Heidelberger Katechismus Frage ...
Den Heidelberger (anders) hören
Dieser Text regt zum eigenen (Weiter-)Denken an!
Ein Veranstaltungsvorschlag

Den Heidelberger Katechismus vortragen lassen und einmal (anders) hören – in Auszügen oder ganz. In Abwechslung vielleicht mit solistischen Musikstücken.
Dialogisch. Szenisch. Kommunikativ. Ohne viele Erklärungen. Denn dieser Text regt zum eigenen Denken an, berührt existentielle Fragen, weckt Widerspruch oder Zustimmung, fordert heraus!

Programmvorschläge, weitere Infos und Kontakte zu Schauspieler/inne/n über Aleida Siller, E-Mail: info@reformierter-bund.de



Zeitliche und ewige Wohlfahrt! Der Heidelberger Katechismus in Westfalen

Verbreitung und Union im 19. Jahrhundert

Schautafeln, erarbeitet von Ingrun Osterfinke für die Ausstellung des Landeskirchlichen Archivs der EKvW in Bielefeld vom 5. bis 28. Nov. 2013 "Zeitliche und ewige Wohlfahrt! 450 Jahre Heidelberger Katechismus“.

1. Tafel Verbreitung Heidelberger Katechismus in Westfalen>>> Zur pdf der beiden Ausstellungstafeln 

Der Text der ersten Ausstellungstafel: Verbreitung in Westfalen

„Alß befehlen wir euch hiemit gnädigst, die vorgedachte Süster Kirche … zu der Reformirten Gottesdinst der Reformirten Gemeine daselbst dergestalt anzuweisen, undt einzugeben, daß Sie von nun an in derselbigen predigen, das Abendmahl halten, die Kinder tauffen, die Leute trauer und alles das ungehindert verrichten mögen, was zu einem volkommenen und unbeschränkten Gottesdinst gehöret …“

Friedrich Wilhelm Kurfürst von Brandenburg zur Übergabe der Bielefelder Süsterkirche an die Reformierte Gemeinde, 1681 (Archiv der Ev.-Reformierten Kirchengemeinde Bielefeld, LkA EKvW 4.107 Nr. 658)

Verbreitung des reformierten Bekenntnisses bis zum Ende des 17. Jahrhunderts

Bald nach seiner Veröffentlichung in der Kurpfalz hielt der Heidelberger Katechismus auch in Westfalen Einzug. Durch persönliche oder familiäre Verbindungen angeregt, öffneten einzelne Landesherren ihre Herrschaftsbereiche nach der lutherischen Reformation nun dem reformierten Bekenntnis: 1577 in der Grafschaft Nassau-Siegen, 1581 in der Grafschaft Wittgenstein und 1588 in den Grafschaften Tecklenburg-Bentheim-Steinfurt. Hier galt der Heidelberger Katechismus mit jeweils eigenen Kirchenordnungen.

In den Grafschaften Mark und Ravensberg sowie im Bistum Minden war der Impuls zur Reformation von der Bevölkerung selbst ausgegangen und es gab bereits lutherische Gemeinden. Die Städte Dortmund, Lippstadt, Soest und Herford hatten ebenfalls das Augsburger Bekenntnis angenommen. In der Mark kamen durch den Einfluss niederländischer Glaubensflüchtlinge nun seit Ende des 16. Jahrhunderts auch viele reformierte Gemeinden hinzu, die den Heidelberger Katechismus anerkannten. Für das hier entstandene Selbstverwaltungssystem aus Presbyterien und Synoden bestätigte der Kurfürst von Brandenburg als neuer Landesherr 1662 eine eigene reformierte (und 1687 eine lutherische) Kirchenordnung in Kleve und Mark. Der Kurfürst selbst war reformiert. Unter seinem Schutz bildeten sich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts auch in Minden-Ravensberg einzelne reformierte Gemeinden in Minden, Herford und Bielefeld sowie später in Vlotho.

Zum Ende des 17. Jahrhunderts fasste in den Herrschaften Gemen und Anholt neben dem lutherischen das reformierte Bekenntnis Fuß, ebenso entstand eine reformierte Gemeinde in Soest. In den geistlichen Herrschaftsgebieten der katholischen Fürstbischöfe von Münster, Paderborn und Köln dagegen wurden reformatorische Tendenzen und somit die jungen lutherischen und zum Teil reformierten Gemeinden weitgehend unterdrückt, eine kleine reformierte Gemeinde hielt sich in Werth.

Ein sehr wechselvolles Schicksal in den Konfessionskriegen des Reformationszeitalters erlebte die Obergrafschaft Lingen. Seit 1678 stand sie unter der Herrschaft Wilhelms III. von Nassau-Oranien, der nach katholischen Zwischenherrschaften das reformierte Bekenntnis in den vier Kirchspielen Ibbenbüren, Mettingen, Recke und Brochterbeck dauerhaft wieder einführte.
 

2. Tafel  Westfalen "Union im 19. Jahrhundert"

>>> Zur pdf der beiden Ausstellungstafeln

Der Text der zweiten Asstellungstafel: Union im 19. Jahrhundert

„Unbedenklich ist die Ausarbeitung eines Catechismus für die ganze Provinzial-Synode … die schwerste Aufgabe, die der Synode gestellt ist … allein sie erscheint doch höchst wünschenswert …“

Präses von der Kuhlen auf der ersten Westfälischen Provinzialsynode im Oktober 1835 in Soest
(LkA EKvW 29.3)

Union im 19. Jahrhundert

1817 rief König Friedrich Wilhelm III. von Preußen die Gemeinden beider evangelischer Bekenntnisse zur Kirchenunion auf. Er strebte nach einer einheitlichen kirchlichen Verfassung für die Provinzen seines Herrschaftsgebietes, das seit dem Wiener Kongress 1815 auch das ganze heutige Westfalen umfasste.

Nach dem Verständnis vieler Gemeinden hätte zur Union auch ein gemeinsamer Unionskatechismus gehört. Der erste Versuch für einen solchen Unionskatechismus stammt von Friedrich Adolf Krummacher, General-Superintendent von Anhalt-Bernburg, aus dem Jahr 1823. In Westfalen hatte Pfarrer Christian Nonne aus Schwelm 1824 einen Entwurf ausgearbeitet, der von der Märkischen Gesamtsynode den Gemeinden in der Mark zur Stellungnahme vorgelegt wurde. Eine Annahme scheiterte jedoch an der Verschiedenartigkeit der Ansichten. Seit 1835 berief die Westfälische Provinzialsynode regelmäßig eine Kommission zur Prüfung der gebrauchten und neu verfassten Katechismen – mit Ausnahme des Kleinen Katechismus Luthers und des Heidelberger Katechismus. Vor allem war in den einzelnen, häufig von Pfarrern verfassten Katechismen der Lehrbegriff zu prüfen, ob dieser mit der Heiligen Schrift und den Bekenntnisschriften der evangelischen Kirche übereinstimmt. 1841 wurden 23 Katechismen genehmigt, 21 nicht genehmigt und 7 als geduldet eingestuft. Die geduldeten Katechismen waren so bald wie möglich abzuschaffen. Unter den nicht genehmigten Katechismen befanden sich auch die von Snell und Hasenklever, die in vielen Siegerländer Gemeinden verbreitet waren. Als sie von der Provinzialsynode verboten wurden, entschied man sich dort für Krummachers Veröffentlichung. Zur Ausarbeitung eines Unionskatechismus, wie im Rheinland, kam es in Westfalen nicht.

Der Heidelberger Katechismus spielte bis in das 19. Jahrhundert hinein eine wichtige Rolle im Familienleben und im Schulwesen der reformierten Gemeinden. Als die Westfälische Provinzialsynode im Zuge der Union 1853 den gleichzeitigen Gebrauch von Lutherischem und Heidelberger Katechismus in einer Gemeinde untersagte, setzte sich der Lutherische Katechismus in den Unionsgemeinden durch. Der Heidelberger Katechismus kam in der Mark außer Gebrauch. Auch die reformierten Gemeinden in Bielefeld, Herford und Soest, in Siegen und Wittgenstein wandten sich im 19. Jahrhundert vorübergehend anderen Katechismen zu. Den Heidelberger empfand man im Zuge der Aufklärung vielerorts als zu schwerfällig und zu dogmatisch. Dies änderte sich in der zweiten Jahrhunderthälfte, nachdem die Erweckungsbewegung zu einer Rückbesinnung auf das Bekenntnis geführt hatte. Die Synode Siegen beschloss 1872, den Heidelberger Katechismus in ihren Gemeinden wieder einzuführen und veröffentlichte eine eigene Ausgabe, später gemeinsam mit der Kreissynode Wittgenstein. Die Kreissynode Tecklenburg gab bereits seit 1858 eine eigene Fassung des Heidelberger Katechismus heraus. In den reformierten Gemeinden in Bielefeld und Soest fiel die Entscheidung zur Wiedereinführung 1875, in Herford 1887.

Ingrun Osterfinke

Benutzte Literatur/Quellen:

Werner Danielsmeyer: Die Evangelische Kirche von Westfalen. Bekenntnisstand. Verfassung. Dienst an Wort und Sakrament, Bielefeld 1978

Heinrich Friedrich Jacobson: Geschichte der Quellen des evangelischen Kirchenrechts der Provinzen Rheinland und Westfalen, mit Urkunden und Regesten, Königsberg 1844

Gottlieb Lüttgert: Evangelisches Kirchenrecht in Rheinland und Westfalen, Gütersloh, 1905

Wilhelm H. Neuser: Evangelische Kirchengeschichte Westfalens im Grundriss (Beiträge zur Westfälischen Kirchengeschichte, Bd. 22), Bielefeld 2002

Walter Göbell: Die evangelisch-lutherische Kirche in der Grafschaft Mark. Verfassung, Rechtsprechung und Lehre. Kirchenrechtliche Quellen von 1710 bis 1800 (Beihefte zum Jahrbuch des Vereins für Westfälische Kirchengeschichte, Heft 5), Bielefeld 1961

Friedrich Wilhelm Schmidt: Nachrichten aus der Geschichte der evangelisch-reformierten Gemeinde und der reformierten Süsterkirche zu Bielefeld, in: 300 Jahre Evangelisch-reformierte Gemeinde Bielefeld 1657-1957, Bielefeld 1957, S.17-81

Thomas Rohm und Anton Schindling, Tecklenburg, Bentheim, Steinfurt, Lingen in: Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung. Land und Konfession 1500-1650, Bd. 3: Der Nordwesten, hg. von Anton Schindling und Walter Ziegler, Münster 1991

Wilhelm H. Neuser, Reformation und Gegenreformation in Recke, in: Jahrbuch für Westfälische Kirchengeschichte, Bd. 87, Bielefeld 1993, S. 99-114

Protokolle der Westfälischen Provinzialsynode, LkA EKvW 29.3

Karl-Christoph Flick: Der Heidelberger Katechismus in Ostwestfalen und angrenzenden Gebieten (http://www.heidelberger-katechismus.net/6404-217-227-50.html, abgerufen am 17.06.2013)

Frank-Michael Kuhlemann: Politik und Konfession zur Geschichte der evangelisch-reformierten Gemeinde vom 17. Jahrhundert bis 1945, in: 1743-1993. 250 Jahre Evang.-reform. Petrikirche Minden. Festschrift zum 250-jährigen Kirchweihjubiläum der Evangelisch-reformierten Petrikirche Minden, Minden 1993, S. 40-62

Otto Wöhrmann: Aus dem Leben und aus der Zeit des Vaters des Herforder Katechismus, des Seniors und Magisters Matthias Rothe, Predigers an der Münsterkirche zu Herford 1674 - 1727, eines Vertreters des Pietismus in der schweren Zeit nach dem 30jährigen, Herford 1919

Festschrift zur Weihe der evangelischen Petri-Kirche zu Herford, 1902

Karl-Gottfried von Renesse: Glückliche Fahrt! 1664-1914. Zum 250jährigen Jubiläum der evangelisch-reformierten Gemeinde in Soest, Soest 1914

Die Evangelische Kirche in Nassau-Oranien 1530-1930. Festschrift zum Gedächtnis der Einführung der Reformation (1530) und des Heidelberger Katechismus (1580) in den Graffschaften Nassau-Siegen. Mit Beiträgen von Prof. D. Heinrich Schlosser in Herborn und Pfarrer Lic. Wilh. Neuser in Siegen, Band 1, hg. von den Kirchenkreisen Siegen und Wittgenstein, Siegen 1931

Johannes Burkhardt: Staat, Kirche und Gemeinschaft. Zur Geschichte der Kreissynode Wittgenstein im 19. und 20. Jahrhundert, in: Von Wittgenstein in die Welt. Radikale Frömmigkeit und religiöse Toleranz (Beiträge zur Westfälischen Kirchengeschichte, Bd. 35), Bielefeld 2009, S. 195-247

Walter Schmithals: Die Einführung der Union im Kirchenkreise Wittgenstein, in: Wittgenstein. Blätter des Wittgensteiner Heimatvereins, 1966, S. 193-208

Der Kirchenkreis Tecklenburg in Geschichte und Gegenwart, hg. von der Kreissynode Tecklenburg, Bielefeld 1988

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