Heidelberger Katechismus Frage ...
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Die 129 Fragen des Heidelberger Katechismus - ohne die Antworten!
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1. Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben?

2. Was musst du wissen, damit du in diesem Trost selig leben und sterben kannst?

3. Woher erkennst du dein Elend?

4. Was fordert denn Gottes Gesetz von uns?

5. Kannst du das alles vollkommen halten?

6. Hat denn Gott den Menschen so böse und verkehrt erschaffen?

7. Woher kommt denn diese böse und verkehrte Art des Menschen?

8. Sind wir aber so böse und verkehrt, dass wir ganz und gar unfähig sind zu irgendeinem Guten und geneigt zu allem Bösen?

9. Tut denn Gott dem Menschen nicht Unrecht, wenn er in seinem Gesetz etwas fordert, was der Mensch nicht tun kann?

10. Will Gott diesen Ungehorsam ungestraft lassen?

11. Ist denn Gott nicht auch barmherzig?

12. Wenn wir also nach dem gerechten Urteil Gottes schon jetzt und ewig Strafe verdient haben, wie können wir dieser Strafe entgehen und wieder Gottes Gnade erlangen?

13. Können wir aber selbst für unsere Schuld bezahlen?

14. Kann aber irgendein Geschöpf für uns bezahlen?

15. Was für einen Mittler und Erlöser müssen wir denn suchen?

16. Warum muss er ein wahrer und gerechter Mensch sein?

17. Warum muss er zugleich wahrer Gott sein?

18. Wer ist denn dieser Mittler, der zugleich wahrer Gott und ein wahrer, gerechter Mensch ist?

19. Woher weißt du das?

20. Werden denn alle Menschen wieder durch Christus gerettet, so wie sie durch Adam verloren gegangen sind?

21. Was ist wahrer Glaube?

22. Was ist für einen Christen notwendig zu glauben?

23. Wie lautet dieses Glaubensbekenntnis?

24. Wie wird das Glaubensbekenntnis eingeteilt?

25. Warum nennst du denn drei: den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist, wo doch Gott nur einer ist?

26. Was glaubst du, wenn du sprichst: „Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer Himmels und der Erde“?

27. Was verstehst du unter der Vorsehung Gottes?

28. Was nützt uns die Erkenntnis der Schöpfung und Vorsehung Gottes?

29. Warum wird der Sohn Gottes Jesus, das heißt „Heiland“ genannt?

30. Glauben denn auch die an den einzigen Heiland Jesus, die Heil und Seligkeit bei den Heiligen, bei sich selbst oder anderswo suchen?

31. Warum wird er Christus, das heißt „Gesalbter“ genannt?

32. Warum wirst aber du ein Christ genannt?

33. Warum heißt Jesus Christus „Gottes eingeborener Sohn“, da doch auch wir Kinder Gottes sind?

34. Warum nennst du ihn „unseren Herrn“?

35. Was bedeutet: „Empfangen durch den heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria“?

36. Was nützt es dir, dass er durch den heiligen Geist empfangen und von der Jungfrau Maria geboren ist?

37. Was verstehst du unter dem Wort „gelitten“?

38. Warum hat er unter dem Richter Pontius Pilatus gelitten?

39. Bedeutet sein Tod am Kreuz mehr, als wenn er eines anderen Todes gestorben wäre?

40. Warum hat Christus den Tod erleiden müssen?

41. Warum ist er begraben worden?

42. Warum müssen wir noch sterben, obwohl Christus für uns gestorben ist?

43. Welchen weiteren Nutzen haben wir aus Opfer und Tod Christi am Kreuz?

44. Warum folgt „abgestiegen zu der Hölle“?

45. Was nützt uns die Auferstehung Christi?

46. Wie verstehst du, dass es heißt „aufgefahren in den Himmel“?

47. Ist denn Christus nicht bei uns bis ans Ende der Welt, wie er uns verheißen hat?

48. Werden aber auf diese Weise nicht Gottheit und Menschheit in Christus voneinander getrennt, wenn er nach seiner menschlichen Natur nicht überall ist, wo er nach seiner Gottheit ist?

49. Was nützt uns die Himmelfahrt Christi?

50. Warum wird hinzugefügt „er sitzt zur Rechten Gottes“?

51. Was nützt uns diese Herrlichkeit unseres Hauptes Christus?

52. Was tröstet dich die Wiederkunft Christi, „zu richten die Lebenden und die Toten“?

53. Was glaubst du vom heiligen Geist?

54. Was glaubst du von der „heiligen allgemeinen christlichen Kirche“?

55. Was verstehst du unter der „Gemeinschaft der Heiligen“?

56. Was glaubst du von der „Vergebung der Sünden“?

57. Was tröstet dich die „Auferstehung der Toten“?

58. Was tröstet dich die Verheißung des ewigen Lebens?

59. Was hilft es dir aber nun, wenn du das alles glaubst?

60. Wie bist du gerecht vor Gott?

61. Warum sagst du, dass du allein durch den Glauben gerecht bist?

62. Warum können denn unsere guten Werke uns nicht ganz oder teilweise vor Gott gerecht machen?

63. Verdienen aber unsere guten Werke nichts, obwohl Gott sie doch in diesem und dem zukünftigen Leben belohnen will?

64. Macht aber diese Lehre die Menschen nicht leichtfertig und gewissenlos?

65. Wenn nun allein der Glaube uns Anteil an Christus und allen seinen Wohltaten gibt, woher kommt solcher Glaube?

66. Was sind Sakramente?

67. Sollen denn beide, Wort und Sakrament, unseren Glauben auf das Opfer Jesu Christi am Kreuz als den einzigen Grund unserer Seligkeit hinweisen?

68. Wieviel Sakramente hat Christus im Neuen Testament eingesetzt?

69. Wie wirst du in der heiligen Taufe erinnert und gewiss gemacht, dass das einmalige Opfer Christi am Kreuz dir zugut kommt?

70. Was heißt, mit dem Blut und Geist Christi gewaschen sein?

71. Wo hat Christus verheißen, dass wir so gewiss mit seinem Blut und Geist wie mit dem Taufwasser gewaschen sind?

72. Ist denn das äußerliche Wasserbad selbst die Abwaschung der Sünden?

73. Warum nennt denn der Heilige Geist die Taufe das „Bad der Wiedergeburt“ und die „Abwaschung der Sünden“?

74. Soll man auch die kleinen Kinder taufen?

75. Wie wirst du im heiligen Abendmahl erinnert und gewiss gemacht, dass du an dem einzigen Opfer Christi am Kreuz und allen seinen Gaben Anteil hast?

76. Was heißt, den gekreuzigten Leib Christi essen und sein vergossenes Blut trinken?

77. Wo hat Christus verheißen, dass er die Gläubigen so gewiss mit seinem Leib und Blut speist und tränkt, wie sie von diesem gebrochenen Brot essen und von diesem Kelch trinken?

78. Werden denn Brot und Wein in Leib und Blut Christi verwandelt?

79. Warum nennt denn Christus das Brot seinen Leib und den Kelch sein Blut oder nennt den Kelch den neuen Bund in seinem Blut, und warum spricht Paulus von der Gemeinschaft des Leibes und Blutes Jesu Christi?

80. Was ist für ein Unterschied zwischen dem Abendmahl des Herrn und der päpstlichen Messe?

81. Welche Menschen sollen zum Tisch des Herrn kommen?

82. Dürfen aber zum heiligen Abendmahl auch solche zugelassen werden, die sich in ihrem Bekenntnis und Leben als Ungläubige und Gottlose erweisen?

83. Was ist das Amt der Schlüssel?

84. Wie wird das Himmelreich durch die Predigt des heiligen Evangeliums auf- und zugeschlossen?

85. Wie wird das Himmelreich durch die christliche Bußzucht zu- und aufgeschlossen?

86. Da wir nun aus unserm Elend ganz ohne unser Verdienst aus Gnade durch Christus erlöst sind, warum sollen wir gute Werke tun?

87. Können denn auch die selig werden, die sich von ihrem undankbaren, unbußfertigen Leben nicht zu Gott bekehren?

88. Worin besteht die wahrhaftige Buße oder Bekehrung des Menschen?

89. Was heißt Absterben des alten Menschen?

90. Was heißt Auferstehen des neuen Menschen?

91. Was sind denn gute Werke?

92. Wie lautet das Gesetz des HERRN?

93. Wie werden diese Gebote eingeteilt?

94. Was fordert der Herr im ersten Gebot?

95. Was ist Götzendienst?

96. Was will Gott im zweiten Gebot?

97. Darf man denn gar kein Bild machen?

98. Dürfen denn nicht die Bilder als „der Laien Bücher“ in den Kirchen geduldet werden?

99. Was will Gott im dritten Gebot?

100. Ist es denn eine so schwere Sünde, Gottes Namen mit Schwören und Fluchen zu lästern, dass Gott auch über die zürnt, die nicht alles tun, um es zu verhindern?

101. Darf man aber überhaupt bei dem Namen Gottes einen Eid schwören?

102. Darf man auch bei den Heiligen oder anderen Geschöpfen schwören?

103. Was will Gott im vierten Gebot?

104. Was will Gott im fünften Gebot?

105. Was will Gott im sechsten Gebot?

106. Redet denn dieses Gebot nur vom Töten?

107. Haben wir das Gebot schon erfüllt, wenn wir unseren Nächsten nicht töten?

108. Was will Gott im siebenten Gebot?

109. Verbietet Gott in diesem Gebot allein den Ehebruch?

110. Was verbietet Gott im achten Gebot?

111. Was gebietet dir aber Gott in diesem Gebot?

112. Was will Gott im neunten Gebot?

113. Was will Gott im zehnten Gebot?

114. Können aber die zu Gott Bekehrten diese Gebote vollkommen halten?

115. Warum lässt uns Gott denn die zehn Gebote so eindringlich predigen, wenn sie doch in diesem Leben niemand halten kann?

116. Warum ist den Christen das Gebet nötig?

117. Was gehört zu einem Gebet, damit es Gott gefällt und von ihm erhört wird?

118. Was hat uns Gott befohlen, von ihm zu erbitten?

119. Wie lautet dieses Gebet

120. Warum hat uns Christus befohlen, Gott so anzureden: „Unser Vater“?

121. Warum wird hinzugefügt: „im Himmel“?

122. Was bedeutet die erste Bitte: „Geheiligt werde dein Name“?

123. Was bedeutet die zweite Bitte: „Dein Reich komme“?

124. Was bedeutet die dritte Bitte: „Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden“?

125. Was bedeutet die vierte Bitte: „Unser tägliches Brot gib uns heute“?

126. Was bedeutet die fünfte Bitte: „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern“?

127. Was bedeutet die sechste Bitte: „Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen“?

128. Wie beschließt du dieses Gebet: „Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit“?

129. Was bedeutet das Wort: „Amen“?

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Christentum auf schmaler Spur?

Was am Heidelberger Katechismus „entschieden nicht gut“ ist

Von Roland Jürgensmeier

Kein anderes einzelnes Wort steht so sehr für das Ganze des Heidelberger Katechismus’ wie der Begriff des Trostes. Der „Heidelberger“, so lautet ein typisches Urteil, habe die Reformation um den „Gedanken des Trostes“ bereichert. Dieser Gedanke konnte in der reformierten Welt enorme Popularität erlangen: Theologen überschrieben ihre Auslegungen, Kirchengemeinden betitelten ihre Gemeindeblättchen mit dem „einigen Trost“, und vielen, die den Katechismus noch als Unterrichtsbuch erlebt haben, erscheint, sobald die Rede auf ihn kommt, der Wortlaut seiner ersten Frage vor ihrem geistigen Auge.

Die Prägekraft des Wortes „Trost“ ist nicht nur der formalen Tatsache geschuldet, dass es sich bei ihm um das allererste Hauptwort im Fließtext des dieses Katechismus’ handelt. Dessen „analytische Charakter“ bringt es vielmehr mit sich, dass sich letztlich all seine Fragen und Antworten auf die Antwort 1 rückbeziehen. Von ihr aus wird das Eine und Ganze christlicher Lehre entfaltet. Von zentraler Bedeutung ist deshalb auch, in welche Perspektive diese Antwort ihrerseits durch die sie einleitende Frage gerückt wird: Das Licht, das von Frage 1 aus fällt, bestimmt die Farben, in denen nicht nur die erste, sondern alle Antworten des Katechismus aufleuchten.

An dieser alles entscheidenden Stelle des „Heidelbergers“ stoßen wir nun also auf das Wörtlein „Trost“. Bevor ich diese Wahl kritisiere, will ich nicht versäumen, ihr meine Reverenz zu erweisen, erscheint sie doch angesichts aktueller theologischer Forderungen als geradezu verblüffend modern: Indem der Katechismus ein menschliches Bedürfnis – seine Trostbedürftigkeit – an den Anfang stellt, versucht er, den Menschen „dort abzuholen, wo er steht“, ihn „anzusprechen in seiner konkreten Lebenssituation“, ihm seine „religiöse Affinität“ aufzuzeigen. Dem Leser und der Leserin wird nicht einfach ein abstraktes theologisches Gedankengebäude vorgesetzt, sondern ein persönlicher Zugang zum Glauben verschafft. Auch ist es gut, dass in der Perspektive des Trostes jede „triumphalistische“ Deutung der christlichen Botschaft unmöglich wird: Wo getröstet werden muss, da gibt es noch ernsthafte Probleme, da ist nicht einfach „in Christus“ alles schon gelaufen, da wird noch gebangt und gehofft. Da hat sich die Verheißung nicht durch Erfüllung erledigt.

Und dennoch: Als Karl Barth sich 1921 erstmals als akademischer Lehrer dem Heidelberger Katechismus zuwendet, da erscheint ihm der als „ein entschieden fragwürdiges Werk“. Ein Urteil, das er gerade an Frage 1 festmacht: Sie sei „entschieden nicht gut“. Ein Fehlurteil? Zumindest eines, dem die meisten heute etwas ratlos gegenüberstehen. Manche meinen, der frisch gebackene Professor für reformierte Theologie habe den Katechismus einfach „nicht reformiert genug“ gefunden. So als wäre der Barth des Jahres 1921 ein besonders konfessionell denkender Mensch gewesen! Nein, die rein konfessionelle Deutung leuchtet die Hintergründe der barthschen Katechismus-Kritik leider nur ganz unvollständig aus. Doch genau hier nachzufassen wäre eine lohnende Aufgabe.

Rückblende: Zwei Jahre zuvor schreibt Barth einen recht pietätlosen Nachruf auf den Politiker Friedrich Naumann. Der Text enthält eine Wendung, die aufhorchen lässt. Barths posthumer Vorwurf an Naumann lautet: Der habe ein Christentum vertreten, das wohl „Trost und Kraft in der Welt“ verheiße, das aber nicht ernst mache mit Christi „Sieg über die Welt“. Mit anderen Worten: Die naumannsche Art zu glauben verkürze das Evangelium auf die Verkündigung einer Privatreligion als seelische Medizin zum persönlichen Bestehen in den Realitäten der Welt. Der Weltenlauf selbst erscheine diesem Glauben als unabänderlich, als vom Evangelium nicht erfasst. So mutiere das Getröstet-Werden zum Ziel- und Höhepunkt aller christlichen Möglichkeiten. Allem individuellen Getröstet-Werden aber fehle der sachliche Grund ohne den universellen Sieg Christi. Wer an ihm vorbei glaube, der habe keine Ahnung davon, dass mit der „Auferstehung des Fleisches“ mehr gewonnen sein könnte als persönliche Jenseitshoffnung, nämlich eine höchst irdische Hoffnung für das Leben auf dieser Welt.

Hier stoßen wir auf die wahren Gründe für Barths frühe Katechismuskritik: Welche Spur ist für die Deutung des „Einen und Ganzen“ der christlichen Lehre betreten, wenn der Trost, verstanden als das menschliche Bedürfnis nach Beruhigung der sich ängstigenden Seele, zum Ausgangspunkt aller Überlegungen wird? Sein Urteil: eine viel zu schmale! Was der Karl Barth des Jahres 1921 dem Heidelberger Katechismus vorwirft, ist die Wahl einer einseitig individuell-subjektiven Perspektive für die Entfaltung der christlichen Heilsbotschaft. Die Bedeutung des Sozialen, erst recht des Politischen, die ganze Gemeinschaftsbezogenheit christlicher Existenz kann so nicht richtig zur Sprache kommen. Eine ganze Kategorie christlichen Glaubens wird unterschlagen! Zwar nimmt Barth die Antwort 1 von seiner Kritik umgehend aus, aber nur deshalb, weil die Antwort mit ihrem Verweis auf die umfassende Herrschaft Christi die Frage gleichsam „in die Luft sprengt“. Man muss die Antwort von der Frage isolieren, damit sie gut wird. Das aber bedeutet nichts anderes, als dass der Begriff des Trostes als Einstieg falsch gewählt ist.

Barth hat diese Kritik später so nicht wiederholt. Doch hatte er damit nicht völlig Recht gehabt? Trost als oberster „Nutzen“ aller göttlichen Heilsökonomie. Der Mensch im Elend und böse von Natur. Die Welt ein Jammertal. Das ist die sehr einseitige Grundbefindlichkeit, die mehr als nur indirekt mitschwingt, wenn wir die ersten Fragen und Antworten des „Heidelbergers“ auf uns wirken lassen. Und in alledem bleibt des Menschen Blick fest auf sich selbst gerichtet: Das Allerwichtigste ist, dass „mein getreuer Heiland […] mich aus aller Gewalt des Teufels erlöset hat“. Pessimismus also plus Innerlichkeit. Der Katechismus vermittelt hier den Eindruck, als wollte er ein statisches Menschenbild konstruieren, wollte den Menschen festlegen darauf, was er „an und für sich ist“, um ihn dadurch empfänglich zu machen für seine rein passiv zu erlangende Errettung und Erlösung. Dabei kann doch die Feststellung der grundlegenden Differenz zwischen Adam und Christus aus biblischer Sicht nur den Sinn haben, den Menschen dynamisch auf Christus hin auszurichten. Nicht das sogenannte christliche („abendländische“) Menschenbild, sondern das biblische Christusbild beansprucht letztgültige Autorität! Das aber legt den Menschen weder „optimistisch“ oder „pessimistisch“ fest, sondern ruft ihn in die Nachfolge. Unwillkürlich kommt einem Bonhoeffer in den Sinn: „Ich möchte von Gott nicht an den Grenzen, sondern in der Mitte, nicht in den Schwächen, sondern in der Kraft, nicht also bei Tod und Schuld, sondern im Leben und im Guten des Menschen sprechen.“ Und zwar nicht deshalb, weil der Mensch keines Trostes bedürfte oder weil er von Gott keinen zu erwarten hätte, sondern weil Gott ihm auch als Nicht-Traurigem, Nicht-Ängstlichem, Nicht-Leidendem, der er gelegentlich auch ist, etwas zu sagen hat. Die Zugehörigkeit zu Jesus Christus bedeutet mir nicht nur Balsam für die Seele, sondern Ermutigung zur Tat, und sie bewirkt nicht etwa individuelle „Leibeigenschaft“, sondern integriert mich in die Gemeinschaft des Leibes Christi. Auch in seinen späteren, viel freundlicheren Auslegungen des „Heidelbergers“ hat Karl Barth hier ein Defizit gespürt und benannt, sieht er sich doch an zentraler Stelle (bei den Fragen 19 bis 23) genötigt, den Katechismus „bewusst über den Literalsinn hinaus“ zu interpretieren, um „der etwas egoistischen, engen und muffigen Luft“ zu entgehen, unter der man hier „sonst leicht leiden“ könnte. Wenn Gott nur mich gerettet hätte, wäre ich untröstlich. Durch seine Frage 1 läuft der Katechismus Gefahr, diesen grundlegenden Erkenntnisgewinn eher zu behindern als zu befördern.

„Aber die Ethik!“, könnte man jetzt einwenden. Beweist nicht der „Heidelberger“ in den 56 Fragen und Antworten seines dritten Abschnitts, dass ihm das Soziale, das Praktische, die Lebensgestaltung überragend wichtig ist? Ich habe da meine Zweifel. Wie plausibel ist es eigentlich, Dankbarkeit gegen Gott als Begründung für ethisches Verhalten heranzuziehen? Schon als Konfirmand habe ich mich gefragt, ob es eigentlich wirklich Dankbarkeit für die „mir erworbene Erlösung“ ist, wenn ich – sagen wir einmal ganz platt-anschaulich – in der Straßenbahn einem Behinderten meinen Platz anbiete. Wäre das bei dieser Motivlage überhaupt noch ein gutes Werk? Gewiss gibt Dankbarkeit einen besseren Grund für ethisches Verhalten ab als die Erwartung späterer Belohnung „im Himmel“. Doch bewegt sich der oder die Handelnde damit noch ganz im Zirkel des eigenen subjektiven Gottesverhältnisses: Man handelt nun zwar nicht mehr, um von Gott dafür belohnt zu werden, aber immer noch (nur) deshalb, weil Gott mit ebendieser Belohnung in Vorleistung getreten ist. Es wird deutlich: Durch bloße Umkehrung des pelagianischen Kausalitätsverhältnisses zwischen Tun und Belohnung ist die Werkgerechtigkeit noch lange nicht so gründlich erledigt, wie sie es verdient. Seltsam funktionslos stehen die Werke hier neben dem Glauben, dokumentieren diesen zwar, wären im göttlichen Heilsplan aber im Prinzip auch verzichtbar. Gott macht alles alleine. Er bedient sich nicht seiner Geschöpfe, hat mit ihrer Geschichte nichts zu schaffen, bleibt ganz „extramundanes Wesen“. Die vielgepriesenen Vorzüge reformierter Ethik können mit einer solchen Grundlegung noch nicht skizziert sein, unterscheidet sich der „Heidelberger“ doch insoweit in nichts von den entsprechenden Aussagen der Konkordienformel. Der Nächste als bloßes Demonstrationsobjekt meiner Dankbarkeit? Da ist ja selbst Schopenhauers Mitleidsethik überzeugender, wird darin doch die ethisch gute Handlung wenigstens unmittelbar um des Nächsten willen vollzogen!

Dabei weiß es der Katechismus eigentlich besser: Die guten Werke „fließen aus dem Glauben“ (vgl. Antwort 90), sind dessen unverzichtbare und unvermeidliche (Antwort 64!) Außenseite. Es wird durchaus erkannt, dass ethisches Verhalten ein die eigene Person betreffendes psychologisches Motiv gar nicht nötig hat. Denn Glaube ist Perspektivwechsel, Solidarisierung mit Gott, Parteinahme Jesu. Nur befindet sich der Katechismus offenbar in der Verlegenheit, eine real wirksame Funktion der „guten Werke“ neu benennen zu müssen, nachdem deren traditionelle Wirkung angesichts des „allein seligmachenden Opfers Christi“ in Wegfall geraten ist. Dabei verfällt er dann auf die Dankbarkeit – mit dem problematischen Ergebnis, dass die gute Tat forthin wiederum nur sekundär dem Nächsten, primär aber Gott und – dem Täter selbst gilt. Diese den Heilsegoismus nur scheinbar überwindende ethische Konzeption verweist das Soziale letztlich in die Sphäre des Symbolischen, Uneigentlichen. Die im Versöhnungswerk Christi vollzogene Annahme der geschichtlichen Welt kommt dabei überhaupt nicht angemessen zur Sprache. Es ist ja richtig: Im Blick aufs Kreuz begreift der Glaubende die Belanglosigkeit seiner Selbstsorge für seine Stellung vor Gott. Das mag ihn auf psychologischer Ebene befreien. Aber diese Bedeutung des Kreuzes wird gleichsam nur mitgeliefert, als Nebenprodukt der eigentlichen Erkenntnis, wonach Gottes „Wesen“ ganz Liebe und Vergebung ist. Nicht aus Erleichterung oder Beschämung über die ihm widerfahrene Gnade richtet der Glaubende sein Leben an Gottes Gebot aus, sondern weil er seinen Blick wegschwenkt von sich selbst und frei bekommt für das, was Gott für seine Schöpfung wünscht und mit ihr vorhat. Sein Glaube ist Zustimmung, sein Tun Einstimmung in dieses Vorhaben. Erst so gilt Nächstenliebe wirklich ganz dem Nächsten, und gerade so gelangt sie vor Gott zu realer Wirksamkeit. Zwar bleibt der einzelne Mensch weit entfernt davon, sich als ein cooperator dei fühlen zu dürfen. Denn das Urteil über sein Tun und Lassen fällt Gott allein, die objektiven Ergebnisse jener Einstimmung auf Gottes Zukunft bleiben aus menschlicher Sicht durch und durch profan. Und doch könnte man solches Tun mit einigem Recht als adoperatio („Zuarbeit“) bezeichnen. Denn indem es seiner Finalität nach im Sinne Jesu geschieht, bildet es auf sekundärer Ebene ein Hilfsangebot an Gott. Und niemand, zuallerletzt die reformierte Kirche, sollte Gott die Freiheit beschneiden, sich dessen nach freiem Belieben zur Verfolgung seiner Zwecke zu bedienen. Bei den Menschen ist´s nicht möglich, aber bei Gott sind alle Dinge möglich. Das wäre einmal eine gescheite Losung für eine reformierte Ethik! Eine hauchzarte Prise osiandrinische „Ketzerei“ war noch immer sehr hilfreich, wenn es darum ging, die zentrale Bedeutung der evangelischen Rechtfertigungslehre auch jenseits individueller Seelenberuhigung und Heilserwartung nachzuweisen. Um der Reinheit seiner Darstellung der justificatio forensis willen hat der Heidelberger Katechismus diese Möglichkeit leider ungenutzt liegen gelassen. So hilft ihm auch alles ethische Fragen und Antworten nichts, um seinen anfangs begangenen Konstruktionsfehler zu beheben. Für den dritten Teil des „Heidelbergers“ gilt vielmehr etwas ganz Ähnliches wie für seine erste Frage: Man muss die Überschrift ausblenden, um den Reichtum seiner Antworten zum Funkeln zu bringen.

Um einem naheliegenden Einwand von vornherein zu begegnen: Meine Kritik richtet sich nicht so sehr gegen den Heidelberger Katechismus als historisches Dokument. Der Vorwurf lautet nicht, dass die Autoren es auch damals schon hätten besser machen müssen. Der Mensch der Reformationszeit, vielfach eingebunden in die Kollektive seiner Sippe, seines Standes, seiner Zunft, seines Geschlechts, seiner kirchlichen und weltlichen Herrschaft, war noch nicht jenes höchstpersönliche Einzelwesen, das Aufklärung und moderne Gesellschaft aus ihm gemacht haben. Das mag diesen Menschen davor bewahrt haben, den Ich-Modus der Katechismus-Antworten einseitig subjektivistisch auszudeuten. Auch hatte das Wort „Trost“ vor 450 Jahren wohl einen anderen, etwas helleren Klang als heute. Wer die kommentierte Katechismus-Ausgabe Otto Webers zur Hand nimmt, findet darin die folgende, zunächst etwas stutzig machende Worterklärung: „Der Sinn des Wortes Trost ist heute in getrost enthalten“. Trost damals ist also offenbar nicht gleichbedeutend mit Trost heute, ein „Verdacht“, der sich beim Lesen der lateinischen Fassung der Frage 1 sogleich erhärtet: „Quam habes firmam in vita et morte consolationem?“ Also nicht einziger, sondern gewisser (unbezweifelter) Trost ist gemeint – oder auch: tröstliche Gewissheit. Vielleicht hätte die 1997 mit recht zweifelhaftem Erfolg vollzogene sprachliche Modernisierung des Textes hier einmal ansetzen sollen: „Worauf kannst du dich immer verlassen?“ Das wäre eine nicht weniger persönlich ansprechende, nicht weniger volkstümlich-schlichte Frage gewesen als die Sache mit dem Trost. Doch wären damit mehr menschliche Grundstimmungen eingefangen, in die hinein der Glaube zu sprechen hat.

Ohne diese Akzentverschiebung aber war der Katechismus nicht davor gefeit, im Verlaufe seiner Wirkungsgeschichte missverstanden zu werden. Und diese Anfälligkeit für Fehldeutungen ist sein eigentliches Problem. „Eine ahistorische und daher notwendig apolitische Auffassung der Barthschen Dogmatik verfehlt ihren Sinn. Sie ist […] das sehr zwielichtige Geheimnis des Erfolges, den Barth hier eine Zeitlang hatte“, schreibt Friedrich-Wilhelm Marquardt über die Barth-Rezeption in Deutschland. In gewisser Weise lässt sich dieses Urteil auch auf den Heidelberger Katechismus münzen. Mit nur etwas Fantasie lässt sich das populäre Meine geliebete Seele, das ist mein Begehren späterer Jahrhunderte schon aus ihm heraushören. Dieser Innerlichkeitstonfall konnte nur zu leicht die konservative Religiosität des bürgerlichen Zeitalters prägen, die ihn oftmals als reines „Trostbüchlein“ interpretierte. Die Folge war, dass die reformierte Theologie viele ihrer späteren Entdeckungen – von der rühmlichen Ausnahme der Barmer Theologischen Erklärung abgesehen – gleichsam an ihrem wichtigsten Bekenntnistext vorbei machen musste. Die derzeit vielgepriesene Ökumenizität des Heidelberger Katechismus’ hatte einen hohen Preis! Zur Verhältnisbestimmung von Kirche und Staat, angesichts der sozialen Frage oder der Dringlichkeit interreligiösen Dialogs nahm man oft Spuren auf, die im „Heidelberger“ fehlten. Dies gilt etwa von der Föderaltheologie, die von den „Vätern“ des Katechismus’ als Gestaltungsprinzip zunächst noch erwogen, dann aber verworfen worden war. „Der Katechismus ist ein Unterrichtsbuch, und daher dringt er in die tiefsten Geheimnisse nicht ein“, rechtfertigt Otto Weber an anderer Stelle seiner Kommentierung diesen Verzicht. Umso wichtiger zu wissen, dass es solche „Geheimnisse“ tatsächlich gibt. Sie zu verschweigen birgt die Gefahr in sich, dass das „Eine und Ganze des Glaubens“ nicht richtig verstanden wird. Doch was nützt uns ein so vollständig erscheinender Lehrtext, der sich ausgerechnet in diese Gefahr begibt?

„Ich kann mich“, sagte die Kinderbuchautorin Christine Nöstlinger neulich in einem Interview, „an ein Abendessen mit Astrid Lindgren in Stockholm erinnern. Sie hat zu mir gesagt, das Wichtigste sei für sie, Kinder zu trösten. Und ich habe relativ empört geantwortet: Also Astrid, bitte, wenn das alles ist – trösten ist mir wirklich zu wenig. Aber heute bin ich so alt wie sie damals und sage: Ja, sie hat recht gehabt. Das ist ein Teil der Funktion von Kinderbüchern: Dass man Kinder über ihre Lebenssituation trösten kann.“ Nochmals: Christlicher Glaube soll auch trösten. Doch ist es nicht anrührend zu sehen, wie die einstmals progressive, heute scheinbar altersskeptisch gewordene und sicher völlig unkirchliche Schriftstellerin das, was sie eigentlich sagen will, dann doch nicht sagen kann? Wie ihr der Satz, auch ihre Bücher sollten nun vor allem trösten, dann doch nicht vorbehaltlos über die Lippen kommt? Wie sich in ihrem Sprechen durch alle Lebenserfahrung hindurch ihr eigentlicher Glaube Bahn bricht? Dahinter sollten wir nicht zurückbleiben.