürstliches Amt an – und ließ zugleich die kleine reformierte Gruppe um den Diakon Wilhelm Klebitz[15], der als Hauptkontrahent des lutherischen Superintendenten Tileman Heshusen[16] galt, Dr. Christoph v. Ehem, Thomas Erast, Stefan Zirler und Petrus Boquin, unangetastet.
In Zürich galt dies als ein klares kirchenpolitisches Signal. Bullinger erkannte sofort die Möglichkeiten, die sich mit dieser Haltung des neuen Kurfürsten für die Reformierten in der Kurpfalz eröffnen könnten.[17] Umgehend setzte eine breit angelegte Korrespondenz mit verantwortlichen Kirchenpolitikern ein. Bullinger hielt in seinem Diarium den Beginn seiner Korrespondenz mit Kurfürst Friedrich, den Brüdern v. Erbach, dem Kanzler Probus, Ehem, Erast sowie mit den Professoren Xylander und Baudoin für das Jahr 1559 fest.[18] Die argumentative Marschrichtung Bullingers in diesen Wochen war folgende: Zunächst suchte der Zürcher den Nachweis der Zürcher Orthodoxie zu erbringen, erhob die Forderung einer kirchenpolitischen Gleichberechtigung der Reformierten mit den Lutheranern und plädierte anschließend für eine obrigkeitliche Anerkennung, zumindest aber für eine Duldung reformierter Christen in der Kurpfalz. Kompromisslos bestand Bullinger auf Rücknahme des Ketzer-Vorwurfes, und betonte, dass es ohne eine vorherige obrigkeitliche Anerkennung nicht zu Religionsgesprächen kommen werde.[19]
Ganz auf dieser inhaltlichen Linie liegt auch das erste Schreiben Bullingers an den Kurfürsten. In gewohnter Weise brachte sich Bullinger am 6. April 1560 bei dem Kurfürsten in Erinnerung. Der Zürcher übersandte ein Exemplar seiner Schrift „Der Wiedertäufer Ursprung“[20] mit der Bitte um freundliche Aufnahme. Besonders erhoffe er sich von dem Buch, dass Friedrich III. Einsicht in die Rechtgläubigkeit Zürcher Lehre gewänne. Weiter bot er dem Kurfürsten seine Dienste an.
„Sömlicher büchern senden ü.f.g. ich allhie ein exemplum gar früntlicher und verdienstlicher meynung, nitt das ü.f.g. des bedörffe, sunder alein, das ü.f.g. sähe, das wir in den kyrchen der Eydgnoschafft gar kein gmeinsame habind wäder mitt den töufferen noch andern secten, sunder das wir christenlich und rächt halltind von dem heyligen glouben, von der kyrchen und den heyligen sacramenten und von der oberkeit, ouch rächter regierung, da wir doch in ettlicher fürnemmer lüthen geschrifften under die töuffer gezellt und alls sectarii geschuldigit werdent etc. Bitten underthänig, ü.f.g. wölle dises buch in gnaden von mir, irem willigen diener anemmen, dises min schryben wol beradten und in iren fürstlichen gnaden alle zyt gnädiglich befolhen zu haben. Dann wo ü.f.g. ich gedienen könde, wöllte ich zu allen zyten willig und trüw sin.“[21]
Bullinger ging wie üblich vor >>> (weiter im Text >>>)
Zitation nach der pdf-Datei
Der Heidelberger Katechismus im 16. Jahrhundert Entstehung, Zielsetzung, Rezeption*
von Andreas Mühling.pdf
* Vortrag auf der Jahresversammlung des Vereins für Rheinische Kirchengeschichte am 11. Mai 2007 in Traben-Trabach. Der Vortragsstil wurde bewusst beibehalten.
[1]Schreiben Friedrichs III. an die Obrigkeiten von Württemberg, Veldenz und Baden v. 14. September 1563, in August Kluckhohn, Briefe Friedrichs des Frommen. Bd. 1, Braunschweig 1868, Nr. 252.
[2] Vgl. hierzu zusammenfassend Volker Press, Calvinismus und Territorialstaat. Regierung und Zentralbehörden der Kurpfalz 1559-1619. Stuttgart 1970 (KHS 7), S. 221-266.
[3] Vgl. hierzu insg. Press, Calvinismus (wie Anm. 2), S. 181-220.
[4] Andreas Mühling, Heinrich Bullingers europäische Kirchenpolitik, Bern 2001 (ZBRG 19), S. 97-104.
[5] Ebd., S. 102.
[6] Ebd., S. 103-104.
[7] Zu v. Ehem vgl. Christoph Strohm, Calvinismus und Recht, Tübingen 2008, S. 58-63.
[8] Zu Thomas Erast vgl. Ruth Wesel-Roth, R., Thomas Erastus, Lahr 1954 ( VVKGB 15).
[9] Zu Klebitz vgl. Wim Janse, Der Heidelberger Zwinglianer Wilhelm Klebitz (um 1533-1568) und seine Stellung im aufkommenden Konfessionalismus, in: Alfred Schindler und Hans Stickelberger (Hg.), Die Zürcher Reformation: Ausstrahlungen und Rückwirkungen, Bern 2001 (ZBRG 18), S. 203-220..
[10]Zu Boquinus vgl. Friedrich Wilhelm Bautz, Boquinus, Pierre. In: BBKL, Band 1 (1990), Sp. 718-719.
[11] Zirler unterhielt eine ausführliche Korrespondenz mit Heinrich Bullinger. Von seinen Schreiben an den Zürcher sind noch 17 Briefe aus dem Zeitraum von 1561-1568 erhalten geblieben. 1 Schreiben, datiert v. 3.12.1567, stammt von Bullinger.
[12] Zu den Grafen Erbach vgl. Hollweg, Reichstag 15-20; Press, V., Die Grafen von Erbach und die Anfänge des reformierten Bekenntnisses in Deutschland. In: Hermann Bannasch (Hg.), Aus Geschichte und ihren Hilfswissenschaften, Marburg 1979 (VHKH 40), S. 653-685.
[13] Press, Calvinismus (wie Anm. 2), S. 220.
[14] Zu Pfalz-Simmern s. J. F. Gerhard Goeters (†) und Thomas Bergholz (Bearb.), Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts. Band 19: Rheinland-Pfalz II/2, Tübingen 2008, S. 653-666; Erik Zimmermann, Die Durchführung der „Zweiten Reformation“ auf dem Hunsrück. In: MEKGR 57 (2008), S. 91-107.
[15] Bullinger unterstützte Klebitz - inhaltlich nicht näher greifbar - in der Auseinandersetzung mit Heshusen. In dem kirchenpolitisch wichtigsten Schreiben von Klebitz an Bullinger, datiert v. August 1559, dankte Klebitz für die Übersendung einer Arbeit Vermiglis und für einen Brief Bullingers. Vermigli, so Klebitz, wäre längst Prediger in Heidelberg, wenn nicht Brenz Ottheinrich von einer Berufung abgeraten hätte. Klebitz fügte ein Thesenpapier zum Abendmahlsstreit bei und erbat eine Stellungnahme Vermiglis und Bullingers dazu. Zugleich wünschte Klebitz die Meinung Vermiglis und Bullingers über die Vereinigung Christi mit den Gläubigen und einen Bericht über die angeblichen Abendmahlsdiskussionen der Zürcher mit Calvin zu hören, ein Punkt, auf den Heshusen poche (Zürich Zb, Ms F 42, 167).
[16] Vgl. zu Heshusen auch Peter F. Barton, Art. Heshusius, Tileman. In: TRE, Bd. 15 (1986); S. 256-260.
[17] Im Oktober 1559 schrieb Bullinger an Johannes Fabricius: „Multo melior est princeps elector Palatinus ille nuper electus aut creatus, quam fuerit qui decessit; speramus (quantum de homine sperare licet) non mediocria de illo“ (Traugott Schiess (Bearb.), Bullingers Korrespondenz mir den Graubündnern. II. Teil: April 1557-1566. Basel 1905, Nr. 202.
[18] Emil Egli (Hg.), Heinrich Bullingers Diarium (Annales vitae) der Jahre 1504-1574. Basel 1904, S. 60.
[19] So beispielsweise im Schreiben an die Grafen von Erbach v. 4. November 1559 (Zürich ZB, Ms 96, 30).
[20] Zürich 1560 (vgl. Joachim Staedtke [Bearb.], Heinrich Bullinger Werke: Bibliographie Band 1. Beschreibendes Verzeichnis der gedruckten Werke von Heinrich Bullinger. Zürich 1972, Nr. 394.
[21] Zürich StA, E II 338, 1580b.
Bullinger ging wie üblich vor >>> (weiter im Text >>>)
Zitation nach der pdf-Datei
© Prof. Dr. Andreas Mühling, Trier